Eine Erklärung von 181 amerikanischen CEOs
"Es gilt, Sinn zu stiften und positiv zu wirken"

Der Nachhaltigkeitsexperte René Schmidpeter über den Paradigmenwechsel bei den Zielen in der US-Wirtschaft

23.08.2019 | Stand 02.12.2020, 13:13 Uhr

Eine Erklärung von 181 amerikanischen CEOs (darunter führende Unternehmen wie Apple, Amazon, General Motors und Walmart) verändert derzeit die Sicht auf Unternehmen grundlegend.

Anstelle der über Jahrzehnte verfolgten Profitmaximierung, sollen in Zukunft die umfassende Wertschöpfung für alle Beteiligten sowie ein positiver Impact für die Gesellschaft als oberstes Unternehmensziel stehen. Damit stellen die führenden Manager der weltweit größten Unternehmen das bisherige betriebswirtschaftliche Paradigma des "Unternehmenswertes/Shareholder Value" grundlegend in Frage.

Neben der neuen Welt in der Hochfinanz (Minuszins und Geldmengenexpansion), der Diskontinuitäten in der Politik (Brexit, Handelsstreit, unstabile Mehrheiten), gesellt sich nun die Neuerfindung der Unternehmen (Nachhaltige Geschäftsmodelle und Sinnfrage des unternehmerischen Handelns). Aber woher kommt dieser neue Geist?

Zum einen ist es das zunehmende Verständnis über die globalen Herausforderungen (Klimawandel, Ressourcenknappheit und Demografische Entwicklung), zum anderen der steigende politische Druck durch internationale Klimagesetze sowie vermehrte Umwelt- und Sozialauflagen, die immer stärker die Rahmenbedingungen der weltweiten Wirtschaftsströme verändern. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass mittlerweile die Investoren selbst das Thema Nachhaltigkeit massiv vorantreiben. So verkündete erst Ende letzten Jahres Larry Fink, CEO von BlackRock, einem der größten Investmenthäuser, dass nach seiner aktuellen Einschätzung, "innerhalb der nächsten fünf Jahre alle Investoren die Auswirkungen eines Unternehmens auf die Gesellschaft heranziehen werden, um den Unternehmenswert zu bestimmen."
Und auch die junge Generation bevorzugt es - nicht erst seit Greta Thunberg, aber seither sicher verstärkt - in Unternehmen zu arbeiten, welche positive Wirkungen auf die Gesellschaft vorweisen und zieht oftmals eine sinnvolle Beschäftigung einem hohen Gehalt vor.

Konnten Unternehmen früher die Kosten ihrer negativen Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft auslagern, tragen sie heute die Kosten globaler Probleme direkt oder indirekt mit. Im Wettbewerb um die zukünftigen Talente gilt es, Sinn zu stiften und positiv zu wirken.

Es zeigt sich immer mehr, dass das bisherige in vielen Unternehmen durchaus übliche Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement oft zu kurz greift, um wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben. Angesichts der gegenwärtigen globalen gesellschaftlichen, aber auch wirtschaftlichen Herausforderungen ist es an der Zeit, die Gegenwart konsequent von der Zukunft aus zu denken: Das heißt, Unternehmen werden ihre Geschäftsmodelle so ausrichten, dass die negativen Auswirkungen möglichst gering und gleichzeitig die positiven Auswirkungen für die Gesellschaft möglichst hoch sind.

Das bedeutet einen Paradigmenwechsel: je mehr Sinn, desto mehr positive Wirkung. Und daraus entsteht dann auch der unternehmerische Gewinn. Es ist nicht verwunderlich, dass erfolgreiche CEOs sich diese Jahrhundert-Chance einer neuen Wirtschaft nicht nehmen lassen, auch wenn zu hinterfragen ist, warum diese Neuausrichtung des Managements wieder einmal publikumswirksam in den USA und nicht in Europa verkündet wird. So liegt in diesem neuen Denken doch nicht mehr, und nicht weniger als die Überwindung des traditionellen Gegensatzdenkens zwischen Nachhaltigkeit und Profitabilität. Anders als bei den bisherigen Managementmodellen werden in dieser neuen Perspektive die verschiedenen Dimensionen unternehmerischen Handelns - also Wirtschaft, Soziales und Ökologie - systemisch verbunden und konzeptionell neu gedacht.

Unternehmen, die wesentliche Nachhaltigkeitsthemen in ihr Geschäftsmodell integrieren, haben eine signifikant höhere risikoadjustierte Rendite, dies zeigen aktuelle empirische Studien führender Universitäten eindrücklich. Um diese neue Realität zu begreifen, braucht es ein neues Mind-Set und ein wirtschaftliches Nachhaltigkeitsverständnis. Erfolgreiche Unternehmer machen es bereits vor und entwickeln integrierte Managementansätze, die die Wirkungen des Unternehmens messen und steuern. Es gilt: Mehr Sinn, mehr Profit! Diese Erkenntnis verhilft Nachhaltigkeit zur neuen Normalität in den Unternehmen - ein Trend, den auch andere Akteure, etwa Hochschulen, Verwaltung und Politik, aufgreifen.

Gastbeitrag

René Schmidpeter ist Experte für nachhaltiges Management, Gesellschaftspolitik sowie für Regionalentwicklung. Der gebürtige Ingolstädter ist Director des Center for Advanced Sustainable Management (CASM) an der Cologne Business School und Gründer der M3TRIX GmbH mit Sitz in Köln. Schmidpeter hat unter anderem die Initiative "Zukunftsprofis für Ingolstadt" ehrenamtlich unterstützt.