AfD im Visier

Von Wolfgang Weber

06.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:43 Uhr

Nun also doch. Die Alternative für Deutschland rückt ins Visier des Verfassungsschutzes. Zumindest in Thüringen, wo die Behörde die Partei jetzt systematisch auf verfassungsfeindliche Bestrebungen hin prüft. Dabei hatte Innenminister Horst Seehofer erst vorige Woche eine Beobachtung der AfD ausgeschlossen, weil es nach seiner Ansicht keine Gründe dafür gibt. Aber da hätte der Minister lieber einmal genauer hingeschaut.

Denn was soll man denn davon halten, wenn der thüringische AfD-Spitzenfunktionär Björn Höcke damit prahlt, künftig werde bei Protesten von AfD-Gegnern der Polizei fünf Minuten Zeit gegeben, dann würden "1000 Patrioten" im Rücken der Gegendemonstranten auftauchen. Bereits zuvor hat Höcke Bundespolizisten aufgefordert, ihren Vorgesetzten nicht zu folgen, weil sie sonst nach der Machtübernahme "des Volkes" zur Rechenschaft gezogen würden. Und im Bundestag reden AfD-Abgeordnete wie Heiko Heßenkemper beispielsweise ganz ungeniert von "Umvolkung" - ein Begriff aus dem Sprachgebrauch des Nationalsozialismus.

Aber weist das auch auf eine parteipolitische Linie oder auf zunehmende Radikalisierung hin - oder sind es "nur" Ansichten einzelner, wenn auch hochrangiger Parteimitglieder? Darin besteht für den Innenminister die hohe Hürde für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Das war wohl nicht immer so. Im Bundestagswahlkampf 1983 - Kanzler war Helmut Kohl von der CDU - wurden noch die Grünen von bundesdeutschen Geheimdienstlern ausspioniert.

Aber auch heute sollte nicht alles unkritisch hingenommen werden, was Verfassungsschutzämter tun und erklären. Schließlich hatten sie angeblich dank ihrer V-Männer die rechtsradikale Szene bestens unter Kontrolle - bis die NSU-Mordserie dies als Märchen entlarvte. Und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, sieht sich mit der Behauptung einer AfD-Aussteigerin konfrontiert, er habe höchstpersönlich Spitzenpolitiker der Partei beraten, wie sie eine Beobachtung umgehen könnten. Also lieber erst mal abwarten, was beim "Prüffall" in Thüringen am Ende herauskommt.