Hohe Energiepreise
Scholz sieht „sozialen Sprengstoff“ in Inflation - Grüne: Reichste müssen etwas abgeben

03.07.2022 | Stand 03.07.2022, 19:52 Uhr

Bundeskanzler Olaf Scholz macht sich nach eigenen Angaben große Sorgen über die steigenden Energiepreise. „Weil die Bürgerinnen und Bürger müssen ja zurechtkommen mit ihrem Leben, und wenn plötzlich die Heizrechnung um ein paar hundert Euro steigt, dann ist das eine Summe, die viele nicht wirklich bewältigen können. Das ist sozialer Sprengstoff.“ −Foto: Christoph Soeder/dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die steigenden Preise als „sozialen Sprengstoff“ bezeichnet und längerfristig weitere Entlastungen in Aussicht gestellt. Die Grünen im Bundestag fordern, dass auch den Reichsten in der Gesellschaft ein Beitrag abgefordert wird.



Er mache sich große Sorgen über die steigenden Energiepreise, sagte Scholz. „Weil die Bürgerinnen und Bürger müssen ja zurechtkommen mit ihrem Leben, und wenn plötzlich die Heizrechnung um ein paar hundert Euro steigt, dann ist das eine Summe, die viele nicht wirklich bewältigen können. Das ist sozialer Sprengstoff.“

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Angesprochen auf einen DGB-Vorschlag für einen Energiepreisdeckel sagte Scholz: „Wir werden alle Fragen besprechen. Wir werden sicherlich, wenn morgen die Konzertierte Aktion zusammenkommt, noch keine konkreten Maßnahmen vereinbaren, sondern einen Prozess aufsetzen, bei dem klar ist: Es werden sich in Deutschland wieder alle unterhaken, die Sozialpartner, der Staat.“ Ergebnissen wolle er nicht vorgreifen. Die Aktion werde längerfristig etabliert.

Bundespräsident fordert weitere Instrumente zur Erleichterung für Geringverdiener

Zurückhaltend reagierte Scholz auf einen Aufruf von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, weitere Instrumente zur Erleichterung für Geringverdiener zu überlegen. Der Kanzler verwies auf die bisherigen Entlastungsmaßnahmen in Höhe von 30 Milliarden Euro. „Gerade in diesem Augenblick werden alle diese Maßnahmen ausgerollt“, sagte er. „Ich kann ganz konkret sagen, dass meine Überzeugung ist, das wird jetzt nicht gehen, indem man ein 30-Milliarden-Euro-Paket beschließt - das ist noch gar nicht umgesetzt, viele Maßnahmen kommen ab dem 1.7., und viele haben davon noch gar nicht gehört, dass sie eine Entlastung bekommen - und dann diskutieren wir schon wieder die nächsten.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich angesichts der hohen Gaspreise für weitere Entlastungen für Geringverdiener ausgesprochen. "Das haben wir noch nicht erlebt, vierfach höhere Preise, nicht nur an den Tankstellen, sondern auch vor allen Dingen für das Gas, was gebraucht wird, um die Heizungen zuhause zu betreiben", sagte Steinmeier im am Sonntag ausgestrahlten ZDF-Sommerinterview. "Dasselbe gilt für die Industrie."

Steinmeier sagte weiter, die Pakete, die es bisher gegeben habe, seien gut und notwendig gewesen. "Aber man wird (...) Instrumente überlegen müssen, wie man insbesondere den Geringverdienern, wie man denen das Leben erleichtert." Nicht jeder profitiere in gleicher Weise von den Entlastungspaketen. Sie könnten insofern nur eine Art Zwischenstand sein.

Stellvertretender Grünen-Fraktionsvorsitzender: Reiche sollen etwas abgeben, um den Frieden zu sichern

„Die Konzertierte Aktion muss das Signal aussenden, dass die Lage verdammt ernst ist und wir handeln müssen“, sagte der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Putin nutzt fossile Energien als Waffe, treibt Preise nach oben und will unsere Gesellschaft spalten. Alle müssen sich nun die Frage stellen, wie sie einen Beitrag leisten können“, sagte Audretsch. „Das gilt vor allem für die, die sehr viel haben, für die Reichsten. Sie werden etwas abgeben müssen, um etwas viel größeres zu erhalten, den sozialen Frieden in unserem Land und unsere freiheitliche Demokratie.“

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Samstagabend bei einer Veranstaltung der „Zeit“ vor einer möglichen „Preisexplosion“ bei einigen Stadtwerken gewarnt. So weit kann es nach Habecks Angaben kommen, wenn Russland kein Gas mehr über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 liefert und der Bund es großen Versorgern wie Uniper erlaubt, die Preise an ihre Kunden weiterzugeben, etwa Stadtwerke. Vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Gaskrise treffen sich ab diesem Montag Spitzenvertreter der Sozialpartner, der Bundesbank sowie Wissenschaftler mit der Regierung, um über die Inflation zu beraten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte so einen Dialogprozess als Konzertierte Aktion initiiert.

Audretsch sagte: „Entlastung muss sich auf die konzentrieren, die es am nötigsten brauchen.“ So müssten die Regelsätze in der Grundsicherung steigen. „Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen und Renten müssen die Gewissheit haben, dass sie sicher über den Winter kommen“, sagte Audretsch.

Nötig sei es, die Ursachen anzugehen und weg von Putins Gas zu kommen. Dazu müsse massiv in Erneuerbare Energie investiert werden. „Aus dieser Krise kann man sich nicht heraussparen“, sagte Audretsch. „Es geht jetzt darum, endlich Blockaden zu lösen, denn es geht um nichts weniger als die Unabhängigkeit und Zukunft unserer freiheitlichen Demokratie.“

− dpa/ce