Schon von klein auf lernen wir, dass Ehrlichkeit am längsten währt und Lügen tabu sind. Doch Stefan Eiben hat genau das Gegenteil zu seinem Geschäftsmodell gemacht: Er ist der Mann, der Menschen professionell beim Lügen unterstützt.
Vor rund 25 Jahren gründete Stefan Eiben seine Alibi-Agentur. Was als kleines Experiment begann, ist heute eine internationale Erfolgsstory – mit Standorten in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Spanien, den USA, Dubai und Zypern. Die angebotenen Dienstleistungen könnten direkt aus einem Hollywood-Blockbuster stammen: Ob geheime Doppelleben, maßgeschneiderte Alibis für jede erdenkliche Situation, raffinierte Rachepläne oder sogar manipulierte Lügendetektortests – die Bandbreite der Alibi-Agentur scheint keine Grenzen zu kennen. Obwohl sich sein gesamtes Business vorrangig um Lügen dreht, bezeichnet Eiben sich selbst gerne als „Freiraummanager“, der Menschen hilft, ihre eigenen Freiräume zu gestalten und optimal zu nutzen. In einem Interview mit der Mediengruppe Bayern spricht der Alibi-Agentur-Gründer über moralische Fragen, das vielfältige Angebot seiner Agentur und erzählt von realen Fällen aus unserem Verbreitungsgebiet.
Herr Eiben, wenn man das Wort Alibi-Agentur hört, denkt man als erstes an Affären und Fremdgehen. Wie sieht die Realität aus?
Eiben: Dieses Vorurteil hatte ich damals bei der Gründung auch. Ich dachte, wenn jemand anruft, dann geht es wahrscheinlich oft um Seitensprünge und Affären. Bis ich dann gemerkt habe, dass die Fremdgeher gar nicht bei mir anrufen.
Warum ist das so?
Eiben: Ein typischer Fremdgeher plant seinen Seitensprung nicht im Voraus, dem ist alles egal. Der geht in eine Hotellobby und geht einfach fremd. Wer bei uns anruft, hat sich vorher oft ernsthaft Gedanken gemacht. Uns überhaupt anzurufen, kostet schon mal Überwindung. Und dann noch Geld für ein Alibi zu bezahlen, das ist nochmal eine zweite Hürde. Das macht ein typischer Seitenspringer nicht. Das war mir damals auch nicht bewusst.
Wer sind denn die Personen, die sie kontaktieren, weil sie ihrem Partner fremdgehen wollen?
Eiben: Wenn es um Fremdgehen oder Sex mit jemand anderem geht, dann geht es oft um das Ausleben von Fetischen. Das können zum Beispiel große Geschäftsmänner sein, die sich gerne windeln lassen. Und so etwas würden sie niemals ihren Ehefrauen erzählen. Zu Hause sind sie die großen Macher und Bosse, die zu uns kommen und sagen: „Ja, ich habe nun mal diesen Fetisch und zwischendurch gehe ich dann in mein Studio und lasse mich windeln. Das soll natürlich nie rauskommen“. Beim Thema Fremdgehen geht es eher um solche Geschichten.
Mit welchen Anfragen hat Ihre Alibi-Agentur aktuell besonders viel zu tun?
Eiben: Aktuell ist bei uns in der Agentur das Oktoberfest ein großes Thema, und wir sind schon seit einigen Wochen intensiv damit beschäftigt. Vielen Kunden, die unbedingt aufs Oktoberfest wollen, aber zum Beispiel vom Partner zu hören bekommen: „Nie im Leben darfst du da hin!“ – da helfen wir aus. Besonders, wenn es um geschäftliche Einladungen geht, die wir im Namen bayerischer Unternehmen verschicken. Solche Einladungen bieten oft den perfekten Vorwand, doch noch auf das Oktoberfest zu gehen.
Welche Services Ihrer Agentur sind besonders gefragt, wenn Sie nicht gerade mit den Oktoberfest-Alibis beschäftigt sind?
Eiben: Tatsächlich ist der Freiraummanager-Service am gefragtesten. Zu uns kommen Menschen, die einfach nur für einen Abend oder ein Wochenende ihre Ruhe haben wollen. Sie wollen sich aber zuhause nicht rechtfertigen oder erklären müssen, warum sie beispielsweise Alkohol getrunken haben, oder zu spät nach Hause gekommen sind. Zum Beispiel ist einer meiner Kunden Chirurg und kommt zuhause nach der Arbeit nicht zur Ruhe – Er hat zwei kleine Kinder und hilft im Haushalt mit. An einem Wochenende wollte er zu einer LAN-Party gehen, um seinen Kopf freizubekommen. Auch wenn seine Frau das sicherlich verstehen würde, hat er sich zu sehr geschämt, es ihr zu sagen. Und dann kommen wir ins Spiel und verschaffen ihm ein Alibi. Solche Geschichten kommen bei uns am häufigsten vor.
Wer sind Ihre Kunden? Lassen sich da in Bezug auf Geschlecht und Alter Tendenzen feststellen?
Eiben: Meine Kunden sind in der Regel zwischen Ende 20 und Ende 50, und das Geschlechterverhältnis ist ziemlich ausgeglichen. Obwohl ich ursprünglich mehr Männer erwartet hätte, zeigt unsere Erfahrung, dass sich sowohl Männer als auch Frauen etwa gleich häufig melden. Frauen wissen jedoch oft genauer, was sie von unserer Agentur wollen.
Gibt es Anfragen, die Sie niemals annehmen würden? Wo ziehen Sie die Grenze?
Eiben: Wir machen selbstverständlich nichts Illegales, und jeder unserer Mitarbeiter kann Aufträge ablehnen. Oft entscheidet das Bauchgefühl, besonders wenn der Anrufer widersprüchlich oder aggressiv wirkt. Einmal rief ein Mann an, dessen neue Freundin schwanger wurde, und wollte, dass wir in seinem Namen Schluss machen. Solche Gespräche übernehmen wir in der Regel oft, wenn jemand es selbst nicht schafft. Aber der Mann am Telefon war so unverschämt, dass ich ihm damals gesagt habe, er soll das bitte selbst erledigen. Grundsätzlich nehmen wir aber fast alles an. Wir beurteilen und verurteilen nicht. Das Thema Moral ist für uns gar nicht gegeben.
Apropos Moral: Was würden Sie jemandem sagen, der Ihre Dienstleistungen als unmoralisch empfindet?
Eiben: Ich war mal in einer Sendung mit einem Pastor zusammen, Herrn Dr. Schorlemmer – der Friedenspapst von Deutschland. In der Sendung habe ich von meinen Fällen erzählt und dann wurde er gefragt, was er als Pastor von unserer Agentur hält. Und er erteilte damals Absolution für das, was wir machen. Wir helfen Menschen. Wer bei uns diesen Job ein paar Wochen macht und ans Telefon geht, der wird das alles überdenken. Der wird einen ganz anderen Einblick in die Gesellschaft bekommen. Ich habe es damals eher moralisch bedenklich gefunden, wenn ich die Aufträge nicht angenommen hätte.
Sie sagten gerade, dass Sie Menschen helfen. Können Sie ein konkretes Beispiel aus Ihrer Arbeit nennen, bei dem das Lügen einem guten Zweck diente?
Eiben: Eine unserer Kundinnen – eine junge Frau aus Bayern – hatte das Problem, dass ihre Mutter große Zahnprobleme hatte, sich aber keinen Zahnarzt leisten konnte. Das Geld für die Behandlung wollte die Mutter von ihrer Tochter nicht annehmen, da sie sich geschämt hätte, und das hätte vermutlich zu einem Familienstreit geführt. Um ihr trotzdem zu helfen, haben wir dann falsche Rubbellose kreiert, die total echt aussahen, die man dann auch wirklich aufrubbeln konnte. Die Frau hat vier Lose gekauft, von denen eines einen manipulierten Gewinn von 2.000 Euro angezeigt hat. Unsere Kundin hat ihrer Mutter vorher versprochen, im Gewinnfall die Summe zu teilen. Und dann haben sie die Rubbellose aufgemacht und die Mutter unserer Kundin hat sich riesig gefreut. Sie weiß bis heute nicht, dass diese 1.000 Euro von ihrer Tochter kamen. Aber auf diesem Wege hat sie das Geld angenommen und ist dann zum Zahnarzt gegangen. Nach 25 Jahren voller Alibis und Lügen, welche Rolle spielt das Thema Vertrauen in Ihrem Privatleben?
Eiben: Ich persönlich bin ein ganz schlechter Lügner. Bei Leuten, die mich kennen, fliege ich immer auf. Aber sich für andere Menschen eine Geschichte auszudenken und dabei als eine Art Schauspieler aufzutreten, das ist etwas völlig anderes. Und auch was mein Vertrauen zu anderen angeht, hat mich hat dieser Job insofern beeinflusst, dass ich nichts mehr persönlich nehme.
Durchschauen Sie die Alibis Ihrer Freunde? Zum Beispiel, wenn jemand sich vor einer Verabredung drückt?
Wenn jemand kurzfristig absagt, denke ich, er hat seine Gründe und bin nicht beleidigt. Ich selbst bin dadurch auch deutlich direkter geworden. Ich sage, was mir nicht passt und habe eine klare Aussprache. Und Freunde wissen auch, dass sie mit mir über alles reden können. Ich bin ein gern gesehener Gesprächspartner, auch bei sehr intimen Themen.
Ist ein Alibi schon mal aufgeflogen? Wie stellen Sie sicher, dass das nicht passiert?
Eiben: Nicht, dass ich wüsste. Wir arbeiten ja mit echten Firmen zusammen, teils ehemaligen Kunden. Oft melden sich diese nach einem Auftrag, bedanken sich und erwähnen, dass sie eine Firma haben – eine Werbefirma, Tischlerei oder Ähnliches. Viele sagen dann: „Wenn ich mal helfen kann, sagen Sie Bescheid“. Mittlerweile haben wir über 400 Partnerfirmen und mehr als 3000 Schauspieler und Freiberufler. Wir arbeiten auch mit Detekteien und Experten aus allen Bereichen zusammen – so können wir sicherstellen, dass alles reibungslos verläuft. In 25 Jahren ist es also noch nie passiert, dass wegen uns etwas aufgeflogen ist. Anfangs war ich oft nervös, weil die Situationen so komplex waren. Ich dachte, das kann nicht gut gehen – ein Schauspieler sitzt bei den Eltern unserer Kundin und erzählt eine erfundene Geschichte. Aber es klappt jedes Mal dank unserer tollen Schauspieler.
Professionelle Schauspieler und echte Partnerfirmen – Das klingt teuer. Wie viel zahlen Ihre Kunden für Alibis?
Es gibt natürlich sehr aufwendige Sachen, die dann auch vierstellig, manchmal sogar fünfstellig kosten – etwa wenn Schauspieler vor Ort benötigt werden.
Und was ist die Günstigste Dienstleistung, die Sie anbieten?
Eiben: Die freien Abende und Wochenenden, die von uns mit echten Schreiben unterstützt werden, mit einer echten Nummer, wo jeder anrufen und nachfragen kann, das geht ab etwa 200-300 Euro los. Das günstigste Angebot wäre zum Beispiel ein fingiertes Telefonat oder eine Nachricht auf WhatsApp – das kann auch nur um die 100 Euro kosten.
Wenn Sie an Ihre Kunden aus Bayern denken, welcher Auftrag ist Ihnen im Gedächtnis geblieben?
Eiben: Ein Mann aus Bayern rief an und erzählte mir, dass seine Schwiegermutter seit Monaten bei ihm und seiner Frau wohnte, obwohl das nie so geplant war. Obwohl sie eine liebe Frau sei, belastete ihre Anwesenheit zunehmend die Privatsphäre, die Ehe und sogar das Sexleben des Paares. Unser Kunde war verzweifelt und fragte, was man tun könne. Nach einigem Überlegen haben wir eine kreative Lösung gefunden: Wir haben der Schwiegermutter einen Wochenendjob vermittelt – sie suchte ohnehin nach einem Nebenjob. Eine Partnerfirma in Bayern hat sie eingestellt, und das Gehalt wurde vom Auftraggeber übernommen. Die Schwiegermutter hat sich sehr über den Job gefreut, und unserem Kunden war es das Geld wert, da es ja in der Familie blieb. Vielleicht würde sie sich sogar etwas an den Haushaltskosten beteiligen, hat er gesagt. Aber am wichtigsten war ihm, dass er am Wochenende endlich wieder ein paar Stunden mit seiner Frau allein sein konnte.
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