"Alles wird übersichtlicher"

Rainhard Fendrich über das Alter, sein neues Album und seine Zuhörer

17.10.2019 | Stand 02.12.2020, 12:49 Uhr
Schreibt über das Leben: Der Liedermacher Rainhard Fendrich. −Foto: Marcel Brell

Herzlichen Glückwunsch, Herr Fendrich, mit Ihrem aktuellen Album haben Sie in Österreich zum 14. Mal Platz eins in den Charts erreicht. Damit sind Sie der Solokünstler mit den meisten Nummer-Eins-Alben in Österreich. Das Album heißt "Starkregen" - ich frage mich: Soll das jetzt positiv klingen oder negativ? Starkregen freut den Landmann, aber ärgert den Urlauber.


Rainhard Fendrich: Eigentlich stellt der Titel keine Wettervorhersage dar. "Starkregen" steht für den derzeit sich bemerkbar machenden Klimawandel - nicht nur meteorologisch, sondern auch gesellschaftlich.

Haben Sie lange gebraucht, um den Titel zu finden?


Fendrich: Ich bin durch Zufall darauf gekommen. Das Album war fertig und ich habe aber immer noch einen Titel dafür gesucht. Keines der einzelnen Lieder schien mir geeignet, als übergeordneter Begriff über dem ganzen Album zu stehen. Zu dieser Zeit habe ich einen Flug gebucht, bei einer ausländischen Fluglinie. Und weil ich gerade ein Übersetzungsprogramm auf dem Computer hatte, das alle englischen Begriffe ins Deutsche übertragen hat, übersetzte das Programm auch meinen Namen: Aus "Rain-hard" wurde "Starkregen". Das Flugticket war erstmal auf einen gewissen Starkregen Fendrich gebucht - es war ziemlich schwierig, das wieder zu ändern! Trotz des ganzen Ärgers, den ich dann hatte, begriff ich den Ausdruck als ein Wink des Schicksals. Ich dachte: Das passt für das Album. "Starkregen" steht für den gesellschaftlichen Klimawandel, aber auch für den meteorologischen. Es gibt ja fast kein "normales" Wetter mehr, sondern beinahe nur noch Trocken- und Heißperioden, abgelöst von Unwetter- und Starkregenphasen. Wir müssen da schon zur Kenntnis nehmen, dass die Phänomene, die Wissenschaftler bereits in den 1970er Jahren prophezeit haben und die lange ignoriert wurden, nun eintreten.

Trotzdem haben Sie einen Flug gebucht.


Fendrich: Ich muss fliegen! Ich hasse fliegen, ich fahre auch nicht gerne Auto, aber bei meinem Beruf komme ich leider nicht darum herum.

Das aktuelle Album bezieht sich, wie Sie sagen, nicht nur auf einen meteorologischen, sondern auch auf einen gesellschaftlichen Klimawandel. Wenn Sie nun in der Rückschau ihre bislang 18 Alben betrachten: Bilden diese eher jeweils die gesellschaftlichen Zustände oder Ihre Seelenzustände während ihrer Entstehung ab?


Fendrich: Naja, der eigene Seelenzustand scheint bei einem Album sicher immer wieder mal durch, das lässt sich gar nicht vermeiden. Und es gibt auch immer wieder autobiografische Passagen. Aber die sind eigentlich nicht wichtig. Natürlich sind die Beobachtungen und Erzählungen in meinen Liedern meine Wahrnehmungen; aber ich habe immer über das Leben so geschrieben, wie es ist - nicht so, wie ich es gerne hätte. Das ist der große Unterschied von Liedermacher-Liedern und Schlagern. Der Schlager singt über die Liebe und das Leben, wie es am schönsten wäre, das ist eine ganz andere Kunstform.

Aber diese Sicht auf die Welt verändert sich mit der Zeit, oder?


Fendrich: Die Perspektive, der Blickwinkel ändert sich. Natürlich schreibt man mit 65 andere Lieder als mit 25. Man wird besonnener, wenn man realisiert, dass die eigene Zukunft kürzer ist als die Vergangenheit. Alles wird übersichtlicher.

Macht Ihnen das Angst?


Fendrich: Überhaupt nicht. Vor was soll man Angst haben? Gut, vor dem Sterben vielleicht. Aber der Tod ist das natürlichste von der Welt. Das Gehirn blendet glücklicherweise verschiedene Dinge aus. Und richtig alt ist man dann, wenn man insgesamt an der Vergangenheit mehr Freude hat als an der Zukunft.

Aber nicht nur Sie haben sich verändert - die Gesellschaft, über die Sie singen, hat sich inzwischen auch verändert.

Fendrich: Ja. Österreich hat sich verändert, ganz Europa hat sich verändert. Für mich ist aber dennoch oder gerade deshalb nach wie vor wichtig, eine politische Haltung zu zeigen. Mich bewegen politische Entwicklungen und daher schreibe ich darüber. Mich würden die Entwicklungen auch bewegen, wenn ich Arzt wäre oder Rechtsanwalt, ich könnte halt nicht darüber singen.

Aber müssen Sie nicht auch darüber nachdenken, ob diese politischen Äußerungen nicht einige potenzielle Käufer Ihrer Platten verprellen?

Fendrich: Natürlich, man riskiert einen Teil seiner Fans zu verlieren. Als ich mich gegen rechte Tendenzen engagiert habe, haben mir viele Leute geschrieben: "Ihre Lieder haben mir immer gut gefallen, aber jetzt werfe ich Ihre CDs weg! " Es gehört schon ein gewisser Mut dazu, aufzustehen und seine Meinung zu sagen; denn man muss damit rechnen, Gegenwind zu spüren. Aber ich bin eigentlich immer für meine Überzeugungen eingetreten und habe auch an meine Kunst geglaubt. Und so habe ich so viele Fans, wie ich auf der einen Seite verloren habe, auf der anderen Seite dazugewonnen.

DK



Das Interview führte

Markus Schwarz.