"Die Zeit des Rumpelns ist passé"

Interview mit Markus Söder

05.03.2019 | Stand 02.12.2020, 14:30 Uhr
Vor dem Politischen Aschermittwoch: Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender Markus Söder (rechts) im Gespräch mit unserem München-Korrespondenten Alexander Kain. −Foto: Rehak

Markus Söder spricht über Europa, die Schwesterpartei CDU und sein neues Profil.

Herr Söder, Sie haben schon im vergangenen Jahr als Ministerpräsident die Aschermittwochsrede in Passau gehalten - weil Ihnen Horst Seehofer, der damals noch CSU-Chef war, die Bühne überlassen hat. Heuer ist es für Sie zum ersten Mal ganz und gar Ihr politischer Aschermittwoch als Ministerpräsident und Parteichef. Was ist das für ein Gefühl?
Markus Söder: Ich möchte bewusst, dass Manfred Weber eine ganz starke Rolle spielt und teile mir deshalb die Bühne mit ihm. Wir haben heuer Europawahl und die CSU hat als einzige Partei in Bayern die Chance, nicht nur Zählkandidaten oder Hinterbänkler nach Europa zu schicken, sondern mit Manfred Weber den künftigen Chef von Europa. Wir bestreiten den Aschermittwoch gemeinsam - und wollen damit nach außen wie nach innen ein Signal der Geschlossenheit der CSU setzen.

Eine solche Geschlossenheit nicht nur der Parteispitze, sondern auch in Sachen Europa ist vermutlich auch für die CSU eine ganz neue Erfahrung.
Söder: Wir lassen keinen Zweifel daran, dass wir für Europa sind. Wir wollen ein starkes Europa. Bei der letzten Europawahl bedeutete der Aschermittwoch eine programmatische Weggabelung. Leider nicht zum Vorteil für uns.

Damals hat Peter Gauweiler als Aschermittwochsredner eine ausgesprochen europakritische und russlandfreundliche Rede gehalten und die Wähler waren unsicher, ob die CSU nun eigentlich für oder gegen Europa ist.
Söder: Diese Zweifel entstanden damals. Aber die Zeiten haben sich geändert. Es geht um Europa als Ganzes. Die EU wird von Populisten und Nationalisten bedroht, dagegen werden wir in Passau ein Zeichen setzen.

Bedeutet das eine klare Distanzierung von Politikern wie Viktor Orban, den die CSU vor gar nicht allzu langer Zeit noch zu Parteiveranstaltungen eingeladen und wie einen Star empfangen hat?
Söder: Wir verdanken den Ungarn viel. Und wir hatten in der Tat immer einen guten Draht. Aber er hat sich in letzter Zeit immer weiter weg bewegt von unseren gemeinsamen Werten.

Ist nicht zu befürchten, dass am Ende sogar die EVP, der Zusammenschluss der europäischen Volksparteien, der Orban ebenso angehört wie CDU und CSU, auseinanderfliegt?
Söder: Europa steht vor fundamentalen Entscheidungen, wie es sich weiterentwickeln will. Die Ideen der Vergangenheit reichen nicht, um die Zukunft zu bestehen: Europa ist nicht nur eine Geldverteilmaschine, sondern hat mehr zu bieten, wie Werte und gemeinsame Regeln.

Beim Aschermittwoch wird es sicherlich nicht nur um Europa gehen, sondern auch um deutsche Innenpolitik. Also: In der Flüchtlingskrise von 2015 haben Staat und Politik die Kontrolle verloren. Ist dieser Zustand beendet?
Söder: Ja. Und es bringt auch nichts, das zum hundertsten Mal zu rekapitulieren. Der Streit zwischen CDU und CSU im vergangenen Jahr hat verdeckt, was wir in der Zwischenzeit insbesondere auch in Bayern geleistet haben - vom Landesamt für Asyl bis zur Bayerischen Grenzpolizei. Wir haben die richtige Balance - von der schnellen Abschiebung von Straftätern bis hin zu besten Integrationsangeboten. Die CDU ist mittlerweile wieder auf unserem CSU-Kurs. Wir sind miteinander versöhnt und für die Zukunft gut aufgestellt. Eine Neuauflage des Jahres 2015 wird es nicht mehr geben. Mit Annegret Kramp-Karrenbauer und mir gibt es eine neue Kultur der Parteivorsitzenden von CSU und CSU.

Über Angela Merkel und Horst Seehofer, die in der Flüchtlingspolitik jahrelang miteinander gerungen haben, ist die politische Götterdämmerung hereingebrochen. Wie verlässlich ist der Friede zwischen den Unionsschwestern?
Söder: Ich will nicht bewerten, was war, sondern was kommt. Und was kommt, ist, dass CDU und CSU zusammenstehen. Annegret und ich starteten beide als Parteivorsitzende fast zeitgleich und wissen um die gemeinsame Verantwortung. Wir haben als ehemalige Ministerpräsidentin und amtierender Ministerpräsident ein besonderes gegenseitiges Verständnis.

Weil Sie gerade die Gefühlsebene ansprechen: Wir schaffen es nicht, IS-Kämpfern ihren deutschen Pass wegzunehmen, jede zweite Abschiebung funktioniert nicht, das deutsche Wiedereinreiseverbot ist offenbar eine Lachnummer, Zurückweisungen finden praktisch nicht statt, ausländische Clans herrschen offenbar über ganze Stadtviertel. Aber wer falsch parkt oder die Fernsehgebühren nicht bezahlt, sitzt am Ende sogar im Knast. Was bedeutet das für die Akzeptanz des Rechtstaates?
Söder: In Bayern herrschen keine Clans und trotzdem sollte man nicht falsch parken. Aber in Deutschland brauchen wir mehr Bewegung und den Abbau von Hindernissen, wenn es um Rückführungen und Abschiebungen geht. Ich kann deshalb die Flirts mit den Grünen nicht verstehen, solange sie sichere Herkunftsstaaten als unsicher bezeichnen und so eine Rückführung verhindern. Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, wäre bereit dazu. Aber die Grünen im Bayerischen Landtag oder in Berlin verhindern das und betreiben damit eine bewusst destruktive Politik. Diese Grünen sind nicht regierungsfähig. Dabei gäbe es gerade jetzt eine gute Chance die AfD zurückzudrängen. Das Verhalten vieler ihrer Funktionäre zeigt, dass sie auf den Weg zu einer verfassungswidrigen Organisation sind. Der Flügel um Höcke sammelt Rechtextreme. Die pflegen eine Geisteshaltung, die an schlimmste Zeiten in Deutschland erinnert. Deren einzige Strategie ist es, alles schlechtzureden. Populisten leiden darunter, jeden Tag das übertreffen zu müssen, was schon am Vortag falsch war. Deshalb haben sie auch keine Lösungen, sondern nur die überhitzte Fortsetzung ihrer Paranoia. Die Menschen spüren, dass es mit der Verfassungsmäßigkeit der AfD schlecht bestellt ist. Es hat sich beim Thema Integration und Abschiebung so vieles verbessert in unserem Land. Den Weg sollten wir konsequent weitergehen, die Grünen sollten mitmachen statt blockieren, wir brauchen höhere Investitionen in eine gelingende Integration und zeitgleich ein Gesetz für eine Beschleunigung von Abschiebungen.

Welche Themen stehen für Sie noch an?
Söder: Das Thema Wirtschaft. Die konjunkturelle Hochphase wird nicht ewig andauern. Wir müssen uns ernsthaft überlegen, wie es weitergehen soll. Deshalb dürfen wir in Berlin nur Dinge beschließen, die unseren Arbeitsplätzen nützen. Politik ist keine Seelenmassage für einzelne Parteien. Wir müssen Entscheidungen treffen, die allen Menschen in diesem Land nutzen. Daher ist eine Mischung aus höheren Steuern und der Verteilung sozialer Maßnahmen per Gießkanne sowie weniger Innovation bei gleichzeitiger Kürzung von Investitionen der falsche Weg.

53 Prozent der Bayern finden, Sie seien ein guter Ministerpräsident. Super? Oder ausbaufähig?
Söder: Ausbaufähig. Aber ich bin ja noch nicht mal ein Jahr Ministerpräsident. Alles braucht seine Zeit. Viele Menschen haben vor einem Jahr noch gezweifelt, ob meine Ideen vom Familien- und Pflegegeld nur Wahlversprechen seien. Jetzt sehen sie: Es ist ernst gemeint. Umgekehrt lerne ich, was die Menschen von mir erwarten. Nämlich Profil mit Stil. Die Zeit des Rumpelns ist passé, von einem Ministerpräsidenten wird anderes erwartet.

Und welcher Söder ist der wahre Söder? Der, der rumpelt, oder der, der versucht, ruhig zu regieren?
Söder: Das Leben ist eine Reise. Auf dieser Reise begegnen einem Erfahrungen. Und im Angesicht dieser Erfahrungen muss man sich bewähren. Ich habe an mich selbst immer den Anspruch gestellt, mich weiterzuentwickeln, zu lernen und den nächsten Schritt zu tun. Ich weiß aber auch: Klischees sind eine feine Sache. Ich bin deshalb sehr gespannt auf den Nockherberg und auf Stephan Zinner, ob er es sich nur einfach macht. Am Ende gilt die Bibel: Wir werden nicht an unseren Worten, sondern an unseren Taten gemessen.

DK



Die Fragen stellte

Alexander Kain.