Söder fordert Aufklärung
„Schlimme Vorwürfe“ gegen Aiwanger: Wann bricht er sein Schweigen?

Freie-Wähler-Chef soll antisemitisches Flugblatt verfasst haben – Der Druck wächst

26.08.2023 | Stand 12.09.2023, 22:49 Uhr |

Hubert Aiwanger (links) sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Als Schüler soll er eine antisemitische Schrift verfasst haben. Markus Söder fordert Aufklärung. −Foto: dpa

Wirbel um Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger: Wenige Wochen vor der Landtagswahl im Freistaat kommen Vorwürfe wegen eines antisemitischen Flugblatts hoch. CSU-Chef Söder stellt eine klare Forderung.



Mitten im bayerischen Landtagswahlkampf sieht sich der stellvertretende Regierungschef Hubert Aiwanger heftigen Vorwürfen wegen eines antisemitischen Flugblatts aus Schulzeiten ausgesetzt. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte von seinem Koalitionspartner umgehend Aufklärung. „Diese Vorwürfe müssen jetzt einfach geklärt werden. Sie müssen ausgeräumt werden und zwar vollständig“, sagte Söder am Samstag am Rande eines Volksfest-Termins in Augsburg.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte über das Flugblatt berichtet. Über einen Sprecher teilte der Freie-Wähler-Chef der „SZ“ mit, er habe „so etwas nicht produziert“ und werde gegen diese „Schmutzkampagne“ im Falle einer Veröffentlichung rechtlich vorgehen.

Zu dem von der „SZ“ berichteten Flugblatt sagte Söder: „Es sind schlimme Vorwürfe im Raum. Dieses Flugblatt ist menschenverachtend, geradezu eklig.“ Der CSU-Vorsitzende fügte hinzu: „Deswegen ist die zentrale Forderung jetzt auch an Hubert Aiwanger, schlichtweg die Dinge einfach zu klären und öffentlich zu erklären.“

Antisemitisches Flugblatt verfasst? Freie Wähler kündigen Aiwanger-Reaktion an



Auf eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur reagierte Aiwanger bis Samstagmittag nicht. Auch Nachfragen der Mediengruppe Bayern ließ er unbeantwortet. Ein Sprecher der Freien Wähler sagte, Aiwanger und die Freien Wähler kommentierten „diesen Vorgang“ vorerst nicht. Freie-Wähler-Landtagsfraktionschef Florian Streibl sagte auf dpa-Anfrage am Samstag aber: „Wir werden heute mit ihm sprechen.“ Der Freie-Wähler-Sprecher kündigte am Samstag dann an, es werde eine Reaktion im Laufe des Tages geben. Details ließ er offen.

Aiwanger sollte am Samstagmittag ursprünglich auch zu dem großen Volksfest-Umzug in Augsburg kommen. Er erschien dort aber nicht.

In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die CSU hatte stets erklärt, die Koalition mit den Freien Wählern nach der Wahl fortsetzen zu wollen. Alle Umfragen hatten bis zuletzt auch fast keinen Zweifel daran gelassen, dass dies auch möglich sein wird - wobei die Freien Wähler zuletzt bei 11 bis 14 Prozent lagen. Für beide Koalitionspartner kommen die Vorwürfe und die öffentliche Debatte deshalb zur absoluten Unzeit. Eine Koalition mit den Grünen hat Söder vor dieser Wahl, anders als früher, ausgeschlossen. Die CSU regiert im Freistaat seit 2018 zusammen mit den Freien Wählern.

Aiwanger nach Flugblatt-Recherche unter Druck: Erste Rücktrittsforderungen



Aus der Politik kamen umgehend aus fast allen Richtungen Forderungen nach Konsequenzen. Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze und Ludwig Hartmann forderten für den Fall, dass sich die Vorwürfe gegen Aiwanger bestätigen sollten, dessen Entlassung. „Dieses Flugblatt verhöhnt die Opfer des Holocausts. Das Gedankengut ist menschenverachtend. Wer so denkt, schreibt und redet, zeigt seinen Antisemitismus klar und deutlich“, sagte Schulze. „Wenn die Vorwürfe sich bewahrheiten, dann muss Markus Söder Hubert Aiwanger entlassen.“ Für die FDP forderte Landtagsfraktionschef Martin Hagen: „Hubert Aiwanger muss sich persönlich erklären und die Vorwürfe ausräumen.“



Die SPD forderte eine Sondersitzung des Landtags. „Das Flugblatt ist Rechtsextremismus der untersten Schublade, das die Millionen Opfer des Holocausts und der Nazi-Diktatur auf das Übelste verunglimpft - auf schlimmste Art und Weise“, sagte SPD-Fraktionschef Florian von Brunn. „Es ist unvorstellbar, dass ein Verfasser derartiger Zeilen im Bayerischen Landtag sitzt oder auch nur einen Tag länger ein öffentliches Amt in unserem Land bekleidet.“ Die SPD-Fraktion werde unverzüglich eine Sondersitzung des Landtags beantragen.

Aiwanger war bereits im Juni bundesweit in die Schlagzeilen geraten, wegen umstrittener Äußerungen auf einer Kundgebung in Erding. Er hatte dort unter anderem gesagt, dass die schweigende Mehrheit sich die „Demokratie zurückholen“ müsse. Ihm wurde daraufhin - wie schon so oft - Populismus und dann auch eine Wortwahl à la AfD vorgehalten.

Hubert Aiwanger, Vertreter der „normalen Bevölkerung“



Aiwanger, der starke Mann der Freien Wähler bayern- und auch bundesweit, sieht sich gerne als Vertreter der von ihm so bezeichneten „normalen Bevölkerung“, von Landwirten und Handwerkern. In Bierzelten und bei anderen Auftritten ledert er regelmäßig gegen die Grünen und die Ampel-Regierung. Vorwürfe, ein Populist zu sein, lässt er an sich abperlen. Er werde sich nicht mundtot machen lassen, sagt er dazu. Sein erklärtes Ziel ist es, potenzielle AfD-Wähler von Stimmen für die AfD abzuhalten und sie zu den Freien Wählern zu „locken“.

− dpa

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