DER Kult-Ausraster im Video
Bayern-Trainer flippt aus: Vor 25 Jahren fragte Trapattoni „Was erlauben Struuunz?“

10.03.2023 | Stand 17.09.2023, 1:12 Uhr

Am 10. März 1998 ereignete sich in den Räumen des FC Bayern München an der Säbener Straße die wohl legendärste Pressekonferenz der Bundesliga-Geschichte. −Foto: Imago Images

Auch nach 25 Jahren sind diese Worte Kult. Giovanni Trapattonis berühmte „Flasche leer“-Wutrede als Bayern-Coach zählt zur Bundesliga-Historie. Niemand ahnte, „dass dieser Mann so ausflippen kann“.



Giovanni Trapattoni kam im Trainingsanzug ins Pressestüberl, breitete mehrere handgeschriebene Zettel vor sich auf dem Pult mit den Mikrofonen aus und wandte sich ungeduldig an die Kameramänner und Journalisten. „Guten Tag, sind Sie bereit?“ Was in den dreieinhalb Minuten danach folgte, ist als die wohl legendärste Pressekonferenz eines Trainers in die Geschichte der Fußball-Bundesliga eingegangen. Wer damals live dabei war, wird Traps Wutrede niemals vergessen. An diesem Freitag ist ihr 25. Jahrestag.



Der heute 83 Jahre alte Italiener begann an jenem Nachmittag kurz vor dem Training leise, ehe er in seinem Trap-Deutsch immer lauter wurde, wild mit den Armen gestikulierte und mehrmals heftig mit der Hand aufs Pult schlug. Am Ende überschlug sich beinahe seine Stimme, als er seine Kult-Sätze in den kleinen, überfüllten Raum rief: „Struunz! Was erlauben Struuunz?!“ Der Satz, prophezeite der heutige Bayern-Chef und damalige Torwart Oliver Kahn kurz vor seinem Karriere-Ende, „bleibt wahrscheinlich ewig hängen“.

Im März 1998 war die sportliche Krise in München eskaliert. Zwei Tage zuvor hatten die Münchner 0:1 beim FC Schalke 04 verloren. Die Bayern waren seit fünf Spielen sieglos, lagen sieben Punkte hinter Spitzenreiter 1. FC Kaiserslautern zurück. Der damalige Präsident Franz Beckenbauer war derart geladen, dass er am liebsten „zehn Mann rauswerfen“ wollte. Der „Kaiser“ wetterte öffentlich über mangelhafte Berufsauffassung der Münchner Profis.

Nach einem freien Tag in Mailand war Trap „on fire“



Mehmet Scholl und Mario Basler hatten Trapattoni für seine angeblich zu defensive Spielweise kritisiert. Auch Thomas Strunz gehörte zur Fraktion der Trainer-Kritiker. „Mit welcher Berechtigung macht Mario Basler den Mund auf, mit welcher ein Thomas Strunz?“, polterte Beckenbauer. Über Trapattoni äußerte er, dieser sei „vielleicht zu anständig“.

Nach einem freien Tag in Mailand bei seiner Frau war Trap jedoch on fire. Ein Trainer, mehr noch ein verletzter Mensch, wehrte sich öffentlich. „Ich habe immer die Schulde“, beklagte Trap. „Ein Trainer ist nicht eine Idiot. Ein Trainer sehen, was passieren in Platz“, echauffierte er sich. „Es gibt Spieler, zwei, drei, die waren schwach wie eine Flasche leer“, schimpfte Trapattoni angesichts der mangelhaften Leistung der Nationalspieler Scholl und Basler wenige Tage zuvor beim 0:0 im Champions-League-Viertelfinale gegen Borussia Dortmund. Am meisten hängen blieb jedoch an einem Dritten, nämlich an dem laut Trapattoni „immer verletzten Struuunz“.

Mediendirektor Hörwick erinnert sich lebhaft an den 10. März 1998



Bayerns damaliger Mediendirektor Markus Hörwick (66) erinnert sich noch lebhaft an den 10. März 1998. In über 30 Jahren als Pressesprecher hat er vieles erlebt an der Säbener Straße, aber so etwas nur einmal. Traps Ausbruch beschreibt Hörwick rückblickend als „Tsunami, der über den deutschen Fußball hereingebrochen“ sei: „Giovanni Trapattoni war damals der erfolgreichste Trainer der Welt. Er war ein Gentleman-Trainer – immer leise Stimme, immer leise Worte. Er hat seine Spieler immer zu tausend Prozent geschützt. Dass dieser Mann so ausflippen kann und seine Spieler so an die Wand klatscht, konnte sich kein Mensch vorstellen.“

Während der dreieinhalb Minuten, die Trapattoni wütete, habe er zweimal überlegt, ihn vom Pult wegzuziehen. „Es liefen aber mehrere Fernsehkameras mit, das ging nicht“, sagt Hörwick 25 Jahre später. Basler, Scholl und Strunz bekamen damals von den Bayern-Bossen um Beckenbauer und Uli Hoeneß jeweils 20.000 Mark Geldstrafe aufgebrummt.

Die letzten Worte der Wutrede: „Ich habe fertig“



Mit dem legendären Spruch „Ich habe fertig“ endete Trapattonis Tirade. Der Trainer klaubte seine Zettel zusammen und wandte sich Richtung Ausgang. Dann drehte er sich noch einmal um, schaute die verblüfften Journalisten an und sagte: „Wenn es gibt Nachfragen, ich kann Worte wiederholen.“ Das war jedoch nicht nötig. Es war alles gesagt. Und nie zuvor hatte Trapattoni so klar verständliches Deutsch gesprochen.

Die Worte des Italieners hallten lange nach. Insbesondere Strunz war gebrandmarkt. „Mein erster Gedanke war: Das dauert jetzt eine halbe Minute. Und dann klingelt es an der Tür und es kommt jemand mit der versteckten Kamera rein und löst das Ganze auf“, erzählte Strunz Jahre später. Es war aber kein Spaß. So habe er Trapattoni nie zuvor erlebt gehabt, sagte Strunz: „Dieses Strunz mit den sechs u. Das hat mich sehr verletzt.“

Trapattonis Rede wurde im Fernsehen rauf und runter gesendet. Sogar ein „Struuunz-Bier“ kam auf den Markt. „Das fand ich nicht so lustig“, gestand der Namensgeber. „Wenn ich zurückblicke, war Thomas eigentlich unschuldig“, gestand Trapattoni Jahre nach der Rede.

Zum 20. Jahrestag saß Jupp Heynckes als Bayern-Trainer bei einer Pressekonferenz auf dem Podium im inzwischen neuen Medienraum auf dem Vereinsgelände und sprach über seine Erinnerungen an ein bühnenreifes Stück Bundesliga-Geschichte. „Da ist er explodiert - und das war köstlich“, sagte Heynckes zu Traps Wutrede. „Was erlauben Struuunz?!“, sagte Heynckes sogar in einer verbalen Imitation von Trapattoni. „Das war genial.“

− dpa/sid/red