Fahrermangel im Führerhaus

Migranten könnten die angespannte Lage entschärfen, dafür braucht es jedoch politische Lösungen

06.12.2019 | Stand 23.09.2023, 9:47 Uhr
Zeit für ein Gespräch mit Kollegen haben die Lkw-Fahrer bei einem Stau auf der A3. In Bayern fehlen aktuell 4000 bis 5000 Lastwagenfahrer. −Foto: Dedert, dpa/LBO/LBT

München - Busunternehmen und Spediteure in Bayern suchen händeringend nach Fahrern.

"1000 Fahrer und mehr könnten in Bayern sofort eingestellt werden", sagt Stephan Rabl (links), Geschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Omnibusunternehmen (LBO). In der bayerischen Lkw-Branche ist die Personalsituation noch dramatischer. Hier werden derzeit sogar 4000 bis 5000 Fahrer gesucht, so Sebastian Lechner (rechts), Geschäftsführer des Landesverbandes Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT).

Der Hauptgrund für den Fahrermangel sind die hohen Kosten für den Führerschein. Der Lkw-Schein koste zwischen 6000 und 8000 Euro, erklärt Lechner. Beim Bus seien es laut Rabl sogar 10000 bis 12000 Euro. Es fallen hohe Gebühren für die Anmeldung, für Theorie- und Praxisstunden sowie für Prüfungen an. Rabl kritisiert, der Busführerschein sei "schwer finanzierbar". Die bayerischen Busunternehmen seien überwiegend kleinere mittelständische Betriebe, trotzdem wären laut Rabl viele bereit, den Schein für neue Mitarbeiten zu kofinanzieren oder die Kosten sogar vollständig zu übernehmen. Vorausgesetzt der neue Fahrer bindet sich für eine bestimmte Zeit an das Unternehmen. Viele Fahrer ließen sich von anderen Branchen abwerben, bedauert Rabl. "In der Industrie verdient man deutlich mehr als als Busfahrer", räumt er ein.

Die beiden Geschäftsführer mahnen, dass der Fahrermangel in den nächsten Jahren sogar noch weiter zunehmen werde. Lechner: "Die Babyboomer gehen in Rente, aber die Wirtschaft hat einen gleichbleibenden Bedarf an Fachkräften. " Hart getroffen hat die Transportunternehmen auch die Abschaffung der Wehrpflicht. Früher haben viele Männer während ihrer Zeit bei der Bundeswehr den Führerschein für Busse oder Lastwagen gemacht. Jetzt müssen die Firmen selbst aktiv werden und um Nachwuchskräfte werben.

Das ist gar nicht so einfach, denn die meisten Schüler sind erst 16 Jahre alt, wenn sie ihren Abschluss in der Tasche haben. Lastwagen fahren darf man aber frühestens mit 18 Jahren und Bus zum Teil erst mit 21. Zwar kann man eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer machen, aber hinters Lenkrad darf man trotzdem nicht, bevor man volljährig ist. Lechner spricht sich deshalb dafür aus, auch beim Lastwagen ein begleitendes Fahren ab 17 Jahren zu ermöglichen. "So können sich junge Fahrer früher an den Lkw gewöhnen und die Berufsausbildung wird attraktiver. "

Die Attraktivität des Jobs als Fahrer ist in der Speditionsbranche ein großes Problem. Man ist ständig unterwegs, steht im Stau und verbringt oft die Nacht auf Raststätten. Um als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, rät Lechner den Logistikunternehmen, ihre Fahrerlöhne zu erhöhen und für möglichst geregelte Arbeitszeiten zu sorgen. Der LBT-Geschäftsführer sagt, viele bayerische Transportbetriebe ziehen sich aus dem Fernverkehr zurück und nehmen nur noch Aufträge im Umkreis von 100 bis 150 Kilometern an. So stellen sie sicher, dass ihre Fahrer abends im eigenen Bett schlafen können.

Lechner sieht auch Chancen in der Migration. Die Führerscheinprüfung kann in zwölf verschiedenen Sprachen abgelegt werden, darunter auch Arabisch, Russisch und Rumänisch. Das Problem ist jedoch die seit 2009 zusätzlich vorgeschriebene Grundqualifikation für Berufskraftfahrer. Eine Prüfung, die bei der Industrie- und Handelskammer auf deutsch abgelegt werden muss. Sie umfasst unter anderem Kenntnisse über Lenk- und Ruhezeiten, Ladungssicherung sowie das Güterkraftverkehrsrecht. Rabl ist der Meinung, dass ausländische Arbeitskräfte auch im Busgewerbe den Fahrermangel entschärfen könnten. Allerdings sei es derzeit schwierig, Personal aus Ländern außerhalb der EU zu rekrutieren, weil der Beruf des Busfahrers bei der Bundesagentur für Arbeit derzeit nicht als Mangelberuf gelte. Um diesen Status zu bekommen, sei es entscheidend, dass jedes Busunternehmen seine offenen Stellen der Agentur melde, erklärt Rabl. Derzeit tun einige Betriebe das nicht. Rabls Begründung: Die Branche sei geprägt von kleinen Unternehmen, die jeweils einen oder zwei Fahrer suchten und den bürokratischen Aufwand scheuten.

Rabl fordert auch ein Entgegenkommen der Politik bei der Anerkennung ausländischer Führerscheine. Um die Klimaziele zu erreichen und den Verkehr zu entlasten, soll der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden. Wie das ohne Busfahrer gehen soll, ist Rabl ein Rätsel.

DK


 

Bianca Hofmann