Ingolstadt
„Wir konnten nicht laufen, weil das Beben es nicht zuließ“

Wie zwei Ingolstädter das Erdbeben in Indonesien erlebten

08.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:55 Uhr
Die Ingolstädter flüchteten sich aus Angst vor einem Tsunami auf die Spitze des Hügels auf Gili Trawangan. −Foto: Schmidt

Ingolstadt / Lombok (DK) Hunderte flohen aus ihren Häusern, der Strom fiel aus, viele Menschen haben ihr Zuhause verloren. Durch das Erdbeben der Stärke 6,9 am 5. August auf der indonesischen Ferieninsel Lombok wurde der Urlaub für die Menschen zu einer schlimmen Erinnerung.

Alexander Schmidt aus Ingolstadt befand sich gemeinsam mit seiner Freundin auf der Nachbarinsel Gili Trawangan. Ihre Erlebnisse vor, während und nach dem Erdbeben hat Alexander Schmidt für uns niedergeschrieben. Eine Geschichte über Flucht, Todesangst und Hilflosigkeit.

Der Beginn der Reise

„Am 27. Juli begann unser Urlaub und wir stiegen in den Flieger nach Bali, um von dort auf die Nachbarinsel Lombok weiterzureisen. Während des neunstündigen Zwischenstopps auf Bali bemerkten wir in den Morgenstunden bereits ein leichtes Erdbeben. Zu diesem Zeitpunkt dachten wir uns noch nichts dabei. Kurze Zeit später kamen wir im Süden von Lombok an. Die Bewohner der Insel waren zu unserer Beruhigung alle sehr entspannt, keiner erwähnte das Erdbeben der vergangenen Woche. Am 5. August fuhren wir weiter auf die Insel Gili Trawangan, eine der drei kleinen Gili Inseln neben Lombok. Der erste Tag fing wunderschön an - wir verbrachten ihn an einem Hotel direkt am Strand in der Nähe des Hafens der Insel. Am Abend gegen 18 Uhr entschied ich mich, einmal um die Insel zu joggen, um 19 Uhr kehrte ich zurück zum Hotel, um mich frisch zu machen. Meine Freundin und ich wollten den Abend mit einem gemütlichen Abendessen auf dem Nachtmarkt ausklingen lassen.“ 
 

Die Erde bebt

„Um 19.30 Uhr kamen wir am Nachtmarkt an und setzten uns nach draußen, um dort zu Abend zu essen. Kurz nach dem ersten Happen bemerkten wir plötzlich einen heftigen Wind und ein leichtes Wackeln der Erde. Im nächsten Moment fing die Erde an, stark zu beben. Wir sprangen panisch auf und wollten weglaufen, aber das Beben verhinderte jegliche Bewegung. Das Ganze dauerte sieben bis zehn Sekunden.“

Die Flucht auf den Hügel

„Aus Angst vor einem Tsunami liefen wir instinktiv zum Hügel der Insel, als das Beben nachließ. Dunkelheit brach über uns herein, da die gesamte Elektrizität ausfiel. Wir liefen an eingestürzten Häusern und Mauern vorbei. Die Menschen gerieten in Panik, aus allen Ecken hörten wir Leute schreien. Ein Geschehen wird wohl nie aus unserer Erinnerung verschwinden - während unserer Flucht sahen wir eine Mutter, die schreiend ihr lebloses Kind in den Armen hielt. Auf dem Weg zur Spitze verloren wir unsere Schuhe und mussten durch einen Wald laufen. Wir fielen öfters hin, zu unserem Glück verletzten wir uns dabei nur oberflächlich.

Da wir bereits zum vierten mal auf der Gili Insel Urlaub machten, kennen wir uns sehr gut aus und kamen daher als eine der Ersten auf der Spitze des Hügels an. Starke Nachbeben erschütterten die Insel immer wieder und die Angst vor einem Tsunami wuchs. Als plötzlich eine Massenpanik ausbrach und die Menschen unterhalb des Hügels zu schreien begannen, flüchteten wir uns auf einen Baum. Jeder vermutete einen Tsunami, der die Insel in wenigen Minuten erreichen würde. Die Sorge war glücklicherweise unbegründet, dennoch ließ sich die Situation aufgrund der Dunkelheit nur schwer einschätzen.“

Die Nacht und der Morgen nach dem Erdbeben

„In der Nacht zum Montag lernten wir vier Holländer kennen, mit denen wir die Nacht bis zur Evakuierung verbrachten. Die Nacht war schrecklich, da die Temperaturen sehr niedrig waren und wir immer wieder Nachbeben zu spüren bekamen. Als am Morgen die Sonne aufging, gingen wir den Berg hinunter, um unsere Reisepässe zu holen. Was wir dort sahen, ähnelte einem Kriegsgebiet.

Die Insel wurde vollständig zerstört. Mit unseren Reisepässen gingen wir dann zum Hafen, wo sich bereits tausende Menschen eingefunden hatten. Eine Stunde später traf ein erneutes Erdbeben die Insel. Aus Angst vor einer Massenpanik entschieden wir uns, in den Süden der Insel zu gehen, um uns von der Menschenmasse zu entfernen. Im Süden angekommen wurden wir in einem Hotel von einem Australier aufgenommen, der uns mit Wasser und Nahrung versorgte. Doch wie sollte es jetzt weitergehen?“

Der lange Weg zur Evakuierung

„Von der Marine bekamen wir keinerlei Informationen. Also riefen wir im Konsulat von Bali an. Uns wurde mitgeteilt, dass die offizielle Evakuierung nach Lombok vollzogen werde. Einheimische sagten uns jedoch, die Wege zum Flughafen seien beschädigt, also versuchten wir, einen Hubschrauber zu bekommen. Dieser war allerdings erst ab Mittwoch verfügbar.

Gegen 15 Uhr trafen große Fähren im Hafen von Gili Trawangan ein. Auch der erneute Anruf im Konsulat von Bali brachte kein Ergebnis, da die Indonesier nur schlecht über eine Rettungsaktion informierten. Gegen 16 Uhr gingen wir erneut zum Hafen, um uns Informationen bezüglich der Fähren nach Bali einzuholen. Um 22.45 Uhr wurden wir endlich auf die Fähre gebracht, um 23.50 Uhr bebte die Erde zwischen Gili Trawangan und Gili Meno erneut.“

Der Rückblick auf die Katastrophe

„Wir wissen von Freunden, dass diese aufgrund der sehr langsam voranschreitenden Rettungsaktion noch immer auf Gili Trawangan festsitzen. Wir kämpften in der Nacht von Sonntag auf Montag um unser Leben und fühlten uns von den indonesischen Behörden im Stich gelassen. Es lässt sich nicht in Worte fassen, was die Leute dort durchgemacht haben und nach wie vor durchmachen müssen. Nun sind wir in Dubai, weil unser einziger Wunsch war, die Insel Lombok zu verlassen. Morgen früh landen wir in München. An dieser Stelle haben wir an Leser dieses Erfahrungsberichtes ein Anliegen: Wir raten dazu, vor einer Reise in Erdbebengebiete wie Bali und Lombok einen Plan zu überlegen, wohin man im Falle eines Bebens flüchten kann und sollte. Das Wichtigste ist, auch in einer Notlage Ruhe zu bewahren und sich nicht der Massenpanik anzuschließen.“