Györ
Elektromotoren und Gulasch

Zwei Audi-Manager berichten über das Arbeiten und Leben am ungarischen Konzernstandort Györ

18.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:07 Uhr
Mit Vierzylindermotoren ging es einst los in Györ. Heute werden an dem ungarischen Audi-Standort längst auch komplette Autos gefertigt. Seit Kurzem produziert Audi Hungaria auch Elektromotoren. −Foto: Audi

Györ (DK) Vor 25 Jahren wurde Audi Hungaria gegründet - das Ziel war, im ungarischen Györ ein Motorenwerk zu errichten, um den Standort Ingolstadt zu entlasten. Nicht einmal 400 Leute arbeiteten damals dort. "Es war überhaupt nicht absehbar, dass daraus ein Unternehmen wie das heutige mit rund 13.000 Mitarbeitern werden könnte", erinnert sich Josef Miehling an die Anfänge.

Der heute 61-Jährige ist bereits zum dritten Mal in Györ im Einsatz. "Früher war ich Fahrzeugbauer, jetzt bin ich Fabrikbauer", erzählt er. Er und sein Kollege Karl Meier haben erlebt, wie der Standort in Ungarn sich kontinuierlich weiterentwickelte zu einem vollwertigen Fahrzeugwerk. Heute steht in Györ auch das weltweit größte Motorenwerk. "Aber da ist noch genug Potenzial für die nächsten 25 Jahre", lautet Meiers Prognose. "Györ hat eine große Zukunft."

Miehling ist Chef der Fabrikplanung in Györ, der 42-jährige Meier Leiter der Zentralfunktion Produktion Fahrzeuge und aktuell verantwortlich für das Projekt Q3. Beide sind sozusagen Vollblut-Audianer, wobei man im Gespräch mit ihnen schnell den Eindruck gewinnt, dass sie ihren Job in Ungarn mit extra viel Feuer machen. "Das ist eine unglaublich spannende Arbeit hier mit einem tollen Team", sagt Meier, der im Jahr 2016 nach Györ gekommen ist.

Miehling kennt in Györ gewissermaßen jeden Stein und Stahlträger. Er war schon dabei, als 1996 die Montage für den Sportwagen TT aufgebaut wurde. "Dieses agile Arbeiten, über das heutzutage so viel gesprochen wird, praktizieren wir schon seit 25 Jahren", berichtet er. "Man war beim Chef, hat eine Entscheidung gekriegt und hat die umgesetzt. Die Abstimmungs- und Entscheidungswege sind einfach kürzer als in Ingolstadt - schlicht größenbedingt. Hier geht vieles schneller." Das sei wohl einer der gravierendsten Unterschiede zwischen Ingolstadt und Györ.

Die westungarische Stadt, mit rund 130.000 Einwohnern ungefähr so groß wie Ingolstadt, ist inzwischen Miehlings zweite Heimat geworden. Dabei spielt die Liebe eine entscheidende Rolle: Seine Ehefrau stammt nämlich aus Györ. Sie spricht mit den zwei Kindern nur Ungarisch. Die Teenager besuchen die Audi-Hungaria-Schule, so wie auch Meisers beide Kinder. "Es kommt durchaus vor, dass die beiden sich auf Ungarisch austauschen, wenn sie nicht wollen, dass wir Eltern etwas mitkriegen", erzählt der Familienvater, der mit einer Deutschen verheiratet ist.

Im Audi-Werk dagegen wird Deutsch gesprochen. Meier hat diesbezüglich großen Respekt vor den ungarischen Mitarbeitern, denn er weiß, wie schwer er sich umgekehrt mit dem Ungarischen tut. Integration sei überhaupt kein Thema, betont er: "Wir sind mit offenen Armen empfangen worden, und man macht uns das Leben sehr leicht." Erst kürzlich beim Audi-Kochtag haben Meier und sein Team den ersten Platz gemacht - in der Kategorie Gulasch. Das will etwas heißen, zumal insgesamt 160 Mannschaften um die Wette gekocht haben.

Klar, manchmal vermissen beide Männer einen anständigen, bayerischen Schweinsbraten. "Das ist ein wunder Punkt", räumt Miehling ein. Doch dank der Kollegen, die regelmäßig zwischen den Werken hin- und herpendeln und Bestellungen aufnehmen, funktioniert der rege Warenaustausch bestens. "Unsere abendlichen Schafkopfrunden hier in Györ sind immer flankiert von einer guten bayerischen Brotzeit", betont Meier. Bayerisches Bier fließt Richtung Osten, guter ungarischer Wein gen Westen. Wobei Miehling die traditionelle ungarische Küche mit ihren Suppen und Eintöpfen durchaus zu schätzen weiß: "Das erinnert mich an das Essen bei meiner Oma."

Gerade in den Sommermonaten sei in Györ jedes Wochenende etwas geboten - vom Weinfest bis zum Musikfestival. Und Audi Hungaria sponsert etliche Veranstaltungen, im kulturellen wie sportlichen Bereich. So ist das Unternehmen seit 2006 namensgebender Hauptsponsor der Damenhandball-Mannschaft. Natürlich gibt es auch eine Audi Aréna in Györ.

Die Parallelen zu Ingolstadt sind unverkennbar. Leider auch bei nicht so erfreulichen Dingen. So macht Audi in Ungarn ebenfalls der Fachkräftemangel zu schaffen. "Der Markt in ähnlich leer gefegt wie in Bayern", sagt Meier. "Audi ist natürlich ein attraktiver Arbeitgeber und leistet zudem sehr viel Qualifizierungsarbeit. Wir bilden auch nach dem dualen System aus wie in Deutschland." Seit 2001 absolvierten 1800 Jugendliche diese Berufsausbildung. Im Bereich Bildungs- und Wissenschaftskooperationen gründeten Audi Hungaria und die Széchenyi István Universität Györ gemeinsam eine Fakultät für Fahrzeugtechnik mit sechs Lehrstühlen.

Was die Zukunft betrifft, machen sich Miehling und Meier jedenfalls keine Sorgen. Mit der Serienproduktion von Elektroantrieben, an der auch 700 Roboter beteiligt sind, bekam Audi Hungaria im Jubiläumsjahr das schönste Geschenk. Und diesen Donnerstag soll groß gefeiert werden in Györ - mit Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Erwartet wird auch Bram Schot, kommissarischer Audi-Vorstandschef. Die Mitarbeiter sind gespannt auf seinen Besuch.

Meier ist überzeugt, dass der Standort Györ eines Tages ein noch wichtigerer Bestandteil des Audi-Konzerns sein kann, als er es heute schon ist. "Wir haben hier noch viel freie Flächen", deutet er an. "Ich kann mir vorstellen, dass hier bestimmt noch das eine oder andere Fahrzeugmodell einziehen wird." Miehling ergänzt mit einem Schmunzeln: "Und ich würde mich freuen, wenn ich weiterbauen darf, damit der Karl noch mehr Autos bauen kann."

Suzanne Schattenhofer