Fragen & Antworten
Darum nennt China Pelosis Besuch in Taiwan „Spiel mit Feuer“

03.08.2022 | Stand 03.08.2022, 13:42 Uhr

Taiwan, Taipeh: Dieses vom taiwanesischen Außenministerium veröffentlichte Handout zeigt Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, nach ihrer Ankunft am Flughafen von Taipeh. Allen Drohungen aus China zum Trotz ist die US-Spitzenpolitikerin Pelosi zu einem Besuch in Taiwan eingetroffen. −Foto: Uncredited/Taiwan Ministry of Foreign Affairs/AP/dpa

China hat in scharfer Form gegen den Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan protestiert. Der Streit um Taiwan ist einer der gefährlichsten Konfliktherde der Welt. Die zentralen Fragen und Antworten.



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Das Außenministerium in Peking sprach kurz nach der Landung der US-Politikerin am Dienstag in Taipeh von einem „sehr gefährlichen Spiel mit dem Feuer“. China werde „alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die nationale Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen“. Weiter hieß es: „Wer mit dem Feuer spielt, wird sich selbst verbrennen.“ Ähnliche Worte hatte Staats- und Parteichef Xi Jinping vergangene Woche in einem Telefonat mit US-Präsident Joe Biden gewählt. Der Besuch sei eine „große politische Provokation“, so das Außenministerium am Dienstag weiter. Die Taiwan-Frage sei eine rein innere Angelegenheit Chinas, in die sich die USA nicht einmischen sollten.

Einer der gefährlichsten Krisenherde der Welt

Der Streit um Taiwan ist einer der gefährlichsten Konfliktherde der Welt. Nach Russlands Angriff auf die Ukraine wächst weltweit die Sorge, dass China auf ähnliche Weise versuchen könnte, die demokratische Insel zu erobern. Die USA haben sich schon lange der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet, was bisher meist Waffenlieferungen bedeutete. Eine militärische Auseinandersetzung hätte massive Auswirkungen auf die globale Wirtschaft. Auch stünden sich die beiden Atommächte China und USA gegenüber.

Frage: Warum ist Taiwan politisch so wichtig für China?

Antwort: Der kommunistische Machtanspruch geht auf die Gründungsgeschichte der Volksrepublik China zurück. Nach der Niederlage im Bürgerkrieg gegen die Kommunisten zog die nationalchinesische Kuomintang-Regierung mit ihren Truppen nach Taiwan, während Mao Tsetung 1949 in Peking die Volksrepublik ausrief. Der heutige Staats- und Parteichef Xi Jinping sieht eine „Vereinigung“ mit Taiwan als „historische Mission“.

Frage: Gibt es auch militärische und wirtschaftliche Gründe?

Antwort: Die Insel zwischen Japan und den Philippinen hat große strategische Bedeutung. US-General Douglas MacArthur bezeichnet Taiwan einst als „unsinkbaren Flugzeugträger“ der USA. Eine Eroberung durch China wäre ein wichtiger Baustein in dessen Großmacht-Ambitionen, weil es das Tor zum Pazifik öffnen würde.

Frage: Warum wird Taiwan nur von wenigen Ländern anerkannt?

Antwort: China zwingt jedes Land, das diplomatische Beziehungen mit Peking haben will, keine offiziellen Kontakte mit Taiwan zu unterhalten. Es ist vom „Ein-China-Grundsatz“ die Rede. Danach ist Peking die einzige legitime Vertretung Chinas. Auf chinesischen Druck wurde Taiwan aus den Vereinten Nationen und internationalen Organisationen ausgeschlossen. Nur weniger als zwei Dutzend kleinere Länder unterhalten noch diplomatische Beziehungen. Deutschland oder die USA betreiben nur eine inoffizielle Vertretung in Taipeh.

Frage: Was wollen die Taiwaner?

Antwort: Die Taiwaner verstehen sich mehrheitlich längst als unabhängig und wollen zumindest den Status quo wahren. Auch wollen sie als Demokratie international anerkannt werden und sich keinem diktatorischen System wie in Festlandchina unterwerfen. Die frühere Kuomintang-Regierung hatte einst selber einen Vertretungsanspruch für ganz China, was sich bis heute im offiziellen Namen „Republik China“ widerspiegelt. Dieser Anspruch wurde 1994 aufgegeben. Damals wandelte sich Taiwan von einer Diktatur zu einer lebendigen Demokratie. Jede Veränderung des Status quo müsste aus Sicht der Regierung heute demokratisch von den 23 Millionen Taiwanern entschieden werden.

Frage: Droht in naher Zukunft eine militärische Eroberung durch China?

Antwort: Die Gefahr hat unter Xi Jinping deutlich zugenommen. Dafür modernisiert China schon lange besonders seine Marine und Luftwaffe. Es wird davon ausgegangen, dass der mächtige Präsident das Vorhaben noch in seiner Amtszeit umsetzen will. Im Herbst will sich Xi Jinping für weitere fünf Jahre bestätigen lassen. Weitere Amtszeiten sind denkbar. Ein ausländischer Botschafter meinte jüngst: „Ich hoffe, dass Xi Jinping noch möglichst lange im Amt bleibt.“ Das würde den Zeitpunkt einer militärischen Eroberung weiter in die Zukunft schieben.

Frage: Würden die USA Taiwan im Falle eines Angriffs verteidigen?

Antwort: Nachdem die USA in diesen Punkt zum Zwecke der Abschreckung „strategisch zweideutig“ geblieben waren, ist US-Präsident Joe Biden weitergegangen als seine Vorgänger. Er bezeichnete es wiederholt als „Verpflichtung“, Taiwan zu verteidigen. Ob mit Waffenlieferungen oder mit eigenen Truppen - das ließ er offen. Nach der diplomatischen Anerkennung Chinas hatten sich die USA schon 1979 mit dem „Taiwan Relations Act“ gesetzlich selbst dazu verpflichtet, Taiwans Verteidigungsfähigkeit weiter zu unterstützen.

Frage: Geht das US-Gesetz noch weiter?

Antwort: Die USA verpflichten sich darin, Taiwan „Waffen defensiver Art“ zu liefern und „Taiwan in die Lage versetzen, eine ausreichende Selbstverteidigungsfähigkeit zu wahren“. Jeder Versuch, „die Zukunft Taiwans mit anderen als friedlichen Mitteln zu bestimmen“, wird auch als Bedrohung des Westpazifiks und große Sorge der USA definiert. Die US-Streitkräfte sollten ihre Fähigkeit wahren, „sich jeder Gewaltanwendung oder anderer Form von Nötigung zu widersetzen, die die Sicherheit oder das soziale und wirtschaftliche System des taiwanesischen Volkes gefährdet“.

Frage: Welche Auswirkungen hätte ein militärischer Konflikt?

Antwort: Experten gehen davon aus, dass ein Krieg um Taiwan massive und größere Auswirkungen hätte als der Angriff Russlands auf die Ukraine - auch auf Deutschland. Taiwan ist Nummer 22 der großen Volkswirtschaften, industriell weit entwickelt und stark mit der Weltwirtschaft verflochten. Ein Großteil der ohnehin knappen Halbleiter stammen von dortigen Unternehmen. Wegen der großen Abhängigkeit vom chinesischen Markt wären deutsche Unternehmen massiv betroffen, wenn ähnlich wie gegen Russland wirtschaftliche Sanktionen gegen China verhängt werden sollten.

− dpa