Am Anfang stand ein kleiner Skandal: Eine große Pfeife der alten Orgel in St. Matthäus, Ingolstadt, fiel aus dem Prospekt. Das marode Instrument, gefertigt von der Firma Eisenbarth, hatte über Jahre hinweg nicht nur seinen Klang, sondern auch seine technische Zuverlässigkeit verloren.
„Das war einer der Auslöser dafür, dass der Kirchenvorstand beschloss, etwas grundlegend Neues zu schaffen“, erinnert sich Oliver Scheffels, Kirchenmusikdirektor von St. Matthäus. Der Weg zur neuen Orgel war geebnet – eine Entscheidung, die das musikalische Leben der Gemeinde bis heute prägt.
Einzigartig in Ingolstadts Orgellandschaft
Vor 30 Jahren wurde die Gaston-Kern-Orgel eingeweiht, ein Instrument, das in der Ingolstädter Orgellandschaft einzigartig ist. Scheffels' Vorgänger, Reinhold Meiser, wünschte sich etwas Besonderes: ein Instrument im klassisch französischen Stil, inspiriert von Orgeln des 18. Jahrhunderts.
„Es sollte nicht nur den künstlerischen Ansprüchen einer Hauptkirche gerecht werden, sondern auch eine klangliche Lücke in der Region schließen“, erklärt Scheffels. So fiel die Wahl auf den elsässischen Orgelbauer Gaston Kern, der mit seinem Team eine Orgel entwarf, die barocke Klangtradition mit modernen Anforderungen vereint.
Orgel verfügt über 37 Register
Die neue Orgel verfügt über 37 Register, darunter auch ein Schwellwerk, das sich für romantische Musik eignet. „Dieses dritte Manual erlaubt es, die Lautstärke dynamisch zu verändern, was bei französischer und romantischer Literatur essenziell ist“, erläutert Scheffels. Das Instrument deckt ein breites Repertoire ab: von Bach und Buxtehude bis zu zeitgenössischen Kompositionen.
Besonders hervorzuheben sei, so Scheffels, der kammermusikalische Charakter der Orgel. „Sie entfaltet ihre Stärke in den leisen Klangfarben und Registermischungen – ein fantastisches Instrument für die feineren Töne.“ Obwohl die Orgel durch ihren französischen Ursprung geprägt ist, hat sie auch ihre Eigenheiten.
Instrument eignet sich für polyphone Musik
„Die Zungenregister, wie die Trompeten oder Posaunen, sind besonders kräftig intoniert. Das ist typisch für französische Orgeln und verleiht dem Instrument Grandeur“, sagt Scheffels. Gleichzeitig sei sie so dimensioniert, dass nicht alle Register gleichzeitig gespielt werden können, ohne die Akustik zu überfordern.
„Es ist ein ausgewogenes Instrument, das sich hervorragend für polyphone Musik eignet.“ Bach-Fugen, betont Scheffels, kommen in der klareren Akustik der St. Matthäus-Kirche besser zur Geltung als in großen Kathedralen mit langem Nachhall.
Zum 30-jährigen Jubiläum der Orgel findet am Sonntag, 1. Dezember, um 17 Uhr, ein Festkonzert statt. Der junge Orgelprofessor Martin Riccabona, ein preisgekrönter Virtuose, wird Werke von Bach, Reger, Franck und de Grigny spielen. „Das Programm ist auf die klanglichen Besonderheiten der Orgel abgestimmt und nimmt Bezug auf den Advent“, so Scheffels. Der Jubiläumstag beginnt bereits um 9.30 Uhr mit einem festlichen Gottesdienst, bei dem Scheffels selbst Orgelwerke von Bach und Saint-Saens präsentiert.
Wandelkonzerte sollen fortgesetzt werden
Für die Zukunft plant die Gemeinde weiterhin spannende Projekte. So sollen etwa die erfolgreichen Wandelkonzerte, bei denen verschiedene Kirchen in Ingolstadt gemeinsam bespielt werden, fortgesetzt werden. „Unsere Orgel ist nicht nur ein Symbol für die musikalische Vielfalt der Gemeinde, sondern auch ein Instrument des Austauschs und der Zusammenarbeit“, sagt Scheffels.
jsr
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