Berlin
Merkel kommt Seehofer entgegen

Parteichefs einigen sich auf Positionspapier zur Flüchtlingskrise – Doch Gabriel ist noch nicht mit im Boot

01.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:36 Uhr

Berlin (DK) Die Sonne geht gerade in prächtigen Farben hinter dem Kanzleramt unter, als Horst Seehofer in seine Limousine steigt. Kein Kommentar vor den Kameras. Fünfeinhalb Stunden hat der CSU-Chef hinter verschlossenen Türen mit Kanzlerin um eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingskrise gerungen.

Angela Merkel ist ihm dabei ein gutes Stück entgegengekommen. Sie einigen sich auf ein sechsseitiges Positionspapier. „Zuwanderung ordnen und steuern sowie Fluchtursachen bekämpfen, um so die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen“, lautet das Ziel des Konzepts, das unserer Berliner Redaktion vorliegt.

Seehofers „Allerheiligen-Ultimatum“ an Merkel war gestern ausgelaufen: Quasi in letzter Minute finden sie zusammen. Noch in dieser Woche soll in der Koalition über die Einführung von Transitzonen „als vordringlichste Maßnahme zur besseren Kontrolle unserer Grenze“ entschieden werden. Dort würde es für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten, mit Wiedereinreisesperre und ohne Mitwirkungsbereitschaft Schnellverfahren geben. Weitere Punkte in dem Konzept der Union: Eine engere Zusammenarbeit mit Österreich, die vorübergehende Aussetzung des Familiennachzugs bei Kriegsflüchtlingen sowie eine weitere Absenkung der Leistungen für Asylbewerber durch Anrechnung der Kosten für Integrations- und Sprachkurse. Die Option bayerischer Alleingänge sei nun erst einmal „vom Tisch“, heißt es in CSU-Kreisen.

Ende eines Wochenendes mit Marathon-Verhandlungen im Kanzleramt: Heute soll der CSU-Vorstand in München über die Vorschläge beraten, die morgige Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag dürfte zu einem weiteren wichtigen Stimmungstest für Merkel werden.

Der eigentliche Koalitionsgipfel gestern Vormittag mit SPD-Chef Sigmar Gabriel war kurz ausgefallen. Der Blick des Vizekanzlers ist finster, als er die Regierungszentrale um 10.58 Uhr nach knapp zwei Stunden verlässt. Die Atmosphäre soll sachlich gewesen sein, heißt es aus Teilnehmerkreisen, doch die Spannung in der Koalition steigt. Nach dem Dreier-Gipfel – Merkel, Seehofer, Gabriel – gab es gestern nicht mehr als eine dürre Erklärung des Bundespresseamtes.

Man habe „ein konstruktives Gespräch über alle Aspekte der Flüchtlingssituation geführt“ und werde sich am Donnerstag vor der Ministerpräsidentenkonferenz wieder treffen. „Es gibt eine Vielzahl von inhaltlichen Gemeinsamkeiten und einige noch zu klärende beziehungsweise offene Punkte“, so Regierungssprecher Steffen Seibert. Dazu gehöre auch das Thema „Transitzonen“.

Lässt sich der Flüchtlingsstrom begrenzen? Wie kann die Lage an der deutsch-österreichischen Grenze wieder unter Kontrolle gebracht werden? Die SPD-Spitze hatte am Samstag ihr Alternativ-Konzept zu den von der Union geforderten „Transitzonen“ präsentiert: dezentrale Einreise- und Registrierungszentren, nicht nur in Bayern, sondern im gesamten Bundesgebiet. Leistungen für Flüchtlinge solle es nur noch geben, wenn sie sich auch dort registrieren lassen. Auf „Haftanstalten“ mit Zäunen oder Mauern wollen sich die Sozialdemokraten aber ebenso wenig einlassen wie auf Beschränkungen des Familiennachzugs.

Merkel will aber nun in der Koalition zumindest die Einführung von Transitzonen durchsetzen. Am Donnerstag vor Merkels Beratungen mit den Ministerpräsidenten sollen bei einem weiteren Dreier-Gipfel der Parteivorsitzenden die Würfel fallen. Die Kanzlerin drückt aufs Tempo.