Energie
Bundesnetzagentur: Verbraucher müssen mehr Energie sparen

06.08.2022 | Stand 08.08.2022, 10:02 Uhr

Gaszähler - Die Anzeige einer Gasuhr in einem Privathaus. - Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Mit Blick auf den Winter ruft der Chef der Bundesnetzagentur die Bürger zum Energiesparen auf. So müssen selbst in Best-Case-Szenarien mindestens 20 Prozent weniger verbraucht werden.

Die Menschen in Deutschland müssen aus Sicht der Bundesnetzagentur weit mehr Energie sparen, um einen Gasmangel im Winter abzuwenden. Behördenchef Klaus Müller sagte, die Reduktion der Gaslieferungen aus Russland auf nur noch 20 Prozent der vereinbarten Menge habe zur Folge, dass sich der Mangel nur noch in zwei Best-Case-Szenarien verhindern lasse.

«Für diese Szenarien müssen die Verbraucher aber mindestens 20 Prozent einsparen - also viel mehr als bislang», sagte er der Zeitung «Welt am Sonntag». «In allen anderen Szenarien droht schon im Dezember eine Gasmangellage oder wir weisen am Ende der kommenden Heizperiode niedrige Speicherfüllstände auf.»

Müller: Ohne Sparen und zusätzliches Gas haben wir Problem

Zusätzlich zu Einsparungen müssten auch die Durchleitungen von Gas an Nachbarländer um 20 Prozent reduziert werden, außerdem benötige man 10 bis 15 Gigawattstunden Gas aus anderen Ländern. «Wenn wir nicht kräftig sparen und kein zusätzliches Gas bekommen, haben wir ein Problem», sagte Müller. Private Haushalte seien im Fall einer Gasmangellage nicht vor verordneten Einschränkungen geschützt. Denkbar sei auch, nur noch das Beheizen einzelner Räume zu erlauben.

«Ich will über nichts spekulieren, weil wir diese Diskussionen noch führen», sagte Müller. «Ich will aber deutlich sagen: Um Arbeitsplätze zu sichern, halte ich Sparmaßnahmen für private Haushalte, solange sie nicht den geschützten, lebensnotwendigen Bereich berühren, für legitim.»

Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke schloss Müller nicht aus. Es gebe Herausforderungen, die Kohlekraftwerke mit Kohle zu versorgen, und eine besondere Situation in Frankreich, wo man auf deutschen Strom angewiesen ist. «Außerdem sehen wir mit Sorge, dass viele Menschen sich strombetriebene Heizlüfter kaufen», sagte Müller. «Das ist eine wahnsinnig teure Idee, weil es selbst bei den aktuell astronomisch hohen Gaspreisen noch 50 Prozent teurer ist, mit Strom zu heizen als mit Gas.»

In einer Umfrage des Vergleichsportals Verivox gaben zehn Prozent der Befragten an, sich in den vergangenen sechs Monaten eine Elektroheizung gekauft zu haben, also einen Heizlüfter, Heizstrahler oder einen Radiator. 11 Prozent planen, dies zu tun, und 19 Prozent denken darüber nach. Die Umfrage fand nicht nur unter Gaskunden statt, sondern sie war repräsentativ für die Bevölkerung im Alter von 18 bis 69 Jahren. Die Zahlen sind hoch, auch weil nur etwa die Hälfte der deutschen Haushalte mit Gas heizt. Ein Viertel tut dies mit Öl und der Rest zum Beispiel mit Fernwärme.

Bedenken wegen Elektro-Heizungen

Der Boom bei den Elektro-Heizungen löst Bedenken aus. Es gibt Sorgen, dass es zu Stromausfällen wegen Überlastungen im Netz kommen kann. Mobile elektrische Direktheizungen lohnten sich für Räume, die nur kurz und sporadisch erwärmt werden sollen, sagte Verivox-Energieexperte Thorsten Storck. «Für eine ganze Wohnung sollten sie nicht eingesetzt werden.»

Die Chefin des Verbraucherzentralen-Bundesverbandes (vzbv), Ramona Pop, forderte die Bundesregierung auf, etwas gegen den Handwerkermangel zu tun - damit Menschen mehr Gas einsparen können. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher, die technische Maßnahmen zur Senkung ihres Gasverbrauchs ergreifen wollen, scheiterten an Engpässen. «So sind derzeit die Wartezeiten für die Umrüstung auf elektrisch betriebene Wärmepumpen oder die Installation von Photovoltaikanlagen auf dem eigenen Dach sehr lang. Die Bundesregierung sollte Maßnahmen ergreifen, um den Mangel an Handwerkern zu bekämpfen», sagte sie der «Rheinischen Post».

Forderung nach Energiegipfel

Mit Blick auf die nötigen Einsparungen fordern die Energiepolitiker der SPD-Bundestagsfraktion einen Energiegipfel im Kanzleramt und einen Energiesparpakt von Bürgern, Unternehmen und dem Staat. «In einem Energiesparpakt gilt es, nun solidarisch so viel wie möglich Energie einzusparen», sagte die energiepolitische Sprecherin der Fraktion, Nina Scheer, dem Blatt. Fraktionsvize Matthias Miersch sagte dem «Tagesspiegel», Kanzler Olaf Scholz (SPD) solle das Thema Energiesparen zur Chefsache machen.

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi schlug einen Preisdeckel für Strom und Gas vor. «Pro Person und Jahr sollten 1000 Kilowattstunden Strom und 3000 Kilowattstunden Gas zu einem festen Preis bei zusätzlichen Hilfen für finanziell Benachteiligte garantiert werden», sagte Gysi der «Welt am Sonntag». Das könnten zum Beispiel 10 Cent pro Kilowattstunde für Gas und 30 Cent für Strom sein für diese Mengen. «Alles, was darüber verbraucht wird, ist teurer. So werden Menschen abgesichert und zugleich zum Energiesparen angeregt», sagte der frühere Chef der Linksfraktion.

© dpa-infocom, dpa:220806-99-292825/3