Ingolstadt (DK) Der Motoren-Experte Karl Huber von der TH Ingolstadt schildert im Interview mit dem DONAUKURIER seine Sicht zur Diesel-Debatte.
Herr Huber, die Debatte um den Diesel-Skandal hat sich stark emotionalisiert, vieles wird vermengt. Wie beobachten Sie als Experte den politischen Diskurs?
Karl Huber: Die Debatte gefällt mir nicht, da sie zu wenig differenziert geführt wird - beispielsweise die Vermischung der Themen Luftreinhaltung und Stickoxide (NOx) auf der einen und Klimaschutz und CO2 auf der anderen Seite. CO2 ist kein Schadstoff und auch kein "Killer-Gas" wie oftmals behauptet. CO2 ist ein wichtiger Bestandteil unserer Atmosphäre und für den Stoffkreislauf der Pflanzen und damit auch für uns lebensnotwendig. Es beeinflusst aber auch unser Klima und ist deshalb Teil der Klima-Diskussion. Mit dem politischen Streit über die Luftreinhaltung in den Städten, über Fahrverbote und über den Betrug bei Diesel-Motoren durch die Auto-Industrie hat es aber nichts zu tun.
Nun sind wir schon mitten im Thema: Diesel gelten aufgrund von NOx als dreckig, Benziner wegen ihres CO2-Ausstoßes als klimaschädlich. Ist diese einfache Trennung noch richtig?
Huber: Betrachtet man die Roh-Emissionen der Motoren im Vergleich, so emittiert der Otto-Motor deutlich mehr Kohlenmonoxid (CO) und Kohlenwasserstoffe (HC), während die Stickoxide bei hoher Last auf vergleichbarem Niveau liegen. Bei den Partikeln ist der Otto-Motor besser, sofern es sich nicht um einen Direkteinspritzmotor handelt. Hinsichtlich der erreichbaren Wirkungsgrade ist der Diesel im Vorteil, was bei den üblichen Tankstellen-Kraftstoffen zu geringeren Emissionen von CO2 führt. Aber: Seit es in Europa Abgas-Gesetze gibt und Systeme zur Abgas-Reinigung entwickelt wurden, ist der Otto-Motor durch Einsatz eines vergleichsweise kostengünstigen 3-Wege-Katalysators zu einem sehr, sehr sauberen Motor geworden - was nicht nur für den Abgas-Test sondern auch auf den normalen Straßenbetrieb vor Kunde zutrifft. Hier konnte der Diesel lange nicht mithalten. Nur aufgrund der aktuell eingeführten strengeren Zulassungsvorschriften - WLTP und RDE -, die nur durch Einsatz aufwendiger Abgas-Nachbehandlungsmaßnahmen zu erreichen sind, wird ein vergleichbar niedriges Emissionsniveau erreicht.
Stand der Technik für die Reinigung von Diesel-Abgasen ist unter anderem die Harnstoff-Einspitzung mittels AdBlue - auch als SCR bekannt. Wie bewerten Sie dieses System?
Huber: Die meisten Pkw mit Euro-6-Diesel verfügen heute über ein SCR-System, um die Stickoxide zu reduzieren. Die SCR-Technik kommt ursprünglich aus der Kraftwerkstechnik. Sie hat vor Jahren Einzug in die Nutzfahrzeug-Motoren gehalten und wird dort sehr erfolgreich eingesetzt. Aktuell ist es sicherlich die wirksamste Maßnahme, mit der bis zu 90 Prozent der Stickoxide reduziert werden können.
Warum hat es so lange gedauert, bis diese nicht ganz neue Technik im Auto angewandt wurde?
Huber: Es gibt auch Nachteile. Die Kunden müssen AdBlue mitführen und wieder auffüllen, zumal ein eingebauter Tank, der von Inspektion zu Inspektion reichen würde, zu groß und zu schwer wäre. Da es sich bei Ad-Blue um eine 32,5-prozentige Lösung von Harnstoff in Wasser handelt, muss es im Winter beheizt werden. Betrachtet man die gesamte Abgas-Nachbehandlung - also Oxidations-Kat, Partikelfilter, SCR-Kat, NH3-Kat und das AdBlue-System - aktueller Diesel-Motoren, so liegen die Kosten dafür bei mehr als 30 Prozent der Aggregatekosten.
Was ist die Folge davon?
Huber: Dieser enorme Mehraufwand ist insbesondere bei kleinen Fahrzeugen durch den geringeren Verbrauch kaum mehr zu rechtfertigen. In großen und schweren Fahrzeugen hat der Diesel aber weiter einen Sinn - also in Lkw aber auch in einigen Autos der Oberklasse. Einige Hersteller haben dahingehend schon reagiert und bieten keine Diesel-Motoren im Kompaktwagen-Bereich mehr an.
Warum halten viele Hersteller dennoch am Selbstzünder fest?
Huber: Verständlich ist das nur im Hinblick auf die einzuhaltenden Flottenverbräuche, die bei Nichterfüllung zu hohen Strafen und damit auch zu Wettbewerbsnachteilen führen. Die Hersteller sind damit gezwungen, Antriebskonzepte mit geringen Emissionen von CO2 vor Kunde zu bringen. Das gilt aufgrund der starken Nachfrage nach SUV umso mehr.
Und was ist dann die Zukunft?
Huber: Alle Hersteller arbeiten an der Hybridisierung der Modelle. E-Maschine und Otto-Motor ergänzen sich sehr gut, was im unteren und mittleren Lastbereich für einen großen Verbrauchsvorteil genutzt werden kann. Als wesentliche Funktionen wären hier die Lastanhebung des Verbrennungsmotors (Laden der Batterie) im Wechsel mit elektrischem Fahren und die Rekuperation beim Bremsen oder Bergabfahren zu nennen. Damit sind die CO2-Vorteile des Diesels im unteren Lastbereich mehr als einholbar. Die Kosten dafür bleiben vertretbar, solange man keine zu große Batterie verbaut. Einen weiteren Entwicklungsschritt stellen synthetische Kraftstoffe dar, die als Energiespeicher regenerativer Energie genutzt werden können und in einem Verbrennungsmotor die CO2-Bilanz verbessern.
Kommen wir zum Ende auf vollständig elektrisch angetriebene Autos zu sprechen. Können diese auch auf den zweiten Blick halten, was der erste verspricht?
Huber: Ein Verbrennungsmotor kann nicht emissionsfrei betrieben werden, das ist Fakt. E-Motoren aber schon und damit ist das Elektroauto lokal sehr sauber. Unter Umweltaspekten muss man aber gesamtheitlich bilanzieren - also die Energiebereitstellung, die Fahrzeug-Herstellung und die Entsorgung mitberücksichtigen. Die Bundesregierung aber erlässt Gesetze, die den ökologischen Fingerabdruck der E-Mobilität außer Acht lassen. Ich bin irritiert über eine derartige Ignoranz. Offensichtlich hat man das Ziel einer vollständig regenerativen "All-Electric-Society" fest ins Auge gefasst. Anders kann ich den neuerlichen EU-Vorschlag zu den Flottenverbräuchen ab 2030 mit knapp 60g CO2 pro Kilometer - das entspricht etwa 2,6 Liter je 100 Kilometer - nicht bewerten. Die Einhaltung dieser Vorgabe ist meines Erachtens technisch kaum zu realisieren und formal nur mit einem hohen Anteil an E-Fahrzeugen möglich - eine Politik, die schwer nachvollziehbar ist und die sehr viel Geld kosten wird.
Das Interview führte Christian Tamm.