Ingolstadt
"Schulze hat das Strahlen eingebaut"

Wieso die Grünen laut Experten mit dem Slogan "Mut geben statt Angst machen" so erfolgreich waren

15.03.2019 | Stand 02.12.2020, 14:26 Uhr
Jubeln konnten die Grünen im Oktober. Das liegt laut Experten an der Kampagne und Spitzenkandidatin Katharina Schulze. −Foto: dpa-Archiv

Ingolstadt (DK) 17,6 Prozent der Stimmen, zweitstärkste Kraft, sechs Direktmandate: All das haben die Grünen bei der Landtagswahl 2018 geschafft.

Politikwissenschaftler Professor Werner Weidenfeld (Foto unten) erklärt im Interview unter anderem, was die Kampagne "Mut geben statt Angst machen" damit zu tun hatte.

Herr Weidenfeld, 17,6 Prozent der Stimmen, zweitstärkste Kraft: Das haben die Grünen bei der Landtagswahl in Bayern geschafft. Und das mit einer Kampagne unter dem Motto "Mut geben statt Angst machen". Wieso hat das funktioniert?
Werner Weidenfeld: Zum einen haben sich die Grünen im Vergleich zu ihrer Frühzeit programmatisch entschärft, machen jetzt eine sanftere und üblichere Politik. Zum anderen nutzt die Partei positive Slogans. Sie sagt nicht: Der Untergang naht. Der Schlüssel zum Erfolg war eine Atmosphäre der Zuversicht, des Wohlbefindens und des Optimismus. Sehen Sie sich nur Katharina Schulze an, die strahlt Sie an mit ihrer Positiv-Gestik. Schulze hat das Strahlen eingebaut.

Angesichts von Krisen und Populismus: War Mut im Oktober das Gebot der Stunde?
Weidenfeld: Ja klar. Da fragt man sich, wieso das andere nicht geschafft haben.

Gibt es denn historische Vorbilder - also Kampagnen, die schon einmal mit einer ähnlichen Positivität gearbeitet haben?
Weidenfeld: Als sich die Grünen Anfang der 1980er Jahre gründeten, war Helmut Kohl besorgt, dass die bei der CDU abgrasen. Denn der Ansatz "Natur bewahren" ist ja christdemokratisch. Also nutzte er andere Slogans wie "Schöpfung bewahren". Und die Wahl hat er bestanden.

Die Worte solcher Slogans sollten bedacht gewählt sein, oder?
Weidenfeld: Denken Sie nur an die SPD bei der vorletzten Bundestagswahl. Deren Slogan war "Das wir entscheidet". Ich habe denen dann mitgeteilt, dass das suboptimal ist. Das Wort "wir" ist positiv besetzt, "entscheiden" mehr oder weniger. Doch "das" suggeriert eine abstrakte Abwehrhaltung. Daran kann man gut sehen, wie leicht man etwas falsch machen kann.

Wie sieht es mit "Mut geben statt Angst machen" aus?
Weidenfeld: Mut ist positiv besetzt. Und der Zusatz "statt Angst machen" grenzt sich gleichzeitig ab und zeigt, was man falsch machen kann.

Das war also auch eine Kampagne gegen die Schwarzmalerei und Angstmacherei, die vielen der CSU in den Monaten zuvor vorgeworfen hatten?
Weidenfeld: Nicht nur die CSU, aber ja. Es ist ein Gebot unserer Gesellschaft, dass man sich abgrenzen muss, um Erklärungen zu liefern. Das stand schon in dem Literaturklassiker "Das Ende der Geschichte" von Francis Fukuyama. Er schrieb, nach dem Ende des Ost-West-Konflikts sei der Westen damit überfordert, kein Gegenbild mehr zu haben. Die Gesellschaft braucht diese aber für Erklärungen im Sinne von "die da drüben und wir hier".

Sollten nun andere Parteien den Slogan der Grünen kopieren, um auch Erfolg zu haben?
Weidenfeld: Ich würde nicht sagen, dass man nur durch Kopieren Wahlen gewinnt.

Die CSU verwendet seit Beginn 2019 nun den Slogan "Mut statt Selbstmitleid".
Weidenfeld: Was bei diesem Slogan aber hängen bleibt ist der zweite Satzteil, also "wir machen nicht weiter so".

Sie sprachen schon die Rolle von Katharina Schulze an. War es denn auch mutig, im konservativen Bayern mit einer jungen Frau als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf zu ziehen?
Weidenfeld: Ja, das war mutig. Im Rückblick kann man natürlich sagen, dafür braucht man keinen Mut, denn der Erfolg kam ja. Doch das steht ja nicht von vornherein fest. Schulze macht das perfekt mit ihrem positiven Erscheinungsbild und ihrer offenen Art. Letzte Woche kam ich mit Cem Özdemir zusammen. Er erklärte mir, dass er bei gemeinsamen Veranstaltungen mit Schulze am Anfang mehr als einen Meter entfernt steht, weil sie immer so die Arme ausbreitet. Da läuft man Gefahr, jedes Mal einen K. O. -Schlag einzustecken. Foto: CAP

Die Fragen stellte

Sophie Schmidt.
ZUR PERSON
Werner Weidenfeld ist Professor der Politikwissenschaft an der Universität München und Direktor des Centrum für angewandte Politikforschung 2007 wählten ihn Kollegen zum einflussreichsten Politikberater Deutschlands.