Pure Lebensfreude

Das Frühjahrskonzert des Ingolstädter Kammerorchesters

23.05.2022 | Stand 22.09.2023, 23:20 Uhr

Höhepunkt des Abends: Alexander Konjaev und Vadim Makhovskiy sind Solisten in Mozarts „Sinfonia concertante“. Foto: Kolnsberg

Von Heike Haberl

Ingolstadt – Die Festsaal-Bühne des Stadttheaters ist in völlige Dunkelheit getaucht. Allein Harfenistin Naomi Drew wird von einem Spot angestrahlt und beginnt, die wunderbar elegische Melodie der „Serenata“ von Enrico Toselli zu spielen. Von der Empore aus rezitiert Conférencier Lorenz Urban dazu gefühlvoll ein romantisches, zur Stimmung passendes Gedicht von Christian Ludwig Reissig, bevor sich Lisa Rendelmann an der Bratsche und Leonie Hell an der Oboe ausdrucksvoll zu den schwärmerischen Abendklängen hinzugesellen.

Solch ungewöhnliche Auftakte sind unter Dirigent Klaus Hoffmann schon zum Markenzeichen für die Auftritte des Ingolstädter Kammerorchesters geworden.

Und überhaupt standen im ersten Teil dieses Frühjahrskonzerts die kleineren Ensemble-Besetzungen im Vordergrund, so dass dem Publikum der Genuss zuteil wurde, einzelne Musikerinnen und Musiker des IKO samt ihrer solistischen Qualitäten genauer kennenzulernen.

Bei der mitreißenden, rassig-impulsiv interpretieren Zigeunerweise „Grastuno Bal“ trat immer wieder ein agiles, im feurigen Wechsel agierendes Streichquintett hervor, bestehend aus Konzertmeister Andreas Wittmann und Lydia Drew (Violinen), Lisa Rendelmann (Viola), Jasmin Ballaney (Cello) sowie Bettina Rottler (Kontrabass). Ein herrlich temperamentvolles, galant-graziles, bisweilen fast wienerisch anmutendes Trio zwischen Klarinette, Flöte und Klavier gestalteten Raphael Franzen, Olivia Blum und Orchesterleiter Klaus Hoffmann persönlich an den Tasten mit einem neoklassizistischen Walzer von Schostakowitsch. „Alter Stil in neuem Gewand“, wie Moderatorin Isabel Blum auf den Punkt gebracht kommentierte.
Doch nicht nur am Pult und als Pianist machte Hoffmann eine ausgezeichnete Figur – auch am Akkordeon vermochte er mit seinen „Kastanienstreichern“ (abermals Andreas Wittmann, Lydia Drew und Lisa Rendelmann, dazu Quirin Witty) zu begeistern: Diesmal anhand des volkstümlich-alpenländischen Eigenarrangements zu Ernst Moschs verschmitzter Polka „Der Strohwitwer“. Zum tatsächlichen Tanzparkett mutierte der Saal schließlich bei einem „musikalischen Evergreen“, erneut aus der Feder von Schostakowitsch, nämlich dem berühmten Walzer Nr. 2 aus der zweiten Jazz Suite. Hier ergänzte sich der schwungvoll ausgeklügelte, anschmiegsame, volle, satte Orchesterklang perfekt mit der geschmeidig schwingenden, in vollendet fließender Eleganz umgesetzten Choreografie des Geschwisterpaars Marietta und Christian Hofbauer, die bereits mehrere Titel bei den Bayerischen Tanzmeisterschaften errungen haben.

Seine impressionistische Seite zeigte das Ingolstädter Kammerorchester, in dem sich ambitionierte Laien und Profis vereinen, hingegen durch Gabriel Faurés wunderschön mystisch-schwebende, fein-luftig daherkommende Traumwelt der „Pavane“. Prachtvoll-festliche, üppig verzierte Töne, ganz in barocker Manier, schlug der beeindruckend wandlungsfähige Klangkörper dann zur pompösen „Ankunft der Königin von Saba“ von Georg Friedrich Händel an.

Und dann war er gekommen, der von vielen sicher sehnlichst erwartete Glanzpunkt des Abends: Mozarts „Sinfonia concertante“. Eine ideale Plattform für Geiger Alexander Konjaev und Bratschist Vadim Makhovskiy (beide Stimmführer im Georgischen Kammerorchester), um als Solisten zu glänzen. Die subtilen Dialoge, die bewegte, lebendige innere Zwiesprache der Melodien und Kantilenen schienen sie sich wie aus einem Guss gegenseitig zuzuspielen, voneinander zu übernehmen, wieder aufzugreifen und weiterzuführen. Dabei trat ihre enorme Energie, ihre große Verve, ihre hingebungsvolle Musizier-Leidenschaft klar zutage. Vor allem im langsamen Mittelsatz offenbarte sich zugleich aber auch ihr tiefes Feingefühl, ihre hohe Phrasierungskunst, ihr filigranes Ausdrucksgespür für die melancholischen, innigen Cantabile-Momente. Das IKO öffnete dazu bald majestätisch, bald zartfühlend begleitend den Vorhang, bereitete impulsgebend den Boden für pure Lebenslust ebenso wie für schwermütige Tristesse oder für die virtuose Entfaltung der grandiosen, ausschweifend-raumübergreifenden Solokadenzen. Frenetischer Applaus war programmiert.

DK