Und wenn sie nicht gestorben sind...
Musical „Aschenputtel“ gastiert im Deutschen Theater in München

01.08.2024 | Stand 02.08.2024, 16:11 Uhr |
Barbara Reitter-Welter

Das Musical „Aschenputtel“ in der Regie von Bart De Clercq gastiert am Deutschen Theater in München. Myriam Akhoundov gibt ein munteres Aschenputtel. Foto: Hendrik Nix

Es verlangt die Quadratur des Kreises, ein Kindermärchen so zu inszenieren, dass vom Kleinsten bis zur Oma alle etwas darin finden: die Kids ihre alltäglichen Probleme mit (Helicopter)Eltern, die älteren Jahrgänge Witze über vegetarische Ernährung und esoterische Techniken wie Auspendeln des richtigen Karmas.

Denn an Prinz Benedikt wird all das exemplifiziert, woran Kinder leiden, als da ist der Leistungsdruck, Motto „Bildung zählt“ und das Durchsetzungsvermögen „Herrschen und Kämpfen“. Da bleibt dem armen Knaben eigentlich nur sein Dauersong „Ich will ich selber sein...“

Munteres Aschenputtel: Myriam Akhoundov

Aber eigentlich ist nicht er die Hauptfigur, sondern Konstanze, das „Aschenputtel“, das sich zum Happy End mit ihm vermählt (munter Myriam Akhoundov, hölzern Soufjan Ibrahim). Das bekannte Grimm’sche Märchen gastiert als Musical im Deutschen Theater, produziert von den „Brüder Grimm Festspielen Hanau“, wo es seit Jahrzehnten Tradition ist, während der Sommermonate im Schlosspark von Philippsruhe einen der insgesamt 200 von den beiden Sprachwissenschaftlern gesammelten, mündlich überlieferten Texte aufzuführen.

Bart De Clercq, in Personalunion Regisseur und Choreograph, hat „Aschenputtel“ leicht modifiziert, gab den typisierten Protagonisten Namen, modernisierte behutsam die Sprache mit Ausdrücken wie „Wow“ oder „Quatsch“, beließ aber wie Walt Disney bei dessen Adaption „Cinderella“ den Grundplot: Böse Stiefmutter und ihre zwei zickigen Töchter drangsalieren das Mädchen, dessen Vater auf Geschäftsreise ist, degradieren sie zur Magd und demütigen die gutherzige Halbwaise.

Präsente Zauber-Fee: Alexandra Farkic

Weshalb die eine Schwester penetrant sächselt und die andere den Running Gag falsch verwendeter Fremdwörter („hygienisch“ statt „hysterisch“, „Hydrant“ statt „Kohlehydrat“) überstrapaziert, erschließt sich neben ein paar dramaturgischen Ungereimtheiten allerdings nicht so recht. Bis sich mit Hilfe der Zauber-Fee Griseldis (mit großer Präsenz: Alexandra Farkic) und den helfenden Täubchen alles zum Guten wendet, erlebt das Publikum jedoch dank sympathischer Sänger-Schauspieler mit einem Faible zur plakativen Überzeichnung ein animiertes Spektakel, nicht zuletzt dank der ansprechenden Musik des Komponisten Marc Schubring.

Märchen geschickt auf Kernszenen reduziert

Ohrwurmqualität entfaltet leider nur ein einziger Song, das gefühlige Lied „Alles wird gut“, doch die genreübergreifenden Melodien zwischen Klassik und Schlagerkultur der 30er Jahre, gemixt mit Swing, Pop und Marsch, welche von vier Musikern mit Verve begleitet werden, sind zwar ohne Highlights, aber durchaus abwechslungsreich.

Zeit- und ortlos die ästhetisch neutrale Bühneninstallation mit drei Showtreppen, die perfekt getimt den Wechsel zwischen dem bürgerlichem Ambiente des reichen Kaufmanns und dem Königshof ohne Umbauten nachvollziehbar machen.

Die gute Fee agiert als Spielmacherin, denn sie erzählt und rafft das Märchen, das geschickt auf Kernszenen reduziert ist, die immer wieder wunderbar komödiantisch aufgeladen sind. Wie immer haben die Bösen die besten Rollen, besonders Stiefmutter Dorabella (herrlich exaltiert Elisabeth Ebner).

Inszenierung kennt nur Schwarz-Weiß

Den komödiantischen Höhepunkt bildet der Ball bei Königs, zu dem potenzielle Bräute aus reichem Hause geladen sind – ein Aufmarsch köstlicher Comic-Figuren, bei denen auch an Diversität gedacht wurde. Witzig auch die Suche nach der rechten Trägerin des goldenen Schuhs, der mit rasantem Tempo zur artistischen Highheel-Jonglage wird.

Im Gegensatz dazu überzeugen aber auch jene poetischen Bilder, bei denen die berühmten Täubchen, hier von vier Darstellern mit Lenkstangen gesteuert, zum Einsatz kommen. Zwar kennt die Aufführung nur Schwarz-Weiß – doch so bedient sie alle.

DK




ZUR PRODUKTION

Theater:

Theatersaal,

Deutsches Theater München

Regie und Choreographie:

Bart De Clercq

Musik:

Marc Schubring

Vorstellungen:

bis 10. August 2024

Kartentelefon:

(089) 55 234 444

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