Schutz mit Tücken
Experten kritisieren FFP2-Maskenpflicht - Risiken für Einzelne

28.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:43 Uhr
In Bussen und Bahnen sind FFP2-Masken nun Pflicht. Da es sich damit aber schwerer atmen lässt, steht die Maßnahme teils in der Kritik. −Foto: Soeder, dpa

Seit kurzem sind FFP2-Masken im ÖPNV und in Geschäften Pflicht. Doch mit den Masken geht nicht nur besserer Schutz einher - das Tragen birgt laut Experten auch Risiken.Sie ist das neue Allheilmittel in der Corona-Krise: die FFP2-Maske. Seit Montag drohen den Menschen im Freistaat sogar Bußgelder, wenn sie die Schutzausrüstung im öffentlichen Nahverkehr oder im Einzelhandel nicht tragen. 250 Euro Strafe werden dann fällig. Doch so wirksam die Maske im Kampf gegen das Virus auch ist, Experten geben für bestimmte Risikogruppen zu Bedenken: "Beim Einsatz bei Personen mit zum Beispiel eingeschränkter Lungenfunktion oder älteren Personen sind gesundheitliche Auswirkungen nicht auszuschließen", heißt es etwa in einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) und der Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP). Das Gesundheitsministerium erklärt dazu auf PNP-Anfrage: "Eine medizinische Voruntersuchung zum Tragen von FFP2-Masken ist im Privatbereich weder vorgesehen noch geboten."

Seit kurzem sind FFP2-Masken im ÖPNV und in Geschäften Pflicht. Doch mit den Masken geht nicht nur besserer Schutz einher - das Tragen birgt laut Experten auch Risiken.

Sie ist das neue Allheilmittel in der Corona-Krise: die FFP2-Maske. Seit Montag drohen den Menschen im Freistaat sogar Bußgelder, wenn sie die Schutzausrüstung im öffentlichen Nahverkehr oder im Einzelhandel nicht tragen. 250 Euro Strafe werden dann fällig. Doch so wirksam die Maske im Kampf gegen das Virus auch ist, birgt sie für bestimmte Menschen doch auch Risiken: "Beim Einsatz bei Personen mit zum Beispiel eingeschränkter Lungenfunktion oder älteren Personen sind gesundheitliche Auswirkungen nicht auszuschließen", heißt es etwa in einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) und der Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP). Und die Verbände gehören nicht zu den einzigen Kritikern.

So sprach sich kürzlich auch Christoph Spinner, Infektiologe an der TU München, in verschiedenen Medien gegen eine FFP2-Maskenpflicht aus. Weil das Atmen mit der FFP2-Maske deutlich schwerer falle, sei sie im Grunde nur für gesunde Menschen geeignet. Und selbst Menschen ohne gesundheitliche Probleme müssten bei FFP2-Masken regelmäßig Trage-Pausen einlegen.

Das betonen übrigens auch DGKH und GHUP mit Blick auf Empfehlungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. "Gemäß Vorgaben des Arbeitsschutzes ist die durchgehende Tragedauer von FFP2-Masken bei gesunden Menschen begrenzt (in der Regel 75 Minuten mit folgender 30-minütiger Pause), um die Belastung des Arbeitnehmers durch den erhöhten Atemwiderstand zu minimieren." Und nicht nur das. Ist das Tragen einer FFP2-Maske bei medizinischem Personal notwendig, "muss eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung im Voraus angeboten werden, um durch den erhöhten Atemwiderstand entstehende Risiken für den individuellen Anwender medizinisch zu bewerten", schreiben DGKH und GHUP.

Ministerium betont die nur geringe Tragedauer

All das scheint bei der Anwendung durch die Bürger - die beim Einkaufen oder beim Fahren mit der Bahn freilich keiner Arbeit nachgehen - aber keine Rolle zu spielen. Das Gesundheitsministerium erklärt dazu auf PNP-Anfrage: "Eine medizinische Voruntersuchung zum Tragen von FFP2-Masken ist im Privatbereich weder vorgesehen noch geboten." Dazu seien die Tragezeiten der Maske beim Einkaufen oder im ÖPNV schlicht zu kurz. "Sowohl der gegebenenfalls erhöhte Atemwiderstand als auch die aus dem Arbeitsschutz bekannte Begrenzung der Tragedauer spielen hier eine nur untergeordnete Rolle." Zudem betont das Ministerium die Möglichkeit von Ausnahmen von der Maskenpflicht. "Und klar ist auch: Menschen mit gesundheitlichen Problemen, wie z. B. die vom RKI erwähnten Personen mit eingeschränkter Lungenfunktion, können sich über ein ärztliches Attest von der Maskenpflicht befreien lassen."

Auf die Frage, wie die FFP2-Maskenpflicht bei Gottesdiensten vorgeschrieben werden kann, die häufig gerade von älteren Menschen besucht werden und bis zu 45 Minuten dauern können, gibt es vom Ministerium keine Antwort. Es betont aber: "Bei gesundheitlichen Bedenken zum Tragen von FFP2-Masken kann im Einzelfall ggf. eine individuelle ärztliche Beratung sinnvoll sein."

RKI warnt vor falscher Nutzung

Doch nicht nur die gesundheitliche Perspektive sorgt bei der verschärften Maskenpflicht für Kritik. Bis vor kurzem hat auch das Robert-Koch-Institut (RKI) noch das Tragen von FFP2-Masken für Privatleute nur unter "sorgfältiger Abwägung von potenziellem Nutzen und unerwünschten Risiken" empfohlen. Der Grund: Laien könnten die Maske schlicht falsch benutzen. "Der Schutzeffekt der FFP2-Maske ist nur dann umfassend gewährleistet, wenn sie durchgehend und dicht sitzend (das heißt passend zum Gesicht und abschließend auf der Haut) getragen wird", schreiben DGKH und GHUP dazu und kommen zum Schluss: "Bei der Anwendung durch Laien ist ein Eigenschutz über den Effekt eines korrekt getragenen Mund-Nasenschutzes (MNS) hinaus daher nicht zwangsläufig gegeben."

Ähnliches erklärte jüngst auch Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie am Helmholtz Zentrum München und Leiterin des Instituts für Virologie der TU München, gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Denn laut Protzer filtert eine FFP2-Masken theoretisch mindestens 94 Prozent aller Aerosole aus der Luft - aber nur, wenn diese seitlich dicht anliegt. Ist bei Männern etwa der Bart im Weg, ist auch der Effekt dahin. In diesem Fall würden sogar OP-Masken besser wirken.

Juristischer Rückenwind für Maskenpflicht

Und offenbar hat selbst medizinisches Personal Probleme beim richtigen Tragen der FFP2-Masken, wie DGKH und GHUP schreiben: "Es gibt zunehmend Hinweise, dass auch in Krankenhäusern und Pflegeheimen im Zusammenhang mit Ausbrüchen trotz Wechsel von MNS auf FFP2/KN95 Übertragungen stattfinden." Etwa wegen nicht korrektem Tragen, hohen Leckagen durch fehlende Gesichtsanpassung oder einem fehlerhaftem Umgang mit der Maske beim An- und Ausziehen.

Indes gab es am Dienstag noch juristischen Rückenwind für die FFP2-Maskenpflicht, wie das Gesundheitsministerium der PNP erklärt. "Abschließend dürfen wir auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) (...) hinweisen, in der die Rechtmäßigkeit der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung in FFP2-Qualität beim Einkaufen oder bei der Benutzung von Verkehrsmitteln des Öffentlichen Personennahverkehrs einstweilen bestätigt wurde." Das VGH begründet dies unter anderem mit der geringen Tragedauer: So seien Gesundheitsgefährdungen "insbesondere wegen der regelmäßig begrenzten zeitlichen Tragedauer nicht zu erwarten".

Oliver Glombitza