Tiere im Straßenverkehr
Vollbremsung wegen eines Rehs – was, wenn ein Auffahrunfall die Folge ist?

18.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:14 Uhr

Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Von Karen Hanne

Eine Bewegung im Schatten, ein Huschen im Augenwinkel, plötzlich springt ein Reh auf die Straße ins Scheinwerferlicht – und bleibt stehen. In Folge geht der Autofahrer reflexartig auf die Bremse, der Pkw kommt mit quietschenden Reifen zum stehen. Doch dann kracht der hinterherfahrende Wagen ins Heck.

So oder so ähnlich ist es erst Mitte Mai zu einem Auffahrunfall auf der A9 gekommen, als drei Rehe die Straße im Landkreis Pfaffenhofen überquerten. Zwei Autofahrer bremsten stark, konnten aber eine Kollision mit einem der Tiere nicht vermeiden. Ein kleinerer Lastwagen fuhr zudem auf einen der Pkw auf.



Doch wer trägt nun die Schuld an dem Unfall? Ganz allgemein liegt diese in den meisten Fällen bei denjenigen, die hinterher fahren und somit auffahren. Sie sollten einen Mindestabstand einhalten, um Unfälle zu vermeiden. Laut des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs (ADAC) gilt aber nach der Straßenverkehrsordnung auch: „Ohne zwingenden Grund darf der Vorausfahrende nicht stark bremsen.“

Für Rehe darf vollgebremst werden

Wer also bei einem solchen Unfall die Schuld trägt, hängt davon ab, „ob die Vollbremsung notwendig war“, sagt Jürgen Grieving, Sprecher des ADAC. Wenn durch das Manöver ein Unfall mit einem Reh verhindert werden kann, der einen großen Sach- oder sogar Personenschaden nach sich gezogen hätte, dann läge die Haftung weiterhin bei dem Auffahrenden, nicht bei dem Bremsenden.

Genauer gesagt trifft einen Autofahrer keine Schuld, wenn er wegen eines Rehs, Wildschweins oder beispielsweise eines großen Hundes bremst. Bei Motorrädern ist das Bremsen oder Ausweichen auch für kleinere Tiere zulässig. „Ein solches Verkehrsverhalten ist besonders in
Kurvenfahrten bei Schräglage des Motorrades wegen der großen Gefahr des Wegrutschens regelmäßig nicht unverhältnismäßig“, heißt es vom ADAC.

Kleintiere stellen für Pkw keinen zwingenden Grund dar

Anders sieht es bei kleineren Tieren aus. „Wird wegen eines Kleintieres gebremst und kommt es dadurch zu einem Auffahrunfall, haftet der Vordermann mit“, sagt Grieving. Laut ADAC stellen Katzen, Hasen, Füchse, Enten, Igel, Tauben oder Eichhörnchen keinen zwingenden Grund für eine Vollbremsung mit dem Auto dar. So habe beispielsweise das Münchner Amtsgericht 2014 in einem Fall entschieden, dass der vorne Fahrende zu 25 Prozent mithaftet, wenn er wegen eines Eichhörnchens bremst und der hinten Fahrende auffährt.

Auch das Argument des Tierschutzes gilt in diesem Fall nicht. Er wird im Fall der Verkehrssicherheit, die sich vor allem um Personen- und Sachschäden dreht, nicht als Abwägungsfaktor berücksichtigt.

DK