Das Comeback der alten Körner

30.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:23 Uhr
Unempfindlich gegenüber Blattkrankheiten sind Emmer und Dinkel: Comburger (Dinkel), Oberkulmer Rotkorn (Dinkel), Weißer Emmer und Schwarzer Emmer (von links). −Foto: Trattner

Jahrzehntelang waren sie in Vergessenheit geraten, nahezu gänzlich von den Feldern verschwunden. Seit einigen Jahren feiern alte Getreidesorten wie Dinkel und Emmer jedoch ein Comeback und werden bei den Verbrauchern immer beliebter. Das Kloster Plankstetten setzt als Biobetrieb ebenfalls auf altes Korn.

Riedenburg (DK) Sie gelten als nachhaltiger, gesünder und schmackhafter: alte Getreidesorten wie Dinkel oder Emmer. "Vor sieben oder acht Jahren war ein Dinkelfeld noch eine Besonderheit, heutzutage wird Dinkel in den meisten Regionen Bayerns angebaut", sagt Martin Fischer, der verantwortliche Pflanzenbauer im landwirtschaftlichen Betrieb des Klosters Plankstetten. Bei einem Besuch des DONAUKURIER auf dem Biobetrieb gibt er einen Einblick in die landwirtschaftlichen Besonderheiten, die mit dem Anbau dieser Getreidesorten einhergehen. Auf dem Staudenhof etwa werden auf rund 150 Hektar Anbaufläche neben herkömmlichen Getreidesorten wie Weizen, Roggen und Gerste seit gut 20 Jahren verstärkt alte Getreidesorten angebaut. "Auf knapp 20 Prozent unserer Anbaufläche haben wir dieses Jahr je zwei Sorten Dinkel und Emmer angebaut", erzählt der Agraringenieur. Das Getreide diene der Herstellung von Back- und Brauereierzeugnissen.

Warum gerade die ökologische Landwirtschaft auf diese Getreidesorten setzt, weiß Fischer zu begründen: Es handelt sich um Spelzgetreide, dessen Korn von einer schützenden Hülle umgeben ist - der sogenannten Spelze. Diese speichert und reguliert die Feuchtigkeit des Saatkorns und schützt vor Krankheiten. Außerdem sei gerade Emmer generell unempfindlich gegenüber Blattkrankheiten. "Dieses Jahr hatten wir beispielsweise einen feuchtwarmen April. Für den Gelbrost sind das ideale Entwicklungsbedingungen. Unser Emmer hat diese Pilzausbreitung allerdings gut verkraftet", freut er sich. Die Robustheit dieser Getreidesorten sei gerade für den ökologische Landbau wichtig, denn der Einsatz von chemischen Spritzmitteln ist den Biobauern gänzlich untersagt.

Ein weiterer Vorteil der alten Getreidesorten sei, dass viele auch auf kargen und nährstoffarmen Böden gedeihen können. "Lediglich die Standortwahl ist ausschlaggebend: Tallagen sollten gemieden, Höhenzüge bevorzugt werden." Beim Aussäen sei allerdings Fingerspitzengefühl gefragt, denn das Saatgut müsse unbeschädigt im Spelz durch die Sämaschine gebracht werden. Auch das Thema Düngung erfordere Expertise: "Zu viel Düngung führt zu Qualitätsverlusten, zu wenig zu Ertragsminderung", weiß der Pflanzenbauer aus jahrelanger Erfahrung.

Dem anspruchslosen Anbau und der Robustheit gegenüber steht jedoch die geringere Ertragserwartung der Urgetreidesorten. "Gegenüber dem Weizenertrag liegt der Ertrag von Emmer bei ungefähr einem Drittel." Außerdem ist nach der Ernte ein weiterer Arbeitsschritt bei den Spelzgetreiden erforderlich: Während Weizen nach dem Dreschen als Korn aus dem Mähdrescher kommt, kommen Dinkel- und Emmerkörner in ihrer schützenden Hülle heraus. Bevor das Getreide weiterverarbeitet werden kann, muss es erst entspelzt werden. Der geringere Ertrag und der zusätzliche Arbeitsaufwand führen somit zu einem erhöhten Preisniveau.

Das Thema Naturbelassenheit ist für den Biobetrieb ein wichtiges Thema und somit wird ein besonderes Augenmerk auf die züchterische Bearbeitung der Saatkörner gelegt: "Die Einkreuzung von anderen Getreidesorten wie beispielsweise Weizen steigert zwar den Ertrag, bringt aber auch andere Inhaltsstoffe mit sich. Wir bevorzugen daher ursprüngliche, ungekreuzte Sorten", betont der 36-Jährige. Vom Grundsatz her sieht er den züchterischen Fortschritt jedoch positiv, solange die "Züchter ihre Grenzen kennen und wahren". "Hätten wir uns jeglichem Fortschritt verwehrt, würden wir immer noch mit dem Pferdegespann pflügen", sagt er mit einem Schmunzeln. Beim ökologischen Landbau stehe allerdings das Entscheidungskriterium Pflanzengesundheit im Vordergrund, nicht der Ertrag.

Für die alten Getreidesorten sieht Fischer vor allem im Biobereich großes Potenzial. "Kunden, die bewusst biologische Erzeugnisse kaufen wollen, sind bereit, mehr dafür zu bezahlen." Gerade Emmer sei noch in besonders ursprünglicher Form erhältlich: "Die Nachfrage nach Emmer ist aktuell noch zu gering, als dass große Züchter in eine verstärkte Bearbeitung investieren." Ein Geheimtipp also für diejenigen, die Wert auf Naturbelassenheit, Ursprünglichkeit und authentischen Geschmack legen.

 

 

 

„Urgetreide ist besonders wertvoll und geschmacklich interessant“

Das Riedenburger Brauhaus braut seit 25 Jahren rein ökologisch und setzt neben herkömmlichen Getreidesorten auch auf altes Korn. Geschäftsführer Maximilian Krieger erklärt, warum auf Urgetreide basierende Getränke so beliebt bei den Käufern sind.

Herr Krieger, mit welchen Urgetreidesorten arbeiten Sie in Ihrer Brauerei?
Maximilian Krieger: Wir verbrauen Einkorn, Emmer und Dinkel und stellen damit eine Vielzahl unserer Bier- und Limonadensorten her.

Wann haben Sie erstmals mit einer alten Sorte gebraut?
Krieger: Bereits Ende der 1990er-Jahre haben wir angefangen, mit Dinkel zu brauen. Einer unserer Vertragsbauern hatte eine Weizenunverträglichkeit und hat nach alternativen Sorten gesucht. Er hat gemerkt, dass alte, ungekreuzte Getreidesorten besser verträglich sind. Diese Erfahrung haben wir als Anlass genommen, selbst mit alten Getreidesorten zu experimentieren. 

Urgetreide ist generell teurer als herkömmliches Getreide. Was macht dessen Einsatz trotzdem so interessant für Sie?
Krieger: Urgetreidesorten kosten tatsächlich teilweise das Zwei- bis Dreifache von herkömmlichem Getreide. Allerdings können wir mit diesen ursprünglichen Sorten ein besonderes Bier brauen. Vor allem Emmer und Dinkel machen die Biere geschmacklich interessant. 

Abgesehen vom Geschmack, welche Besonderheiten bringen die Urgetreidesorten mit sich?
Krieger: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Urgetreide verträglicher als herkömmliches Getreide ist – vor allem die alten, ungekreuzten Sorten. Vor einigen Jahren haben wir einmal die Dinkelsorte gewechselt und eine neuere probiert. Sofort haben sich Kunden gemeldet, weil sie das Bier nicht mehr vertragen haben. Nach der Umstellung auf die alte Sorte waren die Unverträglichkeiten verschwunden.

Wie kommen die Urgetreide-Biersorten bei den Kunden an?
Krieger: Grundsätzlich sehr gut. Bei den Bierverkostungen sind das Einkorn- und Emmerbier meist die Favoriten. Das schlägt sich auf den Verkauf nieder: Das Emmerbier ist unser meistverkauftes Bier.

Was zeichnet Urgetreide-Biersorten aus?
Krieger: Die alten Getreidesorten haben einen höheren Eiweißgehalt. Die Biere sind somit milder, laufen besser die Kehle runter. 

Gibt es Besonderheiten beim Brauverfahren?
Krieger: Nein, das Brauen funktioniert ganz normal, weil die Spelze – also die schützende Hülle, die das Korn umgibt – im Vorfeld entfernt wird. Allerdings ist es schon passiert, dass wir Getreide erhalten haben, das beim Spelzen beschädigt wurde. Das ist für den Brauvorgang untauglich, weil die Keimfähigkeit nicht eingeschränkt sein darf.

Gibt es hinsichtlich des Reinheitsgebots Einschränkungen beim Einsatz von Urgetreidesorten?
 Krieger: Der Einsatz dieser Getreidesorten selbst ist unproblematisch, die Brauweise allerdings ist vorgeschrieben: Diese Biere dürfen nur obergärig gebraut werden.

Warum brauen Sie sogar Ihre Bio-Limonaden mithilfe von Dinkel?
Krieger: Uns ist es wichtig, hochwertige Lebensmittel herzustellen. Eine herkömmliche Limo ist lediglich eine Mischung aus mehreren Inhaltsstoffen. Wir brauen mit Dinkelmalz einen Sud, versetzen diesen mit Milchsäurebakterien und würzen mit Agave und Fruchtsäften. Dinkel ist ein besonders wertvolles Getreide und verleiht außerdem einen malzig-kernigen Geschmack. 

Ist es schwierig, Urgetreide-Lieferanten in der Region zu finden?
 Krieger: 2004 haben wir tatsächlich den gesamten Bio-Emmerertrag in ganz Deutschland aufgekauft und mussten sogar aus Südtirol zukaufen. Heute ist die Situation viel entspannter, denn wir haben Bauern in unserer Region gefunden, die dieses seltene Getreide extra für uns anbauen.

 

 

 

Katrin Trattner