Ein neuer Gegner, ein neuer Feind

26.02.2020 | Stand 02.12.2020, 11:52 Uhr
Deutliche Worte, wie es sich für die Auftritt eines CSU-Chefs am politischen Aschermittwoch gehört: Markus Söder schoss sich gestern in der Passauer Dreiländerhalle auf die Grünen ein. −Foto: Kneffel, dpa

Es ist ein Auftritt, wie er den politischen Aschermittwoch prägt: CSU-Chef Markus Söder justiert binnen weniger Minuten das politische Koordinatensystem der Christsozialen neu - und wird dafür von den Anhängern gefeiert. Die Grünen sind der politische Gegner, die AfD ist der politische Feind.

 

Passau - Als CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder die Bühne in der Dreiländerhalle in Passau betritt, herrscht gespannte Stille. In minutenschnelle justiert Söder das politische Koordinatensystem des politischen Aschermittwochs der CSU neu. Alle seine Vorgänger seit Franz Josef Strauß und sogar er selbst haben sich in den zurückliegenden Jahren vornehmlich an der Partei abgearbeitet, die seit dem Krieg der natürliche politische Gegner war - der SPD. "Ich will sie heute verschonen", bekannte Söder, und: "Ich werde fast schon nostalgisch."

Ein paar Spitzen haute er raus, aber es wirkte, als geschehe das nur der Vollständigkeit halber: Der Aschermittwoch der SPD sei eine "traurige Stuhlkreis-Sitzung", die SPD-Chefin und Rednerin Saskia Esken eine "echte Stimmungskanone". Mehr sagte Söder nicht - was nach den Regeln des Aschermittwochs nichts mehr ist als die Maximalstrafe.

Im politischen Koordinatensystem der CSU der neue Hauptgegner auf dem demokratischen Spielfeld sind die Grünen - das machte Söder klar. Auch, dass er das Gerede von Schwarz-Grün nicht goutiere. Denn wenn es reiche, dann würden die Grünen lieber gemeinsame Sache mit der SPD und den Linken machen, Grün-Rot-Rot, "und wenn es nur eine Mehrheit von einer Stimme gibt".

Zweifellos hätten die Grünen derzeit "einen Lauf", so Söder, auch wenn mancher so tue, als könnten die Grünen sogar übers Wasser laufen. Mitschuld daran sah er bei der FDP - weil sie sich einer Jamaika-Koalition versagte. "Dann wäre (der grüne Anton) Hofreiter heute Verkehrsminister - und der Andy (Scheuer) glücklich in einem anderen Ministerium". Brüllen in der Dreiländerhalle. Tatsächlich hätten die Grünen ein "charmantes Auftreten", und sie sähen auch besser aus als die SPD-Spitze, "ganz objektiv, das sagt meine Frau". Riesen Gelächter. Alleine: Würde ein Grüner Kanzler, dann bekäme Deutschland nicht etwa innovative und moderne Lösungen, sondern nur Verbote und den "Mief der 80-er Jahre". Söder: "Die Zeit erfordert neue Antworten - und nicht die alten aus der Mottenkiste." Grüne Politik sei in Wirklichkeit "grüner Sozialismus" - mit höheren Steuern, höheren Schulden und Enteignungen.

 

Sie seien bei allem mit Überzeugung dagegen, hätten aber keine Ahnung, wofür sie eigentlich seien. In den Städten seien sie für Windkraft und Mobilfunk, aber auf dem Land führten sie die Proteste dagegen an. Sie seien für den ÖPNV - aber in München, wo sie regierten, hätten sie das U-Bahn-Referat abgeschafft. Sie seien gegen Fliegen - aber veröffentlichen gerne Fotos vom Urlaub aus den USA, und im Bundestag seien die Grünen-Abgeordneten sogar die obersten Vielflieger. Im EU-Parlament riefen sie den Klima-Notstand aus - und flogen anschließend nach Hause, statt wie andere die Bahn zu benutzen. Das sei "die Doppelmoral der Grünen", ätzte Söder. Applaus. Und wenn die Grünen zurückätzten, er, Söder würde mittlerweile jeden Baum umarmen, dann stimme das - "Bäume umarme ich gerne. Aber das ist das einzige Grüne, das ich umarme". Brüllen in der Halle.

Für die Landwirte gab es Streicheleinheiten von Söder: "Bayern ist ohne seine Bauern unvorstellbar", sagte Söder. Es werde zwar keinen Weg zurück zu alten Zeiten geben, wie es sich wohl manche Landwirte wünschten, aber die Änderungen, die notwendig seien, werde man mit den Bauern machen und nicht gegen sie. Ohnehin sei das Kabinett andauernd mit dem Thema Landwirtschaft befasst - er habe in letzter Zeit so viele Fachbegriffe gelernt, dass er des Nachts sogar schon davon träume. Lachen.

Neben der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner wie den Grünen betrieb Söder aber auch die Abgrenzung gegenüber denen, die er als "Feind" bezeichnete - die AfD. Die sei nicht bloß ein "Stammtisch besonders Konservativer", sondern der parlamentarische Arm der Rechtsextremen - und offensichtlich so gefährlich, wie es einst die RAF war. Einen, wie den Chef des völkischen Flügels, Björn Höcke, dürfe man gerichtlich einen Nazi nennen. "Warum? Weil er einer ist!", wetterte Söder. "Das braune Gift sickert und verseucht das demokratische Grundwasser." Das Ziel der rechten Szene sei es, einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Deshalb wolle er ihr mit einem gewaltigen Ermittlungsdruck zusetzen - ohne umgekehrt jeden Sportschützen und Jäger unter psychologischen Generalverdacht zu stellen. Umgekehrt gab er den Menschen in Bayern ein "Schutzversprechen": Egal welcher Herkunft, Hautfarbe oder Religion - wer in Bayern lebe, dem stehe der Staat zur Seite und schütze ihn und seine Rechte.

Der Schwesterpartei CDU rief er zu, dass sich die CSU in die Suche nach einem neuen Parteichef nicht einmische, sehr wohl aber auf Augenhöhe mitrede, wenn es um einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten gehe - schließlich könne kein CDU-Mann ohne die Stimmen aus Bayern Kanzler werden. Was dieses Amt angehe, gelte für ihn: "Mein Platz ist hier, mein Platz ist in Passau, mein Platz ist in Bayern. Nicht in Berlin." Applaus.

Den gab es auch für Manfred Weber, der protokollarisch eigentlich kein Rederecht hatte - aber um die Gelegenheit bat, sich bedanken zu dürfen: Vor einem Jahr hatte er als Kandidat für die Europawahl auf der Bühne gestanden und nichts weniger angestrebt als EU-Kommissionspräsident zu werden. In ganz Europa stieg die Wahlbeteiligung, fast 41 Prozent holte Weber für die Seinen. Alleine "dann kam die Enttäuschung". Die Hinterzimmer hätten auf Europaebene wieder die Macht übernommen und so einen "Schaden für die Demokratie" angerichtet - weil für das Amt des Kommissionspräsidenten nicht das Votum der Wähler, sondern am Ende der Wille der Staatschefs entscheidend gewesen sei. Buh-Rufe dafür. Für ihn seien das "schwierige Wochen gewesen", bekennt Weber. Die Niedergeschlagenheit brauchte er nicht zu spielen. Applaus. Nun aber gelte für ihn der alte Spruch: "Was uns nicht tötet, das macht uns härter." Anschwellender Applaus. "Ich stehe wieder auf!", ruft er. Erste erheben sich von den Bänken. "Ich mache weiter!" Riesen Applaus.

DK