Zehn Folgen lang konnte man Leo Reisinger alias Toni Hasler dabei zusehen, wie der „Babyflüsterer“ zwischen Ex-Frau, Männer-WG, Taxischichten in München überlebt. Gerade steht der Schauspieler in Wien für Dreharbeiten zu „Blind ermittelt“ vor der Kamera. Aber er ist auch Schreiner, Bedienung, Gemüselieferant, Skilehrer, Pianist und seit kurzem Buchautor.
Herr Reisinger, so viel Jobs! Ist Ihnen schnell langweilig oder wie kam es dazu?
Leo Reisinger: Ich bin ja schon 46, da sammeln sich schon ein paar Jobs an. (Er lacht.) Im Ernst: Die Vielseitigkeit liegt mir im Blut. Schon mit vier Jahren habe ich das Glockenspiel vom Münchner Rathaus für meine Verwandtschaft nachgespielt – mitsamt den beiden Turnierrittern. Bei mir kamen halt Kochlöffel zum Einsatz. Ich glaube, da fing meine künstlerische Laufbahn an. Denn ich hatte ein Publikum, das sich sehr darüber amüsierte. Auf Wunsch meiner Eltern lernte ich Klavier spielen. Und im Teenageralter kam die Band dazu: Leos Live-Band. Wir spielen seit 25 Jahren in der gleichen Besetzung.
Aber dann kam erst die Schreinerlehre.
Reisinger: Es heißt ja immer: Handwerk hat goldenen Boden. Ich habe gern mit Holz gearbeitet und bin auch nicht untalentiert. Aber als Pianist ist der Schreinerberuf semioptimal. Man braucht halt alle Finger.
Und der Job als Gemüselieferant?
Reisinger: Nach meiner Schreinerlehre habe ich meinen Zivildienst als Rettungssanitäter abgeleistet. Mein bester Freund und Musikkollege Christian hat dann gesagt: Wer Krankenwagen fahren kann, der kann auch Obst und Gemüse ausliefern. Also habe ich mit der Arbeit auf dem Großmarkt begonnen. Das wurde okay bezahlt. Auch wenn ich schon damals eine Künstlerlaufbahn im Kopf hatte – der Weg ist das Ziel. So war das auch mit der Wiesn. Man wusste immer schon, dass man auf dem Oktoberfest gutes Geld verdienen kann. Ich habe die Wiesn immer gemocht. 20 Jahre habe ich dort als Bedienung gearbeitet. Das war anstrengend, doch über den Winter war das Portemonnaie gut gefüllt.
Wann kam der Entschluss zur Schauspielerei?
Reisinger: Ich hatte mich beim Robinson Club beworben, weil ich unbedingt ins Ausland wollte. Dann ging es für mich nur in die Schweiz. Für einen Bayern ist das ja nur bedingt Ausland. Dort arbeitete ich als Mountainbike- und Snowboardlehrer. Aber: Man ist immer auch Teil der Bühnenshows und ich habe Lunte gerochen. Ein Bühnenbildner, der eigentlich an einem Berliner Theater Kulissen baut, hat zu mir gesagt: Du gehörst auf eine Schauspielschule. Also habe ich mich tatsächlich in München an drei Schauspielschulen beworben – und bin genommen worden.
Überregional bekannt geworden sind Sie vor allem mit der ARD-Serie „Toni, männlich, Hebamme“, die fünf Jahre lang lief und wo Sie die Hauptrolle gespielt haben. War es nach diesem Erfolg wieder Zeit für ein neues Projekt – den eigenen Roman?
Reisinger: Nein, die Hebammen-Reihe begann 2018, die Idee zum Buch keimte schon seit 2013 in mir. Ich habe zwischendurch immer wieder auf dem Großmarkt gejobbt. Einfach um meine Familie zu ernähren. Und weil ich mich mal darüber „beschwert“ hatte, wie schlecht Drehbücher manchmal sind, dachte ich: Dann schreibe ich selbst ein besseres. „Bavarese“ war zuallererst ein Drehbuch. Wir hatten sogar schon einen Produzenten und einen Trailer. Dann kam Corona. Und der Stillstand. Und durch glückliche Fügung ein Verlag, der sich für den Stoff interessierte.
Ein bisschen liest sich das Buch wie eine Serie: mit Episodenhighlights und Cliffhangern.
Reisinger: Das Buch hat auch keinen richtigen Antagonisten. Das System ist der Antagonist. Ich wollte erst mal die Welt der Gastronomie erklären und in welchem Verhältnis die Figuren zueinander stehen, wie alles zusammenhängt: Gastronomie, Politik, Mafia. Es sollte eine Kritik am Raubtierkapitalismus sein, wo München stellvertretend für die Welt steht und wo sich zwei Underdogs den Weg zueinander bahnen.
Wie sahen die Recherchen aus?
Reisinger: Dadurch, dass ich sowohl auf dem Oktoberfest als auch auf dem Großmarkt gearbeitet habe, kenne ich das Milieu sehr gut. Viele Situationen aus dem Buch haben sich tatsächlich ereignet – oder könnten sich so ereignen. Die Leute aus der Gastronomie oder am Großmarkt, die das Buch gelesen und manche Ereignisse nachvollziehen können, haben den größten Spaß damit. Aber natürlich ist vieles Fiktion.
Und wann geht die Serie an den Start?
Reisinger: Wir stellen gerade zusammen mit einer Produktion ein Konzept auf. Mir ist wichtig, dass wir mit der Geschichte auch visuell das Publikum begeistern. Und natürlich würde ich gern den Sepko spielen.
Wird es denn eine Fortsetzung geben?
Reisinger: Es ist ähnlich wie bei „No Country for Old Men“: Die Bösewichte bekommen alle ihr Fett weg. Aber der Preis für die Überlebenden ist hoch. Ich habe tatsächlich schon eine Idee für ein zweites Buch. Aber es wird nicht „Bavarese 2“ sein.
„Bavarese“ heißt bayerisch auf Italienisch. Warum haben Sie das Buch so genannt?
Reisinger: Das war schon immer der Arbeitstitel. Man verbindet die Mafia automatisch mit Italien. Und wir haben deren Geldwäscheapparat quasi direkt vor der Haustüre. Der Titel erzählt das bayerisch-italienische System mit.
Gibt es noch einen neuen Beruf, den Sie lernen wollen?
Reisinger: Eine Yoga-Ausbildung würde ich gern noch machen – und irgendwann Regie führen. Außerdem interessiert mich Nachwuchsarbeit. Unsere Medienwelt verändert sich gerade stark, ich glaube die Jungen und die Alten könnten viel voneinander profitieren.
DK
Die Fragen stellte Anja Witzke.
Leo Reisinger liest am Sonntag, 3. November, um 20 Uhr im Rahmen der Pfaffenhofener Lesebühne im Rathausfestsaal aus seinem Krimi „Bavarese“.
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