Als „Mumie in der Hofburg“ hat Herbert Kickl zu Aschermittwoch 2023 den österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen bezeichnet. Kaum zwei Jahre später könnte der rechtsradikale FPÖ-Chef von Van der Bellen den Auftrag bekommen, eine Bundesregierung zu bilden. Der 56-jährige Kickl steht auf dem vorläufigen Gipfel seiner Macht.
Kickl hatte die FPÖ nach einer Reihe von Korruptionsskandalen in den vergangenen Jahren wieder nach vorn gebracht. Bei der Parlamentswahl 2019 war die FPÖ auf 19 Prozent der Stimmen abgestürzt – nach dem sogenannten Ibiza-Skandal um den damaligen Parteichef Heinz-Christian Strache und nach dem Ausscheiden der Partei aus der Koalition mit der konservativen ÖVP unter Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Seit Kickl 2021 an die Parteispitze gewählt wurde, stieg die Zustimmung wieder – bis zu den 29 Prozent bei der Nationalratswahl im vergangenen September. Erstmals wurde die FPÖ damit stärkste Kraft im Parlament in Wien. Der ultrarechte Kickl punktete vor allem mit scharfen Parolen, mit denen er die Ängste der Wähler vor Einwanderern und dem Krieg in der Ukraine schürte. Die FPÖ profitierte zudem von der Wut der Österreicher über die gestiegenen Lebenshaltungskosten und von der schwindenden Popularität der damaligen Regierungskoalition aus ÖVP und Grünen.
Nehammer gegen Koalition mit den Rechtspopulisten
Noch am Wahlabend hatte Kickl im September den Regierungsanspruch der FPÖ angemeldet. Er war zunächst aber am Nein von Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer gescheitert, der sich gegen eine Koalition mit den Rechtspopulisten stellte.
Nachdem aber kurz nach dem Jahreswechsel erst die Dreier-Koalitionsgespräche zwischen der ÖVP, der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen Neos und dann auch Zweiergespräche zwischen Konservativen und Sozialdemokraten scheiterten, nahm Nehammer seinen Hut. Nun könnte Kickls Stunde schlagen.
Verschwörungserzählungen zu Covid-19 verbreitet
Schon lange, bevor er Parteichef wurde, war Kickl ein Ideologe der Partei. 2006 wurde er ins Parlament gewählt, 2017 Innenminister. Während der Corona-Pandemie verbreitete er Verschwörungserzählungen zu Covid-19. Der FPÖ-Spitzenpolitiker pocht auf die Neutralität Österreichs und lehnt jegliche Unterstützung für die Ukraine ebenso ab wie die EU-Sanktionen gegen Russland.
Kickl studierte Philosophie, Geschichte, Kommunikations- und Politikwissenschaften, bevor er 1995 für die FPÖ zu arbeiten begann. Über sein Privatleben ist wenig bekannt, keine Skandale oder Drogenexzesse beschädigen sein Image. Der schmächtige Brillenträger läuft Marathon und klettert gern.
Derbe politische Sprache
Sein unauffälliges Äußeres steht im scharfen Gegensatz zu Kickls bösartiger Rhetorik gegenüber politischen Gegnern. Den heute 80-jährigen Van der Bellen bezeichnete er nicht nur als „Mumie“, sondern auch als „bissl senil“, die Fraktionschefin der Grünen im Nationalrat als „SM-Domina“.
„Er ist sicher der Politiker, der die derbste politische Sprache in Österreich verwendet“, sagt die Journalistin Nina Horaczek, die Kickls Reden in einem Buch analysiert hat. Andersdenkende würden von ihm „bewusst beschimpft“ und „diskreditiert“.
Kickl mag weder Debatten noch Interviews. Vor allem nicht die des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ORF, dessen „mangelnde Objektivität“ er anprangert. Lieber wendet sich Kickl in den sozialen Medien direkt an seine Anhänger.
Er will „Volkskanzler“ werden
Die FPÖ wurde von Alt-Nazis gegründet und Kickl verwendet immer wieder Begriffe aus der Zeit des Nationalsozialismus. Im Wahlkampf hatte er damit geworben, „Volkskanzler“ werden zu wollen – wie Hitler. „Das ist eine ganz gezielte Provokation“, sagt Autorin Horaczek. Ziel sei es, im Gespräch zu bleiben und „klare Signale nach ganz rechts“ zu senden.
Kickl bestreitet, dass „Volkskanzler“ eine Anspielung auf die Nazis sei. Aus seiner Feindseligkeit gegenüber dem Islam und Migranten macht er jedoch kein Geheimnis und unterstützt seit 2016 die rechtsextreme Identitäre Bewegung. Er spricht von „Remigration“ und plant, Österreichern nicht-europäischer Herkunft die Staatsbürgerschaft zu entziehen und sie auszuweisen. Das Wahlprogramm der FPÖ trug den Titel „Festung Österreich“.
− afp
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