Vom Wert der Bildung

„Von der lernbegierigen zur gelehrten Frau“ : Sonderausstellung im Ingolstädter Fleißerhaus

20.05.2022 | Stand 23.09.2023, 0:57 Uhr

Von Anja Witzke

Ingolstadt – Mit der Bildungsgeschichte der Frau befasst sich eine neue Sonderausstellung im Fleißerhaus, die an diesem Wochenende eröffnet wird. Wer die schmalen Stufen ins zweite Obergeschoss hinaufsteigt, trifft auf sieben Frauen, die für Ingolstadt von Bedeutung waren. „Ich wollte durch alle Jahrhunderte gehen und für jedes Jahrhundert exemplarisch eine Frau vorstellen“, erklärt Kuratorin Doris Wittmann.

Und so beginnt man im Mittelalter mit der Stifterin Barbara Sentlinger (Geburtsjahr unbekannt, gestorben 1444), von der sich etliche Urkunden im Stadtarchiv befinden. Sie stiftete eine Seitenkapelle im Liebfrauenmünster, die noch existiert – auch wenn die Kapelle heute von einem barocken Altar geschmückt ist.

Wir treffen auf Isabeau de Bavière (1371–1435), die 1385 in Amiens mit dem französischen König Karl VI. verheiratet wurde, bis zu dessen Tod 1422 Königin von Frankreich war und natürlich auch die fremde Sprache perfekt beherrschen musste. Sie verfügte nicht nur über eine hohe Bildung, sondern förderte darüber hinaus auch eine Schriftstellerin: Christine de Pisan gilt als erste Autorin der französischen Literatur, die von ihren Werken leben konnte. Ihr bekanntestes Werk, „Das Buch von der Stadt der Frauen“ ist aus heutiger Sicht eines der ersten feministischen Werke Europas. Im gleichen Raum stößt man auch auf Argula von Grumbach (1492–1556/7), die aus adeliger Familie stammte und später Anhängerin der Reformation wurde. Sie scheute sich nicht vor einer Auseinandersetzung mit den Gelehrten der Landesuniversität. „Ich habe euch kein Frauengeschwätz geschrieben, sondern das Wort Gottes als ein Glied der christlichen Kirche“, beschloss sie etwa einen ihrer Briefe. Zeugnis einer wagemutigen Frau. Gleichwohl: Zur Diskussion mit den Gelehrten kam es nie. Noch nicht einmal eine Antwort erhielt sie.

Weitere Räume sind Iphigenia Osannea von Zimmern (1646–1719) gewidmet, berühmte Oberin des Klosters Gnadenthal. Sie ließ eine Uhr für das Kloster anschaffen. Auch die Erweiterung des Klosterkomplexes und die historische Apotheke gehen auf ihr Wirken zurück. Daneben finden sich Texte zu Katharina Elisabeth Scherer (1681–1751), Witwe eines Ingolstädter Bürgermeisters, Eleonore Eichlinger (1861–1949), eine Arbeiterin, die in der Bayerischen Geschützgießerei arbeitete und selbst in der Weiterbildung tätig wurde. Und zu der Jüdin Luise Löwenfels (1915–1942).

Die verschiedenen Silhouetten – grafisch eingebettet in den Farben der Fleißer (türkis und grün) – verraten, welche Spuren die Frauen hinterlassen haben: die Apotheke, die Seitenkapelle, ein Testament. Die kleine Ausstellung macht nachvollziehbar, wie es durch die Zeiten mit der Bildung stand. Erhellendes fördert auch die Audio-Station zutage: Hier hört man Stimmen (von Männern und Frauen) zu Bildungsfähigkeiten und -möglichkeiten von Frauen. So heißt es bei Madame de Staël: „Genie hat kein Geschlecht.“

In Ingolstadt unterrichteten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Ursulinen, seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts die Franziskanerinnen des Klosters Gnadenthal die weibliche Jugend. Ehe das Abitur für Mädchen hier in den Goldenen Zwanzigern Wirklichkeit wurde, verging noch sehr viel Zeit. Marieluise Fleißer wurde deswegen nach Regensburg geschickt.

DK


Fleißerhaus, Kupferstraße 18, geöffnet Di bis Fr 9 bis 12 Uhr, Sa und So 10 bis 16 Uhr.