„Ich werde vor ein Auto laufen. Die Menschen werden sich um mich scharen und mit weit aufgerissenen Augen auf meine blutenden Wunden starren.“ Mit diesem Paukenschlag beginnt Petra Pellinis Roman „Der Bademeister ohne Himmel“.
Die Erzählstimme gehört Linda, 15 Jahre jung. Nur ihre selbst gespürte Verantwortung für zwei Menschen halten sie davon ab: der gleichaltrige Kevin und der 86-jährige Hubert. Der eine „voll intelligent“, der andere „voll dement“. Um beide kümmert sich Linda – als Aushilfsbetreuerin für Hubert, als Freundin Kevins.
Wo Huberts Tochter und die polnische Pflegerin Ewa überfordert sind, informiert sich Linda über Demenz, tut instinktiv das Richtige. Hört ihm zu, geht auf ihn ein, verbessert ihn nicht, sucht mit ihm, was er verloren glaubt: Kevin, dem auch sie zuhört, wenn er wegen des Klimawandels verzweifelt, hilft ihr, Geräusche aus dem Strandbad aufzunehmen. Die spielt sie Hubert vor, damit er sich an das erinnert, was ihn ausmachte: sein Beruf als Bademeister.
Die Welt ist nicht komplett heil
Das Verhalten der Erwachsenen, die laut Kevin alle und alles rücksichtslos „in ein System pressen“ und damit die Erde ruinieren, wird kritisch betrachtet. Es fehlt an „Feingefühl, Benehmen, Kreativität“. Beide wehren sich gegen Menschen, „die anderen das Gefühl geben, sie würden alles falsch machen“.
Sie sind sich sicher, dass „jeder Mensch ein Universum“ ist. Linda macht eine innere Entwicklung durch. Je weiter Huberts Demenz fortschreitet, desto mehr begibt sie sich in seine entschwindende Welt, reflektiert ihre eigene und wird versöhnlicher: „Wir beide zusammengerückt. Als beschütze der eine den anderen“, heißt es da.
Doch die Welt ist nicht komplett heil. Natürlich stirbt Hubert, Linda hat zwar ihren Platz im Leben gefunden, aber Kevin verloren. Ein berührender Roman, der trotz allem Schweren auch Leichtigkeit verleiht.
DK
Petra Pellini. Der Bademeister ohne Himmel. Rowohlt Kindler, 320 Seiten, 23 Euro.
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