Medikamenten-Engpass
„Katastrophaler“ Antibiotika-Mangel: Bayern erlaubt jetzt nicht zugelassene Säfte

29.04.2023 | Stand 30.04.2023, 14:41 Uhr

Medikamente, insbesondere Antibiotika, sind knapp in Deutschland. Bayern hat bereits reagiert. −Symbolbild: Christin Klose/dpa

Für Patienten in Deutschland gibt es offenbar viel zu wenig Antibiotika. „Die Lage ist katastrophal“, sagte die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Regina Overwiening. Bayerns Staatsregierung greift zu außergewöhnlichen Maßnahmen.



Es werde immer schwieriger, Patienten zu versorgen - „und das in einem Land, das mal die Apotheke der Welt war“, sagte Overwiening der „Bild“. Bei normalerweise gut behandelbaren Krankheiten wie zum Beispiel Scharlach müsse teilweise auf Reserve-Antibiotika zurückgegriffen werden, die eigentlich nur in Ausnahmefällen verwendet würden. Ein Ende des Mangels sei nicht in Sicht, heißt es von der Berliner Kammer.

Medikamentenmangel: Eigene „Task Force“ in Bayern



Bayern hat eine „Task-Force Arzneimittelversorgung“ ins Leben gerufen, um den anhaltenden Lieferengpässen zu begegnen. Alexander von Waldenfels (Bayerische Landesapothekerkammer) beklagte „Lieferengpässe bei Antibiotikasäften über alle Wirkstoffe hinweg“. Ein Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, das dem Gesundheitsministerium untergeordnet ist, betonte, auf europäischer Ebene gebe es erste Signale für eine Stabilisierung der Verfügbarkeit von Antibiotika.

Tino Sorge (CDU): „Jetzt rächt sich der jahrelange Sparzwang“



Kritik kommt aus der Opposition. Für den CDU-Gesundheitsexperten Tino Sorge steht fest: „Jetzt rächt sich der jahrelange Sparzwang bei Medikamenten, vor allem aber das Abwarten von Gesundheitsminister Lauterbach.“ Längst hätte der SPD-Minister ein Frühwarnsystem für Lieferengpässe einführen können. „Es ist höchste Zeit, dass Minister Lauterbach den Medikamenten-Mangel entschlossen bekämpft“, so Sorge. „Bisher kursieren nur vage Ideen, die Patienten stehen weiter im Regen.“

Bayern reagierte bereits auf den Medikamentenmangel: Die Staatsregierung erlaubt vorübergehend die Einfuhr in Deutschland nicht zugelassener Antibiotika-Säfte für Kinder. „Wir in Bayern lassen nichts unversucht, um die Lage zu verbessern“, erklärte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Samstag. Somit ist es nach Holetscheks Worten den Landesbehörden nun möglich, im Einzelfall vorübergehend von Vorgaben des Arzneimittelgesetzes (AMG) abzuweichen.

Medikamentenmangel: „Leiten in Bayern umgehend zwei Maßnahmen ein“



„Wir leiten in Bayern umgehend zwei Maßnahmen ein, die den Mangel an antibiotischen Säften für Kinder lindern sollen“, sagte Holetschek. „Zum einen sollen die Regierungen mit einer neuen Allgemeinverfügung befristet die Einfuhr von Arzneimitteln gestatten, die bei uns eigentlich nicht zugelassen oder registriert sind.“ So könnten Pharmagroßhändler, Pharmafirmen und Apotheken unbürokratisch handeln.

Die zweite Maßnahme ist ein Appell Holetscheks an die Krankenkassen - mit dem Ziel, Apothekern die eigene Herstellung von Antibiotika zu erleichtern. „Darin bitte ich die Krankenkassen, vorerst keine Zuschläge sowie Erstattungen zu verweigern und in der Folge keine bereits geflossenen Vergütungen zurückzufordern, wenn Apotheker einen verschriebenen, aber nicht verfügbaren antibiotischen Saft durch ein selbst hergestelltes Arzneimittel ersetzen“, sagte der CSU-Politiker.

„Und bei Nicht-Verfügbarkeit des Fertigarzneimittels sollte eine solche Abgabe eines in der Apotheke hergestellten Antibiotikasafts auch ohne erneutes Ausstellen eines Rezeptes möglich sein.“

− kna/dpa