Von Beckmann bis Lehmbruck
Zeitlose Anti-Kriegs-Schau: Ausstellung im Franz-Marc-Museum Kochel

22.10.2024 | Stand 22.10.2024, 15:02 Uhr |
Barbara Reitter-Welter

Die Ausstellung versammelt Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen und bedeutende Grafikserien, die sich mit den gesellschaftlichen Umbrüchen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und den existenziellen Erfahrungen des Ersten Weltkriegs auseinandersetzen. Foto: Beldiman

Mit begeistertem „Hurra“ gingen sie in den Krieg – um nach vier Jahren desillusioniert, verwundet an Körper und Seele zurückzukehren. Viele verloren ihr Leben auf dem Schlachtfeld, darunter der Maler Franz Marc, der 2016 bei Verdun starb.

In „seinem“ Museum am Kochelsee spürt nun eine Themenausstellung unter dem Titel „Zeitfragmente“ jenen Jahren während und nach Ende des 1. Weltkriegs nach, also der kurzen, gesellschaftlich wie politisch extrem bewegten Zeit zwischen 1910 und 1930.

Veränderte Realität des Lebens

Sie präsentiert 50 Werke aus mehreren Grafik-Serien bekannter Künstler wie Max Beckmann, Otto Dix, Käthe Kollwitz, Else Lasker-Schüler, Ernst Ludwig Kirchner und eine Skulptur von Wilhelm Lehmbruck, darunter echte Raritäten neben bekannten Gemälden.

Das gewohnte Arbeiten der großen schöpferischen Phase um die Jahrhundertwende ging mit dem Erleben des Krieges nicht mehr. Es brauchte neue Strategien, andere Themen, eine den Zeitläuften angemessene Formensprache für die veränderte Realität des Lebens.

Und die heißt Arbeitslosigkeit, Verarmung des Proletariats, zunehmende gesellschaftliche Spaltung und politische Verunsicherung durch die Wirren der Weimarer Republik und die Vorboten des Nationalsozialismus.

Düstere Serie von Käthe Kollwitz

Meist steht bei den eng gehängten Werken im Erdgeschoss des Museums die Klage über den Krieg im Zentrum, der millionenfach Traumatisierte zurückließ. „Nie wieder Krieg!“ fordert denn auch ein Plakat im Kabinett auf, wo eine düstere Serie der Käthe Kollwitz hängt. Zwar transponiert sie ihre Radierungen in die Zeit der „Bauernkriege“, doch die düsteren Gesichter und eingepferchten Menschen verweisen auf die Gegenwart zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Noch radikaler in den Aussagen ist Otto Dix mit seinem Zyklus „Der Krieg“, in welchem er mit der Kraft eines Goya Menschen mit vor Angst aufgerissenen Augen, totes Vieh, Szenen auf dem Schlachtfeld oder ein Memento Mori festhielt, einen Totenkopf, bei dem die Würmer durch Augen und Nasenlöcher kriechen. Und Bildhauer Wilhelm Lehmbruck konnte den Menschen nur noch als total Verzweifelten wahrnehmen, wie in der Skulptur „Der Gestürzte“, 1915/16 entstand.

Satirische Radierungen von George Grosz

Mit Vorliebe spießte George Grosz die „Stützen der Gesellschaft“ in seinen karikaturhaft plakativen Bildern auf. Natürlich befindet sich dieses Meisterwerk nicht in der Ausstellung, dafür aber eine Reihe satirischer Radierungen über die Kluft zwischen denen da oben und denen da unten. Zitate untermauern seine Werke; so verlangt beispielsweise der feiste Fabrikant, Zigarre im Gesicht, Champagner vor sich, einen Geldberg zwischen den Händen „Das Recht wohnt beim Überwältiger“, während er ein nacktes bettelndes Mädchen vor seinem Schreibtisch abweist.

Es scheint derselbe Mann, der mit seiner Familie idyllisch Weihnacht feiert, die Mutter „Stille Nacht“ schmetternd, die Kinderschar mit Paketen beschäftigt, darunter der zynische Kommentar „Gottes sicherer Segen ist bei uns“. Um zu vergessen, tanzte man in der Metropole Berlin auf dem Vulkan, vergnügte sich in Kabarett und Varieté, im Zirkus wie auch bei Prostituierten.

Else Lasker-Schülers „Schlangenanbeter“

Auf Ernst Ludwig Kirchners berühmtem Gemälde sieht man zweifelhafte Damen als „Blaue Artisten“, Max Beckmann lässt einen Freier vor einer Frau mit freizügiger Corsage knien und von Else Lasker-Schüler ist einmal mehr ihr „Schlangenanbeter“ zu sehen. Doch, wir alle wissen es schmerzlich, „Der Schoss ist fruchtbar noch“; deshalb spannt das Museum die Anti-Kriegs-Schau auch mit der Anselm Kiefer Installation „Mohn und Gedächtnis“ aus den „Opus Magnum“ von 2014 bis in unsere Gegenwart.

DK


Franz Marc Museum, Kochel, Franz Marc Park 8–10, Di–So 10–18 Uhr; bis 9. Februar 2025.

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