Wenn das Cello wie eine E-Gitarre kreischt

Vielseitiges Programm beim Dozentenkonzert der Neuburger Sommerakademie

01.08.2022 | Stand 22.09.2023, 20:25 Uhr

Alexander Suleiman (Cello) und Herbert Wiedemann (Klavier) beim Konzert im Kongregationssaal. Foto: Jesko Schulze-Reimpell

Von Jesko Schulze-Reimpell

Neuburg – Geht das, ein Bühnenauftritt in b-Moll? Oder überhaupt in Moll? Wenn so etwas überhaupt funktionieren sollte, dann gelang es wahrscheinlich Anna Gourari, als sie mit düsterem Blick die Bühne des Neuburger Kongregationssaal betrat, für die meisten Besucher fast geisterhaft unerwartet, als käme sie gerade aus einer anderen Welt. Um das zweite Scherzo in b-Moll von Frédéric Chopin vorzutragen.

Ein bisschen war es so, als müsste die gebürtige Russin, die seit Jahrzehnten in München lebt, während der ersten Hälfte des hochvirtuosen Stücks noch in die Musik hineinfinden. Sicher, die vollgriffigen Akkorde kamen mit unvermittelter Wucht, die quirligen Lauffiguren huschten mit gespenstischer Spannung aus dem Flügel. Aber ab der Mitte des Werks, noch im ruhigen Mittelteil, bekamen die Töne plötzlich eine andere Fantasie. Gourari verlängerte plötzlich die Pausen, schlug Töne an, die so zart gehaucht waren, dass man sie kaum mehr wahrnehmen konnte. Und die schnellen Passagen wirkten auf einmal noch plastischer, noch lebendiger.

Keine Frage: Gerade dieses Maß an Subjektivität verlieh dem romantischen Werk eine besondere Aura, machte Gouraris Darstellung zu mehr als nur demonstrierter Perfektion. Das Publikum spürte die besondere Energie, die von diesem Stück ausging und feierte die Pianistin mit Bravorufen.

Aber Anna Gourari war nur eine Künstlerin in einem durchweg sehr gut besetzten Abend. Das Konzert findet regelmäßig im Rahmen der Neuburger Sommerakademie statt, in ihm haben die Dozenten die Möglichkeit, ihre kammermusikalischen Qualitäten zu zeigen. Diesmal allerdings – vielleicht weil Corona noch immer seinen schweren Schatten über das Kulturleben wirft – wirkte das Konzert anders. Sonst gab es einen Konzertmarathon, mit fast schon ermüdender Länge, diesmal ein Abend mit üblichen Dimensionen. Sonst fanden sich sehr unterschiedliche Formationen ein, diesmal nur Duos – mit Flöte, Cello und Violine.

So spielten gleich am Anfang Emmanuel Bleuse (Cello) und Heiko Strahlendorff (Klavier) Ludwig van Beethovens „Sieben Variationen über das Thema ,Bei Männern, welche Liebe fühlen‘“ – durchaus mit mildem Witz und volkstümlicher Munterkeit. Großartiger gelang „Requiebros“ von Gaspar Cassadó (einem spanischen Komponisten des 20. Jahrhunderts), das Bleuse mit schneidend hartem Celloton gestaltete – ein mit selbstsicherer Überzeugungskraft vorgetragenes musikalisches Liebeswerben.

Mit viel Gefühl für Melos spielte Tatjana Ruhland eine Arie aus Tschaikowskys Oper „Eugen Onegin“ sowie humorvoll und tonschöne „Odelette“ von Camille Saint-Saëns.

Sehr stilsicher gestalteten Michael Friedrich (Violine) und Tomoko Nishikawa (Klavier) die erste Violinsonate von Beethoven – allerdings vielleicht nicht hinreichend ruppig und kontrastierend genug.

Am Ende des nicht allzu langen Konzerts kam noch ein Beitrag von Akademie-Leiter Alexander Suleimann (Cello) und Herbert Wiedemann (Klavier): eine Improvisation über Themen des Jazzpianisten Klaus Ignatzek und von Friedrich Gulda. Ein locker-unterhaltsamer Schlussbeitrag, bei dem besonders das Cello kreischen konnte wie eine E-Gitarre und damit noch eine ungewöhnliche Note in das Konzert integrierte.

DK