Mit Witz und Eleganz

Meister der kleinen Formen: Max Goldt bei den Ingolstädter Kabaretttagen

27.11.2022 | Stand 19.09.2023, 3:22 Uhr

„Ein großer Stilist mit einer sehr spezifischen Albernheit“: Max Goldt las am Freitagabend in der Neuen Welt. Foto: Leitner

Von Karl Leitner

Ingolstadt – Vor knapp zwei Monaten hat der Schriftsteller Max Goldt den hoch dotierten „Jacob Grimm-Preis Deutsche Sprache“ erhalten. Er sei „ein Meister der kleinen Formen, ein strenger Stilist, doch gleichzeitig offen für sehr freie poetische Formen, … ein wirkmächtiger Kritiker schludriger Sprache, in der sich schlampiges Denken offenbart“, hieß es in der Begründung.

Seine Leidenschaft für Sprache begann, als er als Kind die Bedeutung der Wortes „anhalten“ entdeckte. „Das Auto, das anhält, ist ein Auto, das aufhört zu fahren. Ein anhaltender Regen ist hingegen ein Regen, der nicht aufhört, vom Himmel zu fallen.“ Das ist ebenso logisch wie komisch und gibt Einblick in sein Faible für eine ganz eigene Art von Humor. Er sei ein „großer Stilist mit einer sehr spezifischen Albernheit“, kann man über ihn lesen, er sei ein Meister der Beobachtung, ein genialer Erzähler alltäglicher Dramen und Banalitäten, und seine Bücher, nicht selten Sammelbände mit Glossen, Kolumnen, Satiren und Szenen aus der „Titanic“ und anderen Publikationen, werden immer wieder als eine Art Chronik der Nachwendejahre bezeichnet.

Goldts Bücher zu lesen und seine CDs zu hören, ist das pure Vergnügen, das nur dadurch zu toppen ist, dass der Autor sie einem selber vorliest. So geschehen in der Ingolstädter Neuen Welt, in der er anlässlich der Kabaretttage sein neues Werk „Lippen abwischen und lächeln“ und auch von ihm für die Bühne in die Abteilung Prosa transferierte Szenen aus seinen „Katz & Goldt“-Comics vorstellt. Zuerst geht’s um die Begriffe Humor, Witz und Komik und die weit verbreitete Verwirrung um die tatsächliche Bedeutung derselben, im Text „Petra Gerster vs. David Bowie“ mahnt er die schlampige Recherche öffentlich-rechtlicher Nachrichtenredaktionen an, dann sind die Alltagsszenen dran, die Titel tragen wie „Der Einzelesser und die inversive junge Familie“, und schließlich belegt er mit „Charlys Tante in der Wüste“ (Thema: Katar) und „Über kaltes Duschen“ (Thema: Energieeinsparung), dass seine Texte, obwohl schon vor Jahren verfasst, hochaktuell sein können.

Goldt legt keinen Wert auf schnelle Pointen und hat mit den Vertretern des medial grassierenden und völlig humorlosen Brüll- und Krach-Kabaretts absolut nichts zu tun. Höflichkeit, sprachliche Eleganz auch bei Themen, die diese bisweilen gar nicht verdienen, lakonischer Witz – das sind die Mittel, derer er sich bedient. Goldt zeigt Haltung, klagt an, analysiert und benennt, was ihn stört, aber immer mit Stil. Wenn er als skeptisch-amüsierter Augenzeuge eine Braue hochzieht oder stimmlich in den Modus der Ironie schaltet, dann ist das ungleich wirkungsvoller als das permanente Dauergeblöke seiner Kollegen. Deswegen spitzt man an diesen Stellen besonders die Ohren.

Und hört mitunter zwar verwegene, aber eben gleichzeitig auch lustige und irgendwie logische Äußerungen. „Ohne Warmduscher wären Atomkraftwerke unnötig“, sagt er einmal, um dann die Frage anzuschließen: „Gibt’s eigentlich auch Warmduscherinnen?“ Und schließlich: „Der Mann wechselt mit dem Tod das Geschlecht. Aus der Mann wird die Leiche. Für Frauen gilt das nicht.“ – Wie konnte dieser Umstand all den Gender-Ultras bislang nur verborgen bleiben?

DK