Ingolstadt
Nachruf auf Peter Rein: „Das Theater im Umbruch vorangebracht“

18.04.2022 | Stand 23.09.2023, 1:53 Uhr

Peter Rein war von 2001 bis 2011 Intendant am Theater Ingolstadt. Foto: Schulze-Reimpell

Von Katrin Fehr

Peter Rein, ehemaliger Intendant am Theater Ingolstadt, ist 59-jährig gestorben.

Seine erste Spielzeit in Ingolstadt begann Peter Rein mit einem Kinderstück, der Uraufführung von Sybille Neuhaus‘ „Thomastag“. Am 15. September 2001 unter den Eindrücken der Terroranschläge in den USA vom 11. September. „,Thomastag‘ ist ein Stück, das von Ängsten, von Toleranz und von respektvollem Miteinander erzählt“, sagte Peter Rein damals. „Da geht es um Fragen, die man immer stellen muss und stellen kann – auch in solchen Momenten.“ Seine Zeit als Intendant endete mit einem rauschenden Beatles-Musical im Turm Baur, bei dem Rein noch einmal alle Register gezogen hat. Kinder- und Jugendtheater und musikalische Produktionen: Beides begeisterte ihn, beides prägte seine Jahre in Ingolstadt neben vielem anderen ganz besonders. Von 2001 bis 2011 war Peter Rein Intendant am Theater Ingolstadt, wie es damals noch hieß. Nun ist er 59-jährig gestorben. Er war krank, wird berichtet. Das Stadttheater Ingolstadt teilt am Wochenende aber mit, sein Tod sei nun doch überraschend gekommen.



Regiedebüt 1991



Rein, 1962 in Donauwörth geboren, besuchte von 1986 bis 1989 das Wiener Max-Reinhardt-Seminar. 1991 debütierte er als Regisseur und war unter anderem in Kassel, Braunschweig, Konstanz, Oldenburg, Leipzig und Karlsruhe tätig. 1996 wurde er Oberspielleiter am Erfurter Theater. Mit 38 Jahren kam er nach Ingolstadt, folgte auf den langjährigen Intendanten Wolfram Krempel. Er verantwortete 200 Premieren, 10 Spielpläne, die mal mit dem Thema „Emanzipation“ und der Selbstfindung des Menschen in einer immer flüchtig werdenden Welt, mal mit dem Freiheitsbegriff, mal mit dem Satz „Edel sei der Mensch hilfreich und gut“ aus Johann Wolfgang Goethes Gedicht „Das Göttliche“ oder mit „Wege zum Glück“ überschrieben waren.

Die Bandbreite seiner Inszenierungen reichte von der Beschäftigung mit den großen Klassikern wie „Hamlet“, „Faust I und II“ oder „Don Karlos“ über Komödien wie „Drei Mal Leben“ von Yasmina Reza und über deutschsprachige Erstaufführungen wie „Der Gesandte“ von Thomas Hürlimann hin zu musikalischen Produktionen wie „Kiss me Kate“, dem „Weißen Rössl“ oder Opernproduktionen wie Verdis „Otello“. Unvergessen dürfte die Inszenierung der „Dreigroschenoper“ unter Mitwirkung der Ingolstädter Band Slut sein.

In seine Zeit als Intendant fielen aber auch kritisches bayerisches Volkstheater, die Neufassung von „The Räuber“ nach Schiller mit der Band Bonfire (Regie: Pierre Walter Politz), der permanent ausverkaufte Liederabend „Johnny Cash: The Man in Black“ von Pierre Walter Politz und Thomas Schwarzer, die Uraufführung von Kerstin Spechts biografisch geprägtem Stück über Marieluise Fleißer oder „Sorbas“ mit Musik von Konstantin Wecker unter der Regie von Pavel Fieber.

Anfängliche Irritationen



Thomas Schwarzer, der die ganze Intendanz über als Dramaturg und dann auch als Pressesprecher mit Rein zusammengearbeitet hat, erinnert sich an viele Geschichten und Inszenierungen. Und dass sich Rein anfangs eher den Klassikern widmete, später dann vermehrt Musicals und musikalische Produktionen auf die Bühne gebracht habe. Etwa „Blues Brothers – Unterwegs im Auftrag des Herrn“ oder „The Rocky Horror Show“. „Das hat sehr viel Spaß gemacht.“

Schwarzer erinnert sich aber auch an anfängliche Irritationen in Teilen des Publikums. „Das war ein Generationenwechsel. Nach Ernst Seiltgen und Wolfram Krempel, die beide über 60 waren, kam Rein mit seinen 38 Jahren.“ Und auch Kulturreferent Gabriel Engert, der den frühen Tod von Rein „tragisch“ nannte, sagte am Montag auf Nachfrage: „Peter Rein musste nach der Ära Seiltgen und Krempel neue künstlerische Akzente setzen, hat das Theater im Umbruch vorangebracht.“ Sowohl Engert als auch das Stadttheater Ingolstadt würdigen den Theatermacher aber auch für seinen Einsatz und den Aufbau des Kinder- und Jugendtheaters sowie die Stärkung der Theaterpädagogik. Das Stadttheater schrieb nicht nur, dass Rein das Theater „als Ort des öffentlichen Diskurses“ etabliert habe, sondern hob auch seinen Erfolg hervor, das Theater für junge und neue Publikumsschichten zu öffnen. Engert sprach „von Reins Baby, dem Kinder- und Jugendtheater“, das es davor in der Form nicht gegeben habe.

Rein, für den Theater immer etwas damit zu tun hatte, wie er einmal sagte, über den Sinn des Lebens nachzudenken und Impulse zu setzen, wollte Theater für alle bieten. Eben auch für die kleinsten Besucher, zum Beispiel mit mobilen Produktionen, mit vier regelmäßigen Kinder- und Jugendstücken in den Spielstätten. Jürg Schlachter inszenierte etwa die umjubelten Uraufführungen des Kindermu(h)sicals „Die Kuh, die wollt‘ ins Kino gehn“ oder „Ritterland“ von Margit Sarholz und Werner Meier im Großen Haus. Reins Konzept ging auf, das Kinder- und Jugendtheater erlebte stetige Zuwachszahlen.

2006 wurde im ehemaligen Theater am Turm, Baur das neue „Kleine Haus“ „als Spielstätte für junges Theater für junges Publikum“ eröffnet. Mit Raum für Improvisationsformate und Experimentellem. Im Team damals Julia Mayr, inzwischen Leiterin des Jungen Theaters, Falco Blome, inzwischen einer der Leiter des Altstadttheaters, und Karoline Kunz. Diese sagte damals über Peter Rein: „Es gibt wenige Intendanten, die junge Regisseure gleich eigenständig inszenieren lassen. Er sagte: ,Macht mal!‘“

Nach seiner Zeit in Ingolstadt



Nach seiner Zeit in Ingolstadt war Peter Rein als freier Regisseur, unter anderem am Pfalztheater Kaiserslautern, am Landestheater Niederbayern, am Theater Pforzheim und am Südthüringischen Staatstheater Meiningen tätig. 2017 gastierte sein gefeiertes Musical „Falco“ in Ingolstadt. Zuletzt war Peter Rein, der in Berlin lebte, Geschäftsführer der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Thüringen, dem Dachverband der Träger und Akteure der kulturellen Kinder- und Jugendbildung in Thüringen und Träger der freien Jugendhilfe.

In seinem letzten Interview im DONAUKURIER im Juli 2011 antwortet er auf die Frage, was ihm in zehn Jahren wohl zu Ingolstadt einfallen werde:„Was ich in Erinnerung behalten werde, ist, dass die Ingolstädter, bei aller Heterogenität des Publikums, wirklich theaterbegeistert sind. Es waren zehn gute Jahre. Mit viel Reibung, viel Auseinandersetzung, mit viel Interesse an unserer Arbeit und vielen bewegten und bewegenden Abenden.“

Die Musiker von Slut haben am Wochenende auf Facebook auf den Tod von Rein reagiert: „Danke, dass Du uns damals gefragt hast, die Band in der Dreigroschenoper zu sein, Peter.“ Und sie zitieren aus eben diesem Werk Brechts: „Das Recht des Menschen ist‘s auf dieser Erden/Da er doch nur kurz lebt, glücklich zu sein.“

DK