Infektionswelle
Grippe oder Lungenentzündung? Darum erkranken derzeit so viele Kinder an Mykoplasmen

15.10.2024 | Stand 17.10.2024, 15:31 Uhr |

20 bis 30 Prozent aller Lungenentzündungen bei Kindern und Jugendlichen werden durch Mykoplasmen verursacht.  − Symbolbild: Annette Riedl, dpa

Immer häufiger stecken sich Kinder mit Mykoplasmen an und erkranken an einer Lungenentzündung. Die Symptome unterscheiden sich anfangs kaum von einer Erkältung. Wie der Keim übertragen wird, wie man sich davor schützen kann und wie Mykoplasmen behandelt werden – hier ist die Übersicht.

  

Definition: Was sind Mykoplasmen?



Mykoplasmen sind Bakterien mit einer Besonderheit: Sie haben keine Zellwand. Die Krux dabei: Viele Antibiotika wie Penicillin töten Bakterien, indem sie den Aufbau der Zellwand hemmen. Diese Medikamente können somit bei Mykoplasmen nicht richtig wirken.

Zudem gibt es verschiedene Formen der Erreger: „Mycoplasma genitalium“ übertragen Geschlechtskrankheiten, während „Mycoplasma pneumoniae“ Lungenentzündungen verursachen können. In diesen Fall spricht man auch von einer Mykoplasmen-Pneumonie oder einer atypischen Lungenentzündung.

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Symptome: Das sind die Anzeichen



Gerade wenn die kalte Jahreszeit bevorsteht, werden Anzeichen wie Husten, Schnupfen oder Heiserkeit schnell als Erkältung abgetan – vor allem bei Kindern. Doch genau diese Grippesymptome können Vorboten einer Lungenentzündung durch Mykoplasmen sein.

Dr. Monika Schatara, Oberärztin für den Bereich Infektiologie in der Kinderklinik Dritter Ordern in Passau, zählt leichtes Fieber, trockenen Husten, leichte Halsschmerzen und Kopfschmerzen als erste Symptome auf.

Risikogruppe: Wer kann sich anstecken?



Übertragen wird der Keim über eine Tröpfcheninfektion. Das heißt: Damit es nicht zu einer Infektion kommt, sollte Abstand zur erkrankten Person gehalten werden – gerade beim Niesen, Husten und Sprechen.

Vor allem Patienten mit einer Grunderkrankung der Lunge wie Bronchialasthma gehören laut Monika Schatara zur Risikogruppe. „Ebenso gefährdet sind die Patienten mit einer neurologischen Grunderkrankung, aber auch Menschen mit geschwächtem Immunsystem haben ein erhöhtes Risiko für eine schwere Infektion.“

Infektionsrate: Wieso grassiert die Krankheit aktuell so massiv?



Die Passauer Oberärztin bestätigt einen derzeitigen Anstieg der Mykoplasma-bedingten Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen – nicht nur in Deutschland. Laut Portal DocCheck sind 20 bis 30 Prozent aller Pneumonien bei jungen Menschen verursacht durch Mykoplasmen.

Das kann laut Monika Schatara verschiedene Gründe haben: „Eine nachlassende Herdenimmunität oder die Erscheinung neuer Subtypen sind für das periodische epidemische Auftreten verantwortlich.“ Während des Corona-Lockdowns sei es zu einem Rückgang vieler Infektionen gekommen. Daher die Vermutung der Oberärztin, dass durch die lange Abwesenheit der Krankheit die Herdimmunität abgenommen hat.

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Diagnose: So wird der Erreger getestet



Auch bei der Feststellung einer Mykoplama-bedingten Infektion werden Erinnerungen an die Pandemie geweckt. Mittels PCR-Test, also einem Nasen-Rachen-Abstrich, kann durch eine Untersuchung im Labor nach einigen Tagen eine Diagnose gestellt werden. „Ein ausführliches Gespräch, eine gründliche körperliche Untersuchung und eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs reichen nicht aus, um eine Lungenentzündung durch Mykoplasmen sicher nachzuweisen“, erklärt Monika Schatara.

Behandlung: Wie wird die Krankheit bekämpft?



„In der Regel heilt die Mykoplasmen-Pneumonie von alleine aus“, erklärt die Oberärztin an der Passauer Kinderklinik Dritter Orden. Wer allerdings auf Medikamente verzichten will, muss sich auf eine langwierige Heilung über drei bis vier Wochen einstellen.

Wie oben beschrieben, können Mykoplasmen aufgrund ihres Aufbaus Penicillinen trotzen. Daher werden die Pneumonien durch Antibiotika mit anderen Wirkstoffen behandelt. Bei der Einnahme geeigneter Anitkbitika „tritt oft schon nach einer Woche eine spürbare Besserung ein“, fügt Schatara an.

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Inkubationszeit: Wann bricht die Krankheit aus?



Als Inkubationszeit versteht man den Zeitraum vom Eindringen des Erregers in den Körper bis zum Ausbruch der Krankheit. Im Falle einer Mykoplasmen-Pneumonie beträgt diese Spanne laut Fachportal DocCheck zirka eine bis drei Wochen. In dieser Zeit kann es zu ersten grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Kopf- sowie Halsschmerzen oder Reizhusten kommen. Epidemien können alle ein bis drei Jahre auftreten, informiert Monika Schatara.

Spätfolgen: Wie lange zehren die Bakterien an der Gesundheit?



Die Mykoplasmen-Pneumonie ist nach Angaben der Oberärztin in den meisten Fällen weniger ernst als die am häufigsten vorkommende Lungenentzündung, die durch Pneumokokken oder Streptokokken verursacht wird.

Die Beschwerden seien nur mäßig ausgeprägt und „die allermeisten Infizierten werden wieder völlig gesund“. Äußerst selten könne es zu Komplikationen kommen, allerdings meist bei Patienten mit Vorerkrankungen.

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