„Ist unbegrenztes Wachstum wirklich die Antwort auf alles?“ Dieser Frage widmet die Bildhauerin und Malerin Alexandra Fromm ihre vier Meter hohe Installation aus einer Zeichnung und Plastiken im Eingangsbereich der Harderbastei.
In der umfangreichen Einzelausstellung mit dem Titel „Alles mit allem verbunden – verwandt“ thematisiert die Künstlerin die Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur in über achtzig Werken. Die Pianistin und Komponistin Masako Ohta begleitete die Vernissage am Samstag mit ihren wunderbaren Improvisationen.
„Babylonisches Wachstum“ mit Tusche und Acryl
Die Tuschezeichnung „Babylonisches Wachstum“ zeigt auf einer langen Papierbahn den Turmbau zu Babel, ein Symbol für die Leistungsfähigkeit des Menschen, aber auch für seine Hybris. Das ohnehin schon fragile Gebäude hat die Künstlerin auf den Kopf gestellt.
Darauf setzt sie noch ein Konglomerat aus Wolkenkratzern, das sich in einer gefährlichen Schieflage befindet. Das Thema des „babylonischen Wachstums“ greift Alexandra Fromm auch in einem Acrylgemälde und einer Plastik aus Pappe auf.
Auf einem zerbrechlich wirkenden, fragmenthaften Untergrund thront eine düstere Stadt aus Hochhäusern, deren Einsturz und Untergang nur eine Frage der Zeit zu sein scheint.
Bronzeplastik: „Aufstand der Insektoiden“
Einige von Fromms faszinierenden Insektoiden – Hybride aus Mensch und Insekt – scheinen sich dem Betrachter auf langen Stelzen bedrohlich zu nähern, um sich aufzulehnen: Gegen Naturzerstörung, Insektenvernichtung und grenzenloses (Wirtschafts-) Wachstum. Auch als Papierrelief und als kleinere Bronze ist der „Aufstand der Insektoiden“ zu sehen.
Vielleicht wäre die Verschmelzung von Mensch und Insekt die Lösung für ein Leben in Einklang mit der Natur, so die These der Künstlerin. Die Plastik „Metamorphose“ aus hellgrünem Papier über Draht demonstriert solch eine unheimliche Verwandlung.
Die kräftigen Beine stecken zum Teil noch in der Hülle. Der Oberkörper wirkt menschlich, ist aber mit angelegten Flügeln versehen. Auf dem Kopf trägt die Figur Insektenfühler.
„Homo Scarabaeus“: Mischwesen aus Mensch und Käfer
Fromms Hybriden lassen sich schwer fassen. Bei einigen scheinen die humanen Elemente zu überwiegen, bei anderen die tierischen. „Ferne Verwandte“ nennt die Künstlerin die kleineren, witzigen und poetischen Plastiken aus Papier und Draht, die sie auch in zarten Aquarellen ausgeführt hat. Da gibt es den „Homo Locusta“ oder den „Homo Scarabaeus“, Mischwesen aus Mensch und Heuschrecke oder Käfer.
Alexandra Fromm setzt ihre Ideen in einer beeindruckenden Bandbreite an Techniken um. Am Anfang eines Schaffensprozesses entstehen Skizzen und Zeichnungen, gefolgt von dreidimensionalen Arbeiten. Sie präsentiert Plastiken aus Papier und Draht oder aus Polymergips, Skulpturen aus Speckstein, Bronzen, Papierreliefs, Tuschezeichnungen auf Reispapier und Aquarelle.
Drang nach Freiheit und Entfaltung
In den in sanften Farben gehaltenen Acrylgemälden „Aug in Auge“ und „Ebenbild“ stehen Insekten und Insektoide einander gegenüber. Das Hybridwesen rechts im ersten Bild wirkt grimmig, der Ausgang der Begegnung ist ungewiss. Im zweiten Bild scheinen sich die Figuren einander angenähert zu haben.
Die Künstlerin interessiert sich stets für „menschliche Grundbefindlichkeiten“ und thematisiert diese zum Beispiel in der ausdrucksstarken Bronzeplastik „Schmerzhafte Häutung“ und den gleichnamigen Tuschezeichnungen. Verkrümmte, menschliche Figuren folgen ihrem Drang nach Freiheit und Entfaltung, indem sie sich aus einer Art Verpuppung heraus kämpfen – auch hier wieder die Nähe zu den Insekten. Diese hochaktuelle und vielfältige Ausstellung sollte man sich nicht entgehen lassen.
DK
Die Ausstellung ist noch bis zum 2. Februar in der Städtischen Galerie in der Harderbastei am Oberen Graben 55 in Ingolstadt, von Donnerstag bis Sonntag, 11bis 18 Uhr, zu sehen.
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