Neumarkt
Besinnlichkeit zwischen Tropf und Visite

"Alles ist anders dieses Jahr": Wie Familien das Weihnachtsfest auf der Kinderstation erleben

23.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:29 Uhr
Der Christbaum steht am Ende des Flurs, neben dem Eingang hängen ein paar Weihnachtskugeln: Die Mitarbeiter der Kinderstation versuchen trotz Krankenhausatmosphäre ein bisschen Weihnachtsstimmung zu verbreiten. −Foto: Schmidt

Neumarkt (DK) An der großen Flügeltür steht es in knallbunten Großbuchstaben: Kinderstation.

Gleich daneben haben die Krankenschwestern im Klinikum Neumarkt ein bisschen Weihnachtsdekoration aufgehängt. Grüne Kugeln hängen vor dem Fenster, daneben ein paar weiße Sterne und Herzen aus Holz. Am Ende des hellen, menschenleeren Flurs, hinter Medikamentenschränken und neben dem Ultraschallraum, steht ein mannshoher Christbaum. Er ist bunt geschmückt, die kleinen Lämpchen leuchten. Weihnachten naht, auch hier auf der Station. Es ist auffällig still, bis ein Kleinkind in irgendeinem Zimmer anfängt, panisch zu weinen. Für die kleinen Patienten versuchen hier alle, ein möglichst besinnliches Fest zu gestalten - im Licht der Leuchtstoffröhren. Doch diejenigen, um die sich hier alle bemühen, wollen trotzdem einfach nur eines: gesund werden. Und dann endlich nach Hause.

Zehn Betten hat die Kinderstation, in diesen Tagen ist sie gut ausgelastet. Einige Räume darf man nicht betreten - dort sind Kinder mit ansteckenden Krankheiten wie Magen-Darm-Infekten. Doch meist liegen in einem Raum zwei Patienten zusammen. Einer von ihnen ist Nikita. Der Dreijährige springt gerade aus dem Bett, stürmt in Richtung Tür. Eben ist sein Vater gekommen und nimmt ihn mit auf einen kleinen Spaziergang. Wahrscheinlich auch, um Nikitas Mutter ein paar Minuten Ruhe zu gönnen. Sie hat die letzte Nacht mit ihrem Sohn auf der Station verbracht. Die beiden müssen noch mindestens zwei Tage bleiben, also bis kurz vor dem Fest. Denn Nikita hat Probleme mit der Verdauung. Natürlich sei das stressig, sagt seine Mutter - gerade, wenn man mehrere Kinder habe. Auf dem Beistell-Bett der Mutter strampelt und brabbelt Nikitas kleiner Bruder fröhlich, er ist erst wenige Monate alt. "Aber man kann sich nicht zerreißen. " Doch sie sieht müde aus - noch mehr, als es bei zwei Kleinkindern zu erwarten wäre. Aber sie beschwert sich mit keinem Wort. Im Gegenteil: Sie habe Glück, denn durch Zufall habe sie "das Weihnachtszeug" schon besorgt. Die ganze Familie hoffe jetzt, dass sie Weihnachten zu Hause feiern kann, und dass es Nikita wieder besser geht. Er habe am Tag zuvor schon gefragt: "Wieso müssen wir hier schlafen? ", erzählt seine Mutter - und muss sogar ein bisschen lächeln.

Wenn Heidi Hegendörfer, Teamleiterin auf der Kinderstation, die klassischen Fälle ihrer Abteilung aufzählt, spricht sie von Magen-Darm-Infekten, Bronchitis und gebrochenen Knochen. Sie sitzt in der kleinen, modernen Teeküche am Tisch, der Abend dämmert vor dem Fenster. Es sind noch ein paar Tage bis Weihnachten. An der Glastür zum Flur kleben ein paar Sticker: Viele kleine Nikoläuse lachen dem Besucher entgegen. Der Nikolaus hat vor einigen Wochen auch schon leibhaftig den Kindern auf der Station eine Freude gemacht. Mit Mandarinen und Schokolade in seinem Sack und einer Gitarre in der Hand zog er von Zimmer zu Zimmer. "Er hat für jeden Patienten gesungen, egal ob die elf Monate oder 17 Jahre alt waren, und die Eltern haben mitgesungen", sagt die freundlich lächelnde Kinderkrankenschwester im hellgrünen Kittel, die ruhig und ein bisschen leise spricht und sich nicht aus dem Konzept bringen lässt. Das hat ihr wohl der Job gelehrt.

Weil die Schwestern, Pfleger und Ärzte genau wissen, dass Weihnachten ein Fest ist, das man am besten zu Hause feiert, versuchen sie, so viele kleine Patienten wie möglich noch vor Heiligabend nach Hause zu schicken, erzählt Hegendörfer. "Bis Mittag entlassen wir die Kinder noch", erzählt sie. Doch bei einigen Patienten wird das nicht klappen. Ihnen wird es noch zu schlecht gehen. Trotzdem bemühen sich alle, dass die Kinder einen schönen Festtag haben.

Auf dem Fensterbrett in der Teeküche steht dafür schon einiges bereit: Schoko-Nikoläuse, hübsch zusammengepackt mit anderen Süßigkeiten. Das wird an Weihnachten an die kleinen Patienten verteilt. Natürlich dürfen nicht alle Kinder die Schokolade sofort essen - denn einige sind an Weihnachten nur deswegen im Krankenhaus, erzählt Hegendörfer und schmunzelt. Jedes Jahr zum Fest kämen ein paar besorgte Eltern in die Notaufnahme, deren Kinder die vielen Plätzchen und Adventskalender-Naschereien nicht gut vertragen - und Bauchweh bekommen.

Doch Süßigkeiten sind nicht alles, was die Kleinen zum Fest auf der Station bekommen. "Wir bereiten für die Kinder immer kleine Weihnachtsgeschenke vor. In diesem Jahr gibt es für jeden ein Kuschelkissen", verrät die Teamleiterin schon. Die waren eine Spende, wie so vieles jetzt zum Ende des Jahres. Doch es gibt noch mehr. Für jeden haben die Schwestern eine Kleinigkeit: ein Puzzle, ein Malbuch, etwas zum Basteln. Auch die Krankenhausküche gibt sich Mühe: "Wir machen zum Fest ein anderes, besonderes Essen", sagt Hegendörfer.

Pünktlich zu Weihnachten lockert die Station dann auch die Besuchszeiten, die Familien dürfen so viel Zeit mit dem kranken Kind verbringen, wie sie möchten. Wer das Bett verlassen kann und nicht etwa dauerhaft auf Sauerstoff angewiesen ist, darf ins Spielzimmer. Dort können dann die Familien unter sich sein, zumindest für kurze Zeit mit ihren Lieben Weihnachten feiern. Und die Kleinen können endlich ihre Geschenke auspacken. Manchmal gibt es auch etwas Süßes oder einen Punsch - wenn das der Arzt erlaubt. "Die Patienten können sich dann auch ein bisschen bewegen, die wollen das, schließlich sind es Kinder", sagt Hegendörfer. Viele Eltern seien dann ganz pragmatisch: "Viele sagen, dass Weihnachten dann halt dieses Jahr mal anders ist als sonst. "

Weniger entspannt wirkt die Mutter der kleinen Hanna. Das könnte aber auch daran liegen, dass das Kind bitterlich weint, sobald ein Fremder das Zimmer betritt. Die Dreijährige hat Angst, dass sie nun irgendeine Behandlung über sich ergehen lassen muss. "Es ist sehr schade, dass wir hier sein müssen", sagt die Mutter und schaukelt ihre kleine Tochter hin und her, um sie zu beruhigen, "da geht Weihnachten unter und man hat keine Lust mehr aufs Fest". Vor allem für Hanna sei es sehr schade. In diesem Jahr ist das Kind das erste Mal alt genug, um alles zu verstehen und mitzubekommen, wenn der Baum steht und die Geschenke da sind. "Jetzt sind wir hier", sagt die Mutter resigniert mit den Schultern zuckend, "und alles ist anders dieses Jahr. " Dazu kommt, dass die Mutter jetzt selbstverständlich andere Dinge erledigen müsste, so kurz vor dem Fest. Aber natürlich bleibt sie bei Hanna. Wann die beiden nach Hause dürfen, ist noch nicht klar. Dabei wäre Hanna die erste, die ihre Koffer packen würde: "Sie hat heute morgen schon gesagt, dass es ihr gut geht und wir jetzt heim können, dabei stimmt das gar nicht", sagt die Mutter und streicht ihrer Tochter beruhigend über den Kopf. Sollte es die Familie bis zum Fest nach Hause schaffen, freut sich Hannas Mama darauf, dieses Jahr ein bisschen "langsam zu machen". Und für die tapfere Hanna gibt es dann vielleicht noch ein Geschenk mehr.
 

Sophie Schmidt