Als Theatermalerin hat Mirja Biel angefangen. „Ich kenne Theater von der Pike auf – aus einer Werkstatt. Ich weiß, was die Menschen in den Abteilungen tun. Und ich weiß das auch sehr zu schätzen. Nicht nur die Menschen auf der Bühne sind wichtig für ein Theater, sondern alle, die an einer Sache mitarbeiten.“
Als Theatermalerin arbeitet Mirja Biel heute nicht mehr. In erster Linie ist sie als Regisseurin tätig. Und seit dieser Saison als Oberspielleiterin am Stadttheater Ingolstadt.
Nach der Ausbildung zur Theatermalerin in Lübeck zog Mirja Biel nach Berlin und studierte dort Neuere Deutsche Literatur, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität. Gleichzeitig assistierte sie am Gorki Theater und bei freien Produktionen und wechselte ab 2003 für das Studium der Theaterregie an die Theaterakademie Hamburg. „Ich glaube, ich habe immer nach etwas gesucht, wo ich mich zur Welt verhalten kann“, sagt sie. „Wichtig sind mir gesellschaftspolitische Themen, die mit meiner Wahrnehmung der Zeit, in der ich lebe, korrespondieren. Es geht für mich immer um Geschichten von Menschen in einem Spannungsfeld von sozialen und politischen Kräften. Mein Arbeitsmotor: Ich suche Stoffe, die eine Relevanz im Hier und Heute haben.“
Von 2013 bis 2016 war Mirja Biel Hausregisseurin am Theater Bonn. Seither arbeitete sie als freie Regisseurin und Bühnenbildnerin u. a. in Lübeck, Wiesbaden, Heidelberg, Leipzig, München und Wien. Und realisierte auch zwei Produktionen im Holztheater in St. Gallen, das als zukünftige Interimsspielstätte gerade für die Ingolstädter Bedürfnisse umgerüstet wird.
Ihre Aufgaben als Oberspielleiterin? „Oliver Brunner ist ein nicht inszenierender Intendant, er kam deshalb auf mich zu mit dem Wunsch, in der Leitung eine Person zu haben, die auch produziert. Die eine andere Antenne ins Haus rein hat, im Produktionsprozess mit allen Abteilungen zu tun hat“, erklärt Mirja Biel. „Zuvorderst fühle ich mich aber als Künstlerin eingeladen, um sowohl mit Themen und Ästhetik als auch anderen inhaltlichen Impulsen das Haus mit zu gestalten.“
Mirja Biel ist auch verantwortlich für die Eröffnungspremiere am 5. Oktober im Großen Haus: „Opening Night“ nach dem Filmklassiker von John Cassavetes aus dem Jahr 1977. In Zentrum steht eine Schauspielerin jenseits der 40, die mit ihrer Rolle hadert und die Proben sabotiert. „Erstmal ist das Ganze ein Riesentheaterspaß, ein Stück Theater im Theater und insofern eine Hommage ans Theater“, sagt Mirja Biel. „Und dann verstehe ich, Opening Night‘ als gesellschaftspolitisches wie programmatisches Statement für eine Hauseröffnung.“ Erst Anfang des Jahres gab es eine Kampagne gegen Altersdiskriminierung von Frauen im Job: „Ohne mich würdet ihr alt aussehen“. Da ging es um Frauen ab 47 im Arbeitsmarkt und ihre Sichtbarkeit in der Gesellschaft.
„,Opening Night‘ ist eine rasant erzählte Geschichte, die gesellschaftspolitische Fragestellungen diskutiert und ein Augenmerk auf einen Ausschnitt von Welt legt, der in der klassischen Dramenliteratur unterrepräsentiert ist: Sicht- und Hörbarkeit von Frauen, Altersdiskriminierung und Fragen nach gesellschaftlicher Repräsentanz. Dabei steht mit der Hauptfigur Myrtle Gordon keine politische Ideenträgerin, sondern eine psychologische Figur auf der Bühne, die von innen heraus das Erleben eines Menschen im Älterwerden untersucht. Sie hat Fragen an sich selber und an ihren Arbeitsplatz. Wir wissen alle, dass im Theater und im Film Rollen für Frauen ab Mitte 40, 50 rar werden. Das finde ich aber total übertragbar auf die Arbeitsrealität und den Stellenmarkt allgemein“, sagt die Regisseurin, die den Filmstoff auch selbst für die Bühne bearbeitet hat.
„Wahnsinnig charmant an dem Film ist der Blick hinter die Kulissen. Und das zeigen wir. Es gibt Menschen, die auf der Bühne sitzen, es gibt offene Umbauten, wir haben Schauspieler, die als Requisiteure arbeiten, aber auch die echte Requisite. Wir haben die Technik auf der Bühne. Wir spielen in zwei Richtung. Matthias Nebel hat einen multiperspektivischen Raum gebaut, der gleichzeitig der Verwirrung im Kopf der Hauptdarstellerin entspricht, die immer mehr die Orientierung verliert.“
Die Kamera-Regie sowie Videoproduktion übernimmt Stefano di Buduo. Arpen Daks hat den Soundtrack komponiert. Die Kostümentwürfe stammen von Carolin Schogs.
Gibt es eigentlich einen Mirja-Biel-Regiestil? Sie überlegt. „Ich habe eine bestimmte Art, mit Schauspielern zu arbeiten und Theatermittel zu benutzen. Ich mag gern, wenn aus dem Nichts ein magisches, zauberhaftes, fantastisches Bild entsteht. Ich arbeite gern mit der Flüchtigkeit von Elementen, dem Wechsel zwischen einer puren Spielsituation und einem großen, atmosphärischen Bild.“
„Opening Night“
Eine Theaterproduktion steht in den Startlöchern zu ihrer Broadway-Premiere. Doch Myrtle Gordon, ein großer Schauspielstar in den USA, ist unzufrieden mit ihrer Rolle. Sie soll eine Frau jenseits der 40 ohne Kind und festen Partner spielen, deren Alterungsprozess sie in eine tiefe Lebens- und Beziehungskrise stürzt. Myrtle fühlt sich aufs soziale Abstellgleis gedrängt, flüchtet sich in den Alkohol und sabotiert die Proben. Alle haben Angst vor der Premiere, vor der Nacht der Entscheidung, der „opening night“.
Mirja Biel eröffnet die Spielzeit mit der Adaption von John Cassavetes‘ Films „Opening Night“ (1977) am 5. Oktober um 18.30 Uhr im Großen Haus des Stadttheaters Ingolstadt. Nach der Premiere beginnt um 22.30 Uhr im Festsaal das Willkommens-Konzert von Shantel & Bucovina Club Soundsystem. Karten gibt es im Vorverkauf und an der Abendkasse, Telefon (08 41) 30 54 72 00, theaterkasse@ingolstadt.de. Für Premierenbesucher ist der Eintritt zum Konzert frei.
DK
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