Immer sonntags: Fensterkonzerte im Kap94
Musik für alle, auch bei Regen

Überraschungsabende am Künettegraben bei freiem Eintritt

16.09.2024 | Stand 16.09.2024, 19:00 Uhr |

Sängerin Lizzy McGee und Gitarrist Steven McGee bestreiten das jüngste Fensterkonzert am Sonntag. Sie befinden sich im Gebäude, während das Publikum vor dem Kap ein Open-Air-Erlebnis hat. Foto: Weinretter

Kein Eintritt, keine Tickets, dafür Wohlfühlatmosphäre am Künettegraben: Immer Sonntags sitzen Musikerinnen und Musiker in den Fenstern des alten Festungsbaus an der Schlosslände und spielen für die Passanten auf der anderen Seite des Künettegrabens.

Von den umherziehenden grauen Wolken am Himmel lässt sich Franz Waldmüller nicht verunsichern. Es ist das 128. Fensterkonzert im Kap94, das er als Tontechniker betreut, da bringt ihn das Wetter nicht mehr so leicht aus der Ruhe.

Die Konzertserie, die bei freiem Eintritt an fast jedem Sonntagnachmittag um 18 Uhr am Künettegraben stattfindet, ist eines der vielen Projekte, die während der Corona-Pandemie entstanden ist. Und eines der wenigen, die es über die Pandemiezeit hinausgeschafft und sich zu einer festen Größe entwickelt haben. Fünf Termine stehen in diesem Jahr noch an, bis es endgültig zu kalt ist: Am 20. Oktober findet das letzte Fensterkonzert 2024 statt.

Wer spielt und was gespielt wird, ist eine Überraschung

„Abstand zu den Singenden war damals ja das Wichtigste. Und der Künettegraben macht einen ganz schönen Abstand aus“, erzählt Waldmüller im Gespräch. Deswegen Fensterkonzert: Die Künstlerinnen und Künstler singen und spielen aus dem Fenster der Kunst- und Kulturwerkstatt hinaus nach draußen. Das Publikum sitzt auf dem Grünstreifen auf der anderen Seite des Grabens. Unter den Bäumen, mit Blick auf den grün bealgten Wassergraben und das ehemalige Festungsgebäude, ist es schon eine besondere Open-Air-Stimmung, die viele Stammgäste liebgewonnen haben. Die Größe des Publikums schwankt immer, je nach Wetterlage und abhängig davon, welche Konkurrenzveranstaltungen in Ingolstadt anstehen. „Aber es gibt so zwanzig, dreißig Gesichter, die man immer wieder sieht.“ Eine weitere Besonderheit: Wer spielt und was gespielt wird, ist eine Überraschung. Außer Volksmusik, Klassik, Jazz und vielleicht noch Hip-Hop kann das alles sein. Von der Zither bis zum Elektro-Set.

Franz Waldmüller erledigt neben der Tontechnik auch das Booking. Er hat eine Liste an regionalen Acts, gut 200 sagt er, aus denen er auswählen kann.

Wichtig ist ihm da vor allem die Kreativität der Musikerinnen und Musiker, nicht der Fakt, ob es Newcomer oder alte Hasen sind, die im Fenster stehen.

Die Konzertreihe konnte sich anfangs vor allem durch das Förderprogramm „Neustart Kultur“ finanzieren, dann teilweise durch eine Förderung der Stadt Ingolstadt. Die Neustart-Finanzspritze des Bundes fiel ab 2024 weg, deswegen musste die Reihe auch erstmals eine Sommerpause einlegen. Denn Waldmüller ist es wichtig, die künstlerische Leistung der Acts auch zu entlohnen – auch wenn viele leidenschaftliche Bands dabei sind, die sich einfach freuen, vor Publikum spielen zu dürfen. „Trotzdem gehört das Honorar dazu.“

Spenden vom Publikum kommen zwar auch einige, aber das reicht nicht aus. Das Team der Kunst- und Kulturwerkstatt muss immer wieder kämpfen, um die Künstler-Gagen zu stemmen.

Deshalb erinnert Kap-Vorstand Johannes Greiner in seiner kurzen Begrüßung noch einmal daran, dass es auch Fördermitgliedschaften bei dem gemeinnützigen Verein gibt, um die Konzerte zu unterstützen – mit 2 Euro im Monat ist man dabei.

An diesem grauen Sonntag im September steht ein Duo auf dem Programm: The Mellow McGees aus Ingolstadt. Sängerin Lizzy McGee und Gitarrist Steven McGee. Seit kurzem sind die beiden auch mit Verstärkung am Klavier unterwegs, der Pianist fällt krankheitsbedingt an diesem Abend jedoch aus.

Macht nichts, sagen sich Lizzy und Steven und liefern gefühl- und kraftvolle Arrangements für Gitarre und Gesang: von Adele über Beth Hart bis zu eigenen Songs. Bis zur Halbzeit hält es das Publikum auf den (Liege-)Stühlen aus, dann werden aus vereinzelten Regentropfen immer mehr. Also zieht das Publikum in den Saal, Lizzy und Steven drehen sich um 180 Grad und das Konzert geht auf sehr viel kleinerer Distanz weiter. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich einen anderen Pulli angezogen“, witzelt Steven.

„Die Fensterkonzerte sind etwas ganz Extravagantes“

Die träumerische und melancholische Draußen-Atmosphäre rückt jetzt in den Hintergrund und Lizzys starke Soul- und Rockstimme kommt noch einmal besser zur Geltung. Berührend: der eigene Song „Boys Don’t Cry“ mit einer starken Botschaft zu Geschlechterklischees und der Stärke, zu den eigenen Gefühlen zu stehen. „It’s okay“ erinnert auf ermutigende Weise daran, dass auch kleine Schritte in die richtige Richtung ein großer Erfolg sein können.

Mit „Legendary“ beschließen die beiden den Abend und geben dem begeisterten Publikum gerne noch eine Zugabe: „You’re Welcome“, wieder ein selbst geschriebener Song.

„Die Fensterkonzerte sind etwas ganz Extravagantes. Das macht keiner nach“, sagt Irmi Chalupa-Kneitz. Sie und Johannes Habermeier sind Fensterkonzert-Gänger der ersten Stunde. Den Regenschirm hat Chalupa-Kneitz im trockenen Kap-Saal nun doch nicht gebraucht. Aber sie hätte sich auch mit dem Schirm in den Regen gestellt, um The Mellow McGees zuzuhören.

DK

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