Magdeburg
Polizei erwischt 3100 Handysünder am Lenkrad

20.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:38 Uhr
Ein Polizist hält einen Autofahrer an, der während der Fahrt telefoniert hat. −Foto: Roland Weihrauch

Wer kennt die Versuchung nicht: Das Handy piept auf dem Beifahrersitz und man will wissen, wer geschrieben hat. Doch dieser Versuchung sollten Autofahrer lieber widerstehen. Warum? Das macht die Polizei bei bundesweiten Aktionen klar - und bestraft die Sünder.

Mitten auf dem Gehweg liegt ein langer gelber Teppich. Er ist 14 Meter lang und markiert den Weg, den ein Auto bei Tempo 50 pro Sekunde zurücklegt. Eine Sekunde, in der der Fahrer blind fährt, wenn er auf seinem Mobiltelefon tippt, statt auf die Straße zu schauen.

Ein unterschätztes Risiko, mahnte der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht (CDU). „Keine Nachricht dieser Welt ist es wert, dass man dafür sich und andere in große Gefahr bringt.“ Das ist die Botschaft, die am Donnerstag gut 11.000 Polizisten bundesweit bei Kontrollen und Infoaktionen unter die Menschen bringen wollten.

Zum ersten Mal organisierten die Sicherheitsbehörden mit dem amtierenden Chef der Innenministerkonferenz, Stahlknecht, und der Hochschule der Polizei den Aktionstag „Sicher. Mobil. Leben.“. Mehr als 3000 Kontrollen und Aktionen gab es seit den frühen Morgenstunden an Straßen, in Schulen und in Fußgängerzonen. Zum Beispiel mit bunten Blindflug-Teppichen wie in Wuppertal, mit einem Überschlagssimulator in Magdeburg oder mit einem Kettcar-Parcours in Göttingen. Teilnehmer sollten dort die Strecke abfahren, Schilder lesen und das Gelesene ins Handy tippen. Jeder Vierte fiel durch.

Mehr als 9400 Menschen wurden bis Donnerstagmittag von den Infoaktionen erreicht. Doch nicht nur spielerisch, sondern auch ganz klassisch griff die Polizei durch. Allein in den ersten sechs Stunden erwischten die Beamten am Donnerstag bei der Kontrolle von mehr als 51.000 Lastwagen-, Auto- und Radfahrern fast 3100 Handysünder am Steuer oder Lenker.

„Ich habe befürchtet, dass die Zahl so hoch sein wird“, sagte Stahlknecht bei der Zwischenbilanz am Nachmittag in Magdeburg. „Weil es sich eingebürgert hat, jederzeit erreichbar sein zu wollen.“ Daher sei es richtig gewesen, den Aktionstag unter das Thema Ablenkung zu stellen. Jahrelang habe man vor Rasen und Alkohol am Steuer als Unfallrisiko gewarnt - die ebenso große Gefahr mangelnder Aufmerksamkeit aber nicht erwähnt. Die Gesamtbilanz des Aktionstages soll am Freitag bekanntgegeben werden.

Die Erkenntnisse der Verkehrswissenschaftler sind alarmierend. Wer beim Fahren auf sein Handy statt auf die Straße guckt, agiert, als würde er mit 0,8 bis 1,0 Promille Alkohol im Blut fahren, rechnete Stahlknecht vor. Tippend am Lenkrad lege man meterlange Wege blind zurück und reagiere verzögert. Manche Infokampagne fasst es so zusammen: Tippen tötet.

Wie oft Handy, Navi und Co. zu Unfällen führen, wird in Deutschland derzeit statistisch nicht erfasst, sagte Verkehrsexperte Heinz Albert Stumpen von der Hochschule der Polizei in Münster. Niedersachsen lässt das in einer einjährigen Studie gerade untersuchen. Österreich hingegen erhebe diese Ursache seit Jahren, sagte Stumpen, dort gebe es einen rasanten Anstieg von Fällen, in denen die Ablenkung durch elektronische Geräte mitverantwortlich für Unfälle sei. Bei jedem dritten tödlichen Unfall spiele Ablenkung eine Rolle.

Mit nur einem Schwerpunkttag lasse sich die Entwicklung zu mehr Techniknutzung im Straßenverkehr kaum umkehren, aber das Thema komme in die Köpfe, sagte Stumpen. „Es gibt niemanden, der nicht weiß, dass man innerorts nicht schneller als 50 fahren darf, aber was man mit dem Handy machen darf, wissen viele nicht und vor allem wissen viele nicht, wie gefährlich das ist.“

Teuer ist es im Übrigen auch: Seit Herbst vorigen Jahres müssen Handysünder am Steuer deutlich mehr Bußgeld berappen: Statt 60 Euro und einem Punkt belasten 100 Euro und ein Punkt die Geldbörse und das Verkehrskonto in Flensburg. Auch Radfahrer sind nicht von Strafe frei: Sie müssen statt 25 Euro inzwischen 55 Euro hinblättern, wenn mit dem Handy auf dem Rad erwischt werden.

dpa