Trinkwasser - Quell des Lebens

19.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:24 Uhr

Ingolstadt (DK) In Teilen der Region ist Trinkwasser überraschend günstig, in anderen deutlich teurer. Dort muss es aufbereitet werden, weil in früheren Jahrzehnten zu stark gedüngt wurde. Eine Belastung durch Medikamentenrückstände ist dagegen kein Thema, sagt Torsten Schmidt, Professor für Analytische Chemie an der Universität Duisburg-Essen.

Trinkwasser in Deutschland kann ohne Bedenken getrunken werden. Und doch sind die Menschen verunsichert, wenn im Wasser Spuren von Arzneimitteln und anderen Wirkstoffen gefunden werden. Ein Gespräch mit Torsten Schmidt, Professor für Instrumentelle Analytische Chemie, über Medikamentenrückstände, Kläranlagen und Untersuchungsmethoden.

Herr Schmidt, wie gut ist unser Trinkwasser?

Torsten Schmidt: Die Qualität in Deutschland ist hervorragend – vor allem im internationalen Vergleich. Ich glaube, dass viele Länder uns darum beneiden. Wir können im Grunde überall den Hahn aufmachen und das Wasser trinken, und sind dabei keinerlei gesundheitlichen Risiken ausgesetzt.

 

Wie häufig wird das Trinkwasser getestet?

Schmidt: Das hängt von der Größe des Wasserversorgers ab, bei großen passiert das täglich. Es gibt Werte, die kontinuierlich mit einem Sensor gemessen werden, für andere muss eine Probe genommen werden. Bei sehr kleinen bis hin zu privaten Wasserversorgern ist die Frequenz meist geringer.

Und was findet man im Wasser?

Schmidt: Wir entwickeln immer empfindlichere Geräte, um in Proben alles Mögliche zu finden. Überspitzt gesagt: Wenn Sie mir genug Zeit und Geld geben, dann finde ich fast alles. Man muss das immer im Kontext sehen mit der Frage: Hat das irgendeine Relevanz? Wir finden fast alles an Rückständen aus unserem täglichen Leben auch im Trinkwasser. Aber die Mengen sind so klein, dass wir manchmal Schwierigkeiten haben, sie überhaupt nachzuweisen. Eine gesundheitliche Relevanz hat das nicht – akut sowieso nicht und chronisch nach heutigem Wissensstand auch nicht. Medikamente zum Beispiel werden seit vielen Jahrzehnten eingenommen, vielleicht heute ein bisschen mehr als früher. Aber im Grunde ist der Eintrag in die Umwelt weitgehend unverändert, und falls wir damit chronische Gesundheitsprobleme hätten, dann würden wir das bei epidemiologischen Studien feststellen. Wenn Probleme mit Trinkwasser auftreten, betrifft das fast immer die Hygiene, also Mikroorganismen, zum Beispiel nach Rohrleitungsbrüchen.

 

Könnten die Rückstände in den Kläranlagen entfernt werden?

Schmidt: Man hat in den 80er- und 90er-Jahren immense Summen in die Kläranlagen investiert. Da ging es allerdings um die weitgehende Eliminierung von Nährstoffen, vor allem von Phosphor und Stickstoff. Viele erinnern sich wahrscheinlich noch an Algenblüten. Die gibt es heute nicht mehr. Für die Eliminierung von Spurenstoffen wie Medikamentenrückstände waren die Kläranlagen nie ausgelegt. Trotzdem ist es ein Thema, das seit etwa zehn Jahren intensiver diskutiert wird. Man überlegt, ob man bei der Reinigung weitere Verfahren nutzen kann, um die Menge an Schadstoffen zu reduzieren. Technisch ist das möglich, entweder mit einer Aktivkohle-Dosierung oder einer Ozonung. Aber das ist auch eine Frage des finanziellen Aufwandes: Da muss man abwägen, ob die Notwenigkeit besteht.

 

Wie gelangen die Medikamentenrückstände ins Wasser?

Schmidt: Ein Hauptpunkt sind menschliche Ausscheidungen. Man nimmt ein Medikament, das dann den Körper größtenteils unverändert wieder verlässt. Es gibt einen weiteren Pfad: Manche Menschen spülen nicht vollständig leere Medikamentenflaschen aus, bevor diese ins Recycling gehen. Das ist natürlich kontraproduktiv. Es wird geschätzt, dass etwa ein Viertel der Medikamente auf diesem Weg ins Wasser gelangt. Zudem haben wir weitere, problematischere Einträge, etwa durch den Einsatz von Medikamenten in der Tierhaltung. Denn über die Ausscheidungen der Tiere und die auf die Felder ausgebrachte Gülle wird einiges an Arzneimitteln in die Umwelt eingebracht. Diese passieren dann keine Kläranlage.

 

Welche Medikamente findet man im Wasser am häufigsten?

Schmidt: Das ist über viele verschiedene Wirkstoffklassen aufgeteilt. Es sind Schmerzmittel wie Diclofenac, Anti-Epileptika, aber auch Stoffe, die heute häufiger verschrieben werden, etwa das Antidiabetikum Metformin.

 

Nach welchen Rückständen wird denn überhaupt gesucht?

Schmidt: Wir müssen zwei Sachen unterscheiden: Das eine ist der Eintrag in die aquatische Umwelt. Da greift die Wasserrahmenrichtlinie der EU, in der Medikamentenrückstände allerdings bisher nicht enthalten sind. Seit drei Jahren gibt es aber eine sogenannte Watchlist, auf der Stoffe stehen, die genauer untersucht werden sollen. Da sind bestimmte Antibiotika dabei, aber auch Diclofenac und der Wirkstoff der Antibabypille. Dabei geht es aber um die Wirkung auf Lebewesen im Oberflächenwasser, nicht um die Wirkung auf den Menschen. Im Trinkwasserbereich gibt es bisher keinerlei gesetzliche Regelungen, die eine regelmäßige Kontrolle auf Arzneimittelrückstände verlangen. Die Untersuchungen, die trotzdem in großer Zahl laufen, sind freiwillig.

 

Das heißt, es gibt dann auch keine Grenzwerte.

Schmidt: Genau. Für Pharmazeutika nicht, im Umfeld der Pflanzenschutzmittel ist das anders. Da gibt es einen Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter im Trinkwasser für alle Stoffe, unabhängig von der Wirkung. Die Wasserversorger haben diesen Wert als Zielgröße für alle anthropogenen Spurenstoffe in unseren Gewässern formuliert.

 

Wie lässt sich die Gewässerbelastung verringern?

Schmidt: Was im Kontext mit erneuerbaren Energien zunehmend zum Problem werden kann, sind Gärrückstände aus Biogasanlagen, aber auch der Energiepflanzenanbau, bei dem zusätzlich gedüngt wird und Pestizide eingetragen werden. Hier hat man sicherlich eine Menge Möglichkeiten, die Belastung durch Stickstoff zu reduzieren. Etwa vorzugeben, dass Landwirte nur zu bestimmten Zeiten und bei Wetterlagen düngen dürfen. Schauen wir 25 Jahre in die Zukunft.

 

Wie, glauben Sie, ist es dann um unser Trinkwasser bestimmt?

Schmidt: Immer noch hervorragend. Wir werden in Details wahrscheinlich noch Verbesserungen erreichen. Ein Problem, das sich allerdings stellt, ist die Alterung der Infrastruktur. Da werden massive Investitionen notwenig sein. Das Gespräch führte Sandra Mönius.