München
Für mehr Transparenz und Demokratie

Zehntausende gehen in sieben deutschen Städten gegen TTIP und Ceta auf die Straße Allein in München sind es 25 000

18.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:18 Uhr
Unbeeindruckt vom Dauerregen war der gut gelaunte Demonstrant, der Ceta die Rote Karte zeigte. −Foto: Fehr

München (DK) Als die Veranstalter am Samstag gegen 15.30 Uhr die Zahlen der Teilnehmer der Demonstrationen in sieben deutschen Großstädten bekannt geben, brandet Applaus über den Odeonsplatz auf, werden Trillerpfeifenkonzerte und Rufe noch lauter. Von 320 000 Menschen sprechen die Veranstalter: etwa in Berlin rund 70 000, in Hamburg etwa 65 000 und in Köln 55 000. In München sollen es 25 000 Menschen gewesen sein.

Aus ganz Bayern sind die Demonstranten in die Landeshauptstadt geströmt, mit Bussen und der Bahn, in einem Stau und im gemeinsamen Gedränge mit den Trachtenträgern, die zur Wiesneröffnung einem anderen Zug gefolgt sind. Sie sehen sich als "Alternative zum Oktoberfest", ein "kämpferisches Septemberfest". Bunt sind an diesem Tag nicht nur die Tausenden Schirme und Regenjacken, bunt und vielfältig ist das Kennzeichen dieses Bündnisses, das sich gegen die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und Ceta stemmt. Parteien und Sozialverbände, Kirchen und Gewerkschaften, Globalisierungskritiker sowie Umwelt- und Verbraucherschützer oder der Deutsche Kulturrat. Laut Umfragen sind 57 Prozent der Bürger gegen TTIP, in Österreich sind es 70 Prozent. Die Gegner, die aus allen Generationen und Gesellschaftsschichten stammen, sehen die Vertragswerke als Industrielobbyismus und fürchten, dass die bisherigen nationalen Standards bei Gesundheit, Bildung, Umwelt- und Verbraucherschutz aufgeweicht werden. Bei aller Kritik liegt ihnen aber auch an diesem Tag in München daran, nicht als Globalisierungsgegner, sondern als Globalisierungskritiker gesehen zu werden. "Wir wollen Handel, aber er muss gerecht und fair sein."

Der bayerische DGB-Vorsitzende Matthias Jena spricht sich gegen die Abkommen in der derzeitigen Form aus. Die geplanten Sonderrechte für ausländische Investoren und private Schiedsgerichte seien ein Angriff auf Mitbestimmung und Demokratie. Bei Ceta fehlten im Kapitel Arbeit die Straf- und Sanktionsmöglichkeiten. "Manche Konzerne treten die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Füßen." Jedes Parkverbot werde strenger kontrolliert als diese Verstöße gegen elementare Menschenrechte. Harald Klimenta von Attac fordert eine kleinteiligere Wirtschaft, und für Sigi Hagl, Landesvorsitzende der Grünen in Bayern, bedeuten die Handelsabkommen "den Sarggagel für unsere Landwirtschaft". Karl Bär mahnt: "Das alles ist heiße Luft für Menschen und bedeutet Sonderrechte für Konzerne."

Erna-Kathrein Groll von der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung Bayern warnt vor der reinen Gewinnmaximierung. Sie befürchtet, dass Menschen weltweit ihrer Existenz beraubt werden, dass Arbeitnehmerrechte und Tarifverträge auf den Prüfstand kommen werden. "Wir sind gegen eine Veränderung der Welt zum Schlechten." Ihre uneingeschränkte Solidarität sagt Ilana Solomon vom Sierra Club, der ältesten und größten Naturschutzorganisation der USA, den Demonstranten zu. "You are not alone" ("Ihr seid nicht allein"). Mitsprache, Teilhabe und Mitgestaltung fordert ein Bündnis von Jugendorganisationen. "Die Handelsabkommen sind ein unumkehrbarer Einschnitt in unsere Zukunft."

Gertraud Gafuß, Milchbäuerin von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ist "einfach nur wütend". Die Bauern würden damit gegeneinander ausgespielt. Sie warnt eindringlich vor einer "Übermacht der Ernährungsindustrie". Kathrin Beushausen von Campact sagt: "Wir haben keine Angst vor Veränderungen, sondern wollen Veränderungen mitgestalten." Letztlich ginge es darum: "Wir wollen keine marktkonforme Demokratie, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel propagiert, sondern demokratiekonforme Märkte."