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Schmid (SPD) verteidigt Sanktionen: „Mittelfristig werden Russlands Fähigkeiten deutlich eingeschränkt“

07.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:52 Uhr

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid (hier rechts im Bild), hat sich im Interview mit der Mediengruppe Bayern zu den neuen Sanktionen gegen Russland geäußert. −Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Auch das achte gegen Russland verhängte Sanktionspaket mache Sinn, erklärte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, im Interview mit der Mediengruppe Bayern. Er erkennt bereits jetzt erste Erfolge der Sanktionen.



Das Interview im Wortlaut:

Sind Sanktionen ein wirksames Instrument, um Krisen zu entschärfen?
Nils Schmid: Ja. Wir haben beispielsweise die Erfahrungen seinerzeit mit dem Iran gemacht, dass scharfe Sanktionen, wenn sie breit getragen werden von der internationalen Gemeinschaft, Erfolg bringen können. Nur so kam es zum Atomabkommen mit dem Land.

Was könnte das achte Sanktionspaket der EU gegen Russland bringen, was nicht seine Vorläufer schon hätten bringen sollen?
Schmid: Im Falle Russland geht es darum, die wirtschaftlichen und die technologischen Möglichkeiten des Putin-Regimes, den Krieg gegen die Ukraine zu führen, so weit wie möglich einzuschränken. Deshalb müssen wir ständig überprüfen, wo wir noch bestehende Lücken schließen können. Zudem geht es darum, mit gezielten persönlichen Sanktionen den Verantwortlichen klar zu machen, dass ihre Verbrechen nicht ohne Konsequenz bleiben.

Was antworten Sie denjenigen, die sagen, die bisherigen Sanktionen hätten Deutschland mehr geschadet als Russland?
Schmid: Das stimmt nicht. Wir haben beim Zuschnitt der Sanktionen darauf geachtet, dass dies nicht passiert. Deshalb hat Kanzler Scholz beispielsweise auf längeren Übergangsfristen für das Auslaufen von russischen Gas- und Öllieferungen beharrt. Allerdings räume ich ein, dass die russische Kriegsmaschinerie durch die Sanktionen erst einmal nicht unmittelbar daran gehindert wird, weiter die Ukraine zu attackieren. Aber mittelfristig wird die Fähigkeit Russlands, zivil wie militärisch gut ausgerüstet, diesen Angriffskrieg fortführen zu können, dadurch schon deutlich eingeschränkt. So haben wir Hinweise darauf, dass die russischen Luftabwehrsysteme auch deshalb in der Ukraine nicht so wirksam funktionieren, weil als Folge der EU-Sanktionen in der Vergangenheit wichtige Komponenten dafür fehlen.

Gibt es denn überhaupt noch gegenüber Russland ein Eskalationspotential für etwaige weitere EU-Sanktionen?
Schmid: Für persönliche Sanktionen gibt es noch vielfältige Ausweitungsmöglichkeiten. Dabei müssen wir die praktische Umsetzung dieser Strafmaßnahmen verbessern. Auch auf dem wirtschaftlichen und technologischen Feld gibt es noch Möglichkeiten. So ist es uns bisher nicht gelungen, den russischen Atomkonzern Rosatom wirksam zu sanktionieren. Gerade nach der illegalen Übernahme des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja wäre es unbedingt erforderlich, nun auch Rosatom mit Sanktionen zu belegen.

Sollte die EU angesichts der an Kraft gewinnenden Opposition im Iran auch dort das Instrument Sanktionen wieder stärker nutzen?
Schmid: Die EU sollte persönliche Sanktionen gegen die Verantwortlichen der brutalen Unterdrückung friedlicher Demonstrantinnen und Demonstranten ganz schnell verhängen. Da geht es etwa um Führungspersonen bei der Polizei, den Revolutionsgarden und den Basij-Milizen, von denen etliche immer noch gerne ins europäische Ausland reisen, etwa nach Frankreich, auch Deutschland, und dort Vermögen liegen haben. Das wäre ein starkes und wichtiges Signal. Außerdem sollte die EU, ähnlich wie bei Belarus, die Dokumentation der Menschenrechtsverbrechen des Regimes unterstützen, um später eine Strafverfolgung solcher Personen zu ermöglichen. Schließlich sollte die EU einen Fonds auflegen, um technische Umgehungsmöglichkeiten der Internet-Zensur im Iran zu ermöglichen.

Würden neue Sanktionen gegen den Iran nicht die Möglichkeit vollends vereiteln, das Atomabkommen mit dem Land wiederzubeleben?
Schmid: Deshalb sollte die EU sich eher auf persönliche Sanktionen gegen Verantwortliche der Unterdrückung und nicht auf umfangreiche wirtschaftliche Beschränkungen konzentrieren. So würde nach meiner Meinung die Möglichkeit offen gehalten, das Atomabkommen wiederzubeleben. Der Ball liegt aber im Felde des Iran. Die dortigen Regierenden haben jetzt noch die Chance, gewisse Erleichterungen bei den bestehenden Wirtschaftssanktionen zu erreichen, um das Atomabkommen zu retten. Ganz gleich, wer im Iran regiert: Wir haben ein überragendes Interesse daran, dass er nicht in den Besitz von Atomwaffen kommt. Deshalb wäre eine Reaktivierung des Abkommens sehr wichtig.