Ingolstadt
"Wir geben ein Stimmungsbild"

Michael Kunert, Geschäftsführer von Infratest dimap, über Wahlforschung

12.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:28 Uhr
Spannung am Wahlabend: Nach der Prognose folgen immer genauere Hochrechnungen - bis zum Endergebnis. −Foto: Mirgeler/dpa, Ausserhofer

Ingolstadt/Berlin (DK) An diesem Sonntag zählt's: Der Landtag wird gewählt. Vielleicht erfüllt sich die Hoffnung einiger Politiker, dass die bisherigen Umfragen alle ein falsches Bild gezeichnet haben. Vor allem die CSU wird sich das wünschen - und auch die FDP gibt sich überzeugt, am Ende bei mehr Prozentpunkten zu landen.

Aber wie funktionieren die jeweiligen Meinungsbilder? Nachgefragt bei Michael Kunert (kl. Foto), Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap, das im Auftrag des Bayerischen Rundfunks repräsentative Umfragen erstellt.

Herr Kunert, was genau fragen Sie für den "Bayerntrend" ab?
Michael Kunert: Das ist von Umfrage zu Umfrage unterschiedlich. Da wir hier im Kundenauftrag - des BR und der ARD - arbeiten, erfolgt die Entwicklung des Fragebogens in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden. Hierbei bringen wir die methodische Expertise ein und beraten hinsichtlich der Fragestellung. Wir achten beispielsweise auch darauf, dass Zeitreihen fortgeführt werden und Ergebnisse zu bundesweiten oder Umfragen in anderen Bundesländern vergleichbar sind. Der BR dokumentiert schon seit Jahren alle "Bayerntrends" frei zugänglich auf seinen Webseiten. Auf unserer Webseite findet man die Umfragen der letzten zwei Jahre - und auch den Original-Fragenwortlaut jeweils in der Grafik.

Wird nach der Zweit- oder nach der Erststimme gefragt?
Kunert: Die Frage, die im Mittelpunkt steht, lautet: "Welche Partei würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag in Bayern Landtagswahl wäre?" Offen abgefragt. Das bedeutet, dass den Befragten keine Parteien vorgegeben werden. Die meisten Personen antworten hier mit einer Partei. Sollte die Person von sich aus ein mögliches Stimmensplitting ansprechen, wird dies vermerkt. Sollte der Befragte dies von sich aus nicht tun, was die große Mehrheit betrifft, gibt es eine konkrete Nachfrage zum Stimmensplitting.

Ein mögliches Stimmensplitting wird also bei den Ergebnissen der Umfrage miteingerechnet?
Kunert: Ja, das Stimmensplitting ist in der Sonntagsfrage eingepreist.

Wie sehr fällt im "Bayerntrend" die Erststimme ins Gewicht?
Kunert: In Bayern fallen die Unterschiede zwischen Erst- und Zweitstimme weitaus geringer aus als bei der Bundestagswahl. Insofern kommt dem nur eine untergeordnete Bedeutung zu.

Können die Interviewpartner denn zwischen Erst- und Zweitstimme unterscheiden?
Kunert: Wir fragen nicht danach, ob die Bedeutung von Erst-, Zweit- und Gesamtstimmen bekannt ist.

Politiker äußern Zweifel an der Aussagekraft von Umfragen...
Kunert: Wir sehen keinen Anlass an der Zuverlässigkeit unserer Ergebnisse zu zweifeln. Es ist aber zu beachten, dass es sich bei der Sonntagsfrage um ein aktuelles Stimmungsbild und keine Prognose handelt. Das wird immer wieder übergangen, obwohl wir es gebetsmühlenartig wiederholen.

Wieso ist die Sonntagsfrage keine Prognose?
Kunert: Der Text zu unserer Sonntagsfrage vom 4. Oktober in Bayern ist dieser: "Die Sonntagsfrage ist keine Prognose, sondern misst aktuelle Wahlneigungen und nicht tatsächliches Wahlverhalten. Sie ermittelt einen Zwischenstand im Meinungsbildungsprozess der Wahlbevölkerung, der erst am Wahlsonntag abgeschlossen ist. Rückschlüsse auf den Wahlausgang sind damit nur bedingt möglich. Viele Wähler legen sich kurzfristig vor einer Wahl fest. Eine große Bedeutung hat zudem die letzte Phase des Wahlkampfs mit der gezielten Ansprache von unentschlossenen und taktischen Wählern. Aktuell steht lediglich für die Hälfte der Wahlberechtigten die Wahlentscheidung bereits fest. Jeder Fünfte dagegen will eine Änderung seiner momentanen Parteipräferenz bis zum Wahlsonntag nicht ausschließen. Knapp 28 Prozent tendieren derzeit zur Nichtwahl beziehungsweise lassen bislang keine Neigung zu einer Partei erkennen. Daher wird auch in den Tagesthemen die Sonntagsfrage mit einem "Stempel" gezeigt: "Keine Prognose". Gerne wird dies überhört, überlesen und übersehen. Vor allem Politiker haben hier eine eigene Agenda.

Die Fragen stellten
Suzanne Schattenhofer
und Verena Belzer.