Wie funktioniert die Liebe?

Manuela Neudeggers rasante Aufklärungsshow „Berührt Euch!“

04.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:34 Uhr

Von Schmetterlingen im Bauch bis zu Liebeskummer: Eva Borrmann, David Kilinç, Meike Hess und Florian Kenner (von links) präsentierten im Kleinen Haus des Theaters Ingolstadt mit „Berührt Euch!“ eine absolut unpeinliche Aufklärungsshow. Foto: Autenrieth

Von Anja Witzke

Ingolstadt – Der erste Kuss. Die erste Menstruation. Der erste Sex. Irgendwie wird ständig darüber geredet. Aber irgendwie auch zu wenig. Gerade in der Pubertät ist die Unsicherheit groß. Der Körper verändert sich – und damit auch die Beziehung zum eigenen Körper. Mit Neugier auf Entdeckungsreise gehen – und das ganz unverkrampft, das rät die ebenso komische wie lehrreiche Aufklärungsshow „Berührt euch“ (ab 14 Jahren), die Regisseurin Manuela Neudegger mit ihrer vierköpfigen Compagnie beim Südwind-Festival im Kleinen Haus präsentierte.

Und sie beginnt ganz am Anfang: „Ich wurde gezeugt. Ich wurde geboren.“ Während eine Stimme aus dem Off die Entwicklung des Menschen skizziert („Ich bin vom Fahrrad gefallen. Ich habe im Biologieunterricht die Zellteilung verstanden. Ich habe nichts über das Verliebtsein gelernt.“), finden die vier Performer Eva Borrmann, Meike Hess, Florian Kenner und David Kilinç dafür entsprechende Tanzbilder. Die Evolution als verblüffende Choreografie des Alltags.

Daina Kasperowitschs schlichte Bühne bietet dafür Raum: ein abstrahiertes Arkadien auf drei verschiebbaren Stellwänden. Hier arbeiten sich die Vier an dem komplexen Thema Sexualität ab – auf ganz eigene Art. „Ich will über Penisse reden“, sagt einer. „Ich will über den Zyklus reden – also das große Ganze“, eine andere. Es geht aber auch um den perfekten Kuss. Und die Zweifel ob der eigenen Kuss-Begabung. Es geht um Verliebtsein. Intimhygiene. Pornos. Lust. Und Frust. Es geht um Scham. Trieb. Hemmungen. Druck. Komplexe. All das wird auf erfrischende Art auf der Bühne verhandelt. Als Unterrichtseinheit mit Overheadprojektor. In schrägen Liedern. Als schmerzhafter Moment der Erstarrung (bei Liebeskummer). Und vor allem in spektakulären Tanznummern, in denen das Imponier- und Balzverhalten aus der Tierwelt auf das menschliche Flirt- und Fortpflanzungsverhalten übertragen wird. In denen sich die Spieler umkreisen, bedrängen, sich in Szene setzen, poussieren, tändeln, vor einander fliehen, umeinander trauern.

Eine Schauspielerin, eine Tänzerin, ein Performer und ein Musiker – sie stellen Fragen über Sexualität. Geben Antworten. Nehmen Ängste. In diesem Gefühlswirrwarr geht es vor allem um Selbstbestimmung. Ein spannendes Format. Geistreich, tiefgründig, berührend – im wahrsten Sinne des Wortes!

DK