Kijunga
Die Mutter der Aids-Waisen

Drückende Armut und die Seuche Aids sind die Geißeln Ugandas. Die Österreicherin Maria Prean sorgt mit ihrer Hilfsorganisation Vision for Africa für das Überleben von Waisenkindern und ermöglicht ihnen eine Berufsausbildung. Den Auftrag dafür erteilt ihr Gott. <?ZuVor "1dp"> <DK-Autor>Harald Rast</DK-Autor>

20.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:31 Uhr
Wenn Mama Maria bei ihnen vorbeischaut, herrscht Begeisterung bei den Aids-Waisen, die von Maria Preans Organisation Vision for Africa betreut werden. −Foto: Rast

Kijunga (DK) "Mama Maria! Mama Maria!" Freudig schnatternd umringt eine Gruppe schwarzer Kinder die weißhaarige Dame. Maria Prean hat für jeden ihrer ugandischen Schützlinge ein freundliches Wort parat. Sie spricht in perfektem Englisch, aber der sanfte tiroler Tonfall ist unüberhörbar. So wie die trotz der Hitze stets elegant gekleidete Dame mit den Kindern herumalbert, würde man nie ihr Alter erraten. Sie feiert im kommenden Jahr ihren 80. Geburtstag. "Ich fühle mich innerlich jünger als mit 30", sagt sie. "Mein eigentliches Leben hat erst mit 60 begonnen." Damals habe ihr Gott befohlen, 1000 Kindern in Uganda eine Ausbildung zu ermöglichen.

Maria Prean hat diesen Auftrag längst übererfüllt. In dem Dorf Kijunga, 40 Kilometer östlich der Hauptstadt Kampala, hat sie mit ihrer Organisation Vision for Africa in 17 Jahren ein irdisches Paradies erschaffen. Der anglikanische Erzbischof schenkte ihr damals 65 Hektar Buschland aus der Erbschaft eines reichen Uganders. Im benachbarten Dorf herrschten Mord und Totschlag, das Gelände war von Schlangen verseucht. "Es war ein verruchtes Gebiet", erinnert sie sich.

Doch während sich ihre Altersgenossinnen auf die Rente freuen, krempelt die gebürtige Innsbruckerin voll Gottvertrauen die Ärmel hoch. Mit Spenden aus Europa lässt sie in reiner Handarbeit etwa 150 Gebäude bauen: mehrere Schulen sowie Kinderhäuser für die Waisen, Werkstätten für alle Bauberufe sowie Schneiderinnen und Töpferinnen, eine Gebets- und Kongresshalle und zu guter Letzt ein Hotel mit Restaurant und Cafe.

Zu ihrem 80. Geburtstag soll eine weitere Schule für 2000 Kinder eröffnet werden. Nach dem erfolgreichen Start einer Orthopädie-Werkstatt für Amputierte steht der Bau eines Krankenhauses ganz oben auf Maria Preans Prioritätenliste. Sie hat hunderte Arbeitsplätze geschaffen, 42 Manager erledigen das Tagesgeschäft. "Deren oberster Chef bin aber nicht ich, sondern Gott", betont sie. Ihre Zuversicht, die Vollendung auch dieser Projekte zu erleben, ist ungetrübt: "Ich lebe jeden Tag, als wenn es mein letzter wäre - aber ich mache Pläne, als wenn ich niemals sterben würde."

Schon vor ihrem Engagement in Uganda hatte Maria Prean Erlebnisse, die eigentlich für mehrere Leben reichen. Sie wuchs in einer bettelarmen Familie auf. "Drei Kinder schliefen in einem Bett." Gegen Kriegsende leidet sie Hunger, der Vater ist an der Front. Ein Bombardement von Innsbruck überlebt die Familie in einem Luftschutzkeller mit knapper Not. "Wir haben laut gebetet und Gott hat uns erhört." Nach dem Abitur besucht sie eine Handelsakademie, verbringt ein Jahr als Au-pair in London und wird Englischlehrerin. Später arbeitet sie als SOS-Kinderdorfmutter. Doch diese Aufgabe übersteigt ihre Kraft und sie erleidet einen Zusammenbruch.

Durch Zufall verschlägt es sie in die USA, wo sie 14 Jahre lebt und als Hotelmanagerin und selbstständige Seelsorgerin arbeitet. Nach ihrer Rückkehr nach Österreich trifft sie die Liebe ihres Lebens. Herbert Prean ist 15 Jahre älter und ein erfolgreicher Geschäftsmann. Gemeinsam gründen sie das Missionswerk "Leben in Jesus Christus", halten Seminare und Schulungen. Doch das Glück währt nur sieben Jahre. Ihr Mann erkrankt an Krebs, mit 54 Jahren ist Maria Prean Witwe. Nach diesem Schicksalsschlag macht es sich die begnadete Predigerin zur Aufgabe, Menschen zu Jesus zu führen. Sie wird nach Uganda eingeladen - und erleidet zunächst einen Kulturschock. Doch dank Gott, wie sie sagt, entdeckt sie ihre Liebe zu dem zentralafrikanischen Land. "Nach vielen Jahren der Suche bin ich dort, wofür Gott mich geschaffen hat."

Obwohl streng katholisch erzogen, hat Maria Prean der Amtskirche den Rücken gekehrt. "Ich bin katholisch, aber zu wenig römisch", meint sie schelmisch. Ihre Einrichtungen stehen aber nicht nur allen Menschen offen, die an Gott und Jesus glauben. Viele muslimische Kinder besuchen ihre Schulen. Aktive missionarische Tätigkeit lehnt Prean ab, aber natürlich werden den Schülern die christlichen Werte nahegebracht.

Als Mittsechzigerin lernt sie sogar noch die Mutterfreuden kennen. Nachdem ihr leibliche Kinder versagt geblieben waren, adoptiert sie ein damals neun Monate altes Baby. Das Mädchen heißt Angel, "ein Engel, den mir Gott gesandt hat". Sie wird noch die Adoptivmutter von zwei Buben, den Zwillingen Patrick und Richard. Doch Richard stirbt kurz nach seinem 30. Geburtstag bei einem Autounfall.

Maria Prean lässt sich davon nicht entmutigen. Bitterkeit kennt sie nicht. Lieber sucht sie frohen Mutes nach neuen Herausforderungen. Viele Monate im Jahr reist sie durch Europa, um Spenden für ihre Projekte zu sammeln. Auch einige ihrer Firmen werfen Geld ab. Auf dem Gebetsberg hoch über dem Victoriasee hat sie ein christliches Trainingszentrum, eine Berufsschule und eine kleine Klinik errichtet. Unten am Ufer betreibt sie in einem Fischerdorf eine Blindenschule.

Etwa 11000 Kinder haben inzwischen von Preans Engagement profitiert und sie weiß: "Gott hat noch Großes mit mir vor." In Karamoja im völlig unterentwickelten Norden Ugandas baut sie derzeit mit Vision for Africa die nächsten Projekte auf, um die Lage der Menschen dort zu verbessern. Die Kraft gibt Maria Prean ihr unerschütterlicher Glaube und die Erkenntnis: "Das Leben wird mit jedem Tag schöner."

 

Harald Rast