Kipfenberg
Die Borkenkäfer-Patrouille

Kampf gegen den Baum-Schädling

29.03.2019 | Stand 02.12.2020, 14:19 Uhr
Eine Fichte blockiert einen Waldweg im Rapperszeller Revier von Carmen Kowalewski an der Jurahochstraße (oben), der Sturm hat sie gefällt und bizarre, verformte Reste hinterlassen (unten Mitte). Die Försterin untersucht auf Kontrollgängen die Verbissschäden (unten links). Ein Reh hat die Spitze einer Douglasie gekappt (unten rechts), der weiße Bitterstoff soll das Wild abschrecken. −Foto: Richter

Die Waldwirtschaft kämpft in diesem Frühjahr landauf und landab nicht nur gegen Schädlinge, sondern auch mit den Folgen der großen Trockenheit des vorigen Jahres. Der Forstbetrieb Kipfenberg hat obendrein größere Sturmschäden in seinen Revieren im Altmühltal zu beklagen.

Kipfenberg (DK) Die Natur steht in den Startlöchern, die bald sichtbare Pracht aus farbenfrohen Blüten und frischem Grün lässt sich bereits erahnen. Hier steht die Kornelkirsche zartgelb am Waldrand, dort sprießen an manchen Zweigen bereits die ersten zarten Blattspitzen, der Spitzahorn streckt seine pistaziengrünen Blüten ins warme Sonnenlicht. Was den Spaziergänger erfreut, bedeutet für die Belegschaft im Forstbetrieb Kipfenberg eine Menge Arbeit, denn gerade jetzt - zu Beginn der Vegetationsperiode - ist höchste Eile angesagt. Versäumnisse würden sich später im Jahr rächen oder wären nicht mehr gutzumachen. Die Beseitigung von Bäumen mit Borkenkäferbefall ist dabei nur ein Problem, mit dem die Forstleute kämpfen. "Wir spüren immer noch die Auswirkungen der großen Trockenheit im vergangenen Sommer", sagt Betriebsleiter Rudolf Habereder. Und als ob das nicht genug wäre, hat auch noch Sturmtief "Eberhard" vor drei Wochen teils erheblichen Schaden in den neun Revieren der Dienststelle im Kreis Eichstätt angerichtet.

Die Wälder des Kipfenberger Forstbetriebs der bayerischen Staatsforsten erstrecken sich auf eine Fläche von 16800 Hektar. Sie reichen von der A9 im Osten bis hinüber in den Kreis Weißenburg-Gunzenhausen und ein kleines Stück hinauf in den Kreis Roth. Die allgemeine Situation hier dürfte die Lage in vielen Wäldern des Freistaates wiedergeben. "Als Forstmann kann ich mir nur wünschen, dass es heuer ein feuchter bis nasser Sommer wird", sagt Rudolf Habereder, wohlwissend, dass er damit nicht im Trend der Bevölkerung liegt. "Aber die Bäume leiden noch immer unter den Folgen des großen Wassermangels. Wenigstens hat es im Januar und März teilweise ganz gut geregnet, sodass sich die Lehmböden einigermaßen gefüllt haben."

Beim Niederschlag gibt es zwar ein permanentes Auf und Ab, aber der Trend ist unverkennbar: Im Raum Eichstätt sind die Mengen über die Jahre gesunken, von rund 777 Millimeter im Jahr 2007 auf knapp 666 Millimeter für 2018, wie der Deutsche Wetterdienst an der Messstation Landershofen östlich der Domstadt festgehalten hat. Im selben Zeitraum stieg die Durchschnittstemperatur von 9,23 auf 10,18 Grad, es ist zunehmend trockener und heißer geworden. Darauf wies zuletzt auch die Forstbetriebsgemeinschaft Eichstätt in ihrer Mitgliederzeitschrift hin.

Die Trockenheit begünstigt den Borkenkäfer, "wir kämpfen jetzt schon die vierte Saison in Folge mit übermäßigem Befall", sagt Rudolf Habereder. Alles betroffene Holz müsse schleunigst raus aus dem Wald. Eine Handy-App mit GPS hilft beim Erfassen. Die Bäume müssen entrindet, ins Sägewerk gebracht oder zumindest aus dem Forstgebiet geschafft werden. Der Betriebsleiter drängt nicht grundlos, denn Larven, Puppen und Käfer überwintern unter der Rinde und werden ab etwa 16 Grad Außentemperatur wieder munter. "Es pressiert also, wir müssen fertig sein, bevor die erste Generation ausschwärmt und noch mehr Schaden anrichtet." Fünf Wochen bleiben dafür, das entspricht dem Zeitraum vom Schlüpfen bis Ausflug. Die Bäume kommen in den Verkauf und enden überwiegend als Bauholz. "Das Thema ist zwar ernst und beschäftigt uns sehr, aber es herrscht keine Untergangsstimmung", will der Betriebsleiter nicht dramatisieren.

Früher übliche Monokulturen im Forst - hier ist im Besonderen die Fichte zu nennen - haben die Ausbreitung des Borkenkäfers allerdings stark begünstigt. Dieser Nadelbaum ist ein typischer Flachwurzler und kam daher mit der Trockenheit 2018 nicht sonderlich gut klar. Starke Winde verträgt die Fichte ebensowenig: Als am 10. März das Sturmtief "Eberhard" über das Land fegte, legte es in den neun Revieren der Kipfenberger Staatsförster reihenweise große Fichten um. Diese Baumart macht noch immer ungefähr die Hälfte des Bestandes in den Kipfenberger Forstrevieren aus, die Buche kommt auf 32, die Eiche auf 5 und Edelhölzer wie Ahorn, Linde oder Kirsche auf 3 Prozent. "Wir bauen das aber seit dem Orkan ,Wiebke' 1990 kontinuierlich um", sagt Habereder. "So etwas geht aber nicht einfach von heute auf morgen, das dauert eine ganze Baumgeneration, also 80 bis 100 Jahre", erklärt er den immer noch hohen Fichtenanteil in seinem Zuständigkeitsbereich.

Der Sturmschaden zwingt die Forstleute jetzt zur Eile, knapp 15000 Festmeter hat "Eberhard" nach internen Schätzungen vor drei Wochen flachgelegt. Die Stämme müssen weg und die Flächen zugleich wieder aufgeforstet werden, sodass die neun Förster und rund 30 Waldarbeiter der Dienststelle in diesem Frühjahr ordentlich zu tun haben. Das Waldbild der Zukunft soll außer von Ahorn, Buche oder Eiche unter anderem von Douglasien, Lärchen und Tannen geprägt sein.

Försterin Carmen Kowalewski betreut das Revier Rapperszell bei Walting und ist wie ihre acht Kollegen in diesen Wochen ständig auf Achse, um die Arbeiten zu koordinieren. Rund 10000 Setzlinge müssen in ihrem Bereich in den Boden, der gesamte Forstbetrieb Kipfenberg kommt auf 120000. "Wir bekämpfen aber nicht nur den Borkenkäfer und pflanzen neu an, sondern kümmern uns auch um die Verkehrssicherung", sagt die 37-Jährige. Bäume, die auf Wege und Straßen zu fallen drohen, müssen umgehend weg. "Wichtig ist außerdem die Kontaktpflege mit Grundstücksnachbarn, Schädlinge machen an der Grenze nicht Halt." Daneben organisiert die aus Neumarkt kommende Frau die Jagd im Revier, um den Verbiss zu minimieren.

Borkenkäfer hier, Sturmschaden da und Trockenheit dort, bei aller Betriebsamkeit in diesen Wochen genießt sie ihren Beruf - draußen zu sein, mit ihrem Hund "Fonsi" Waldbegehungen zu unternehmen und alles zu koordinieren, macht ihr großen Spaß. "Als Förster kannst du halt richtig was umsetzen, da siehst du am Ende des Tages, was man getan hat", sagt Carmen Kowalewski und steuert auf eine Fichte zu. Die Krone ist dürr, die Rinde löchrig, klare Sache: Da steckt der Käfer drin! Ein rotes "X" aus der Farbdose besiegelt das Ende des Baums samt Borkenkäferbrut - die Waldarbeiter werden schon bald mit der Motorsäge anrücken.Foto: Weihrauch/dpa