Ulrich Hub über sein Kinderstück:
„Meine Tierfiguren sind in Wirklichkeit nur Tarnung“

Das Junge Theater Ingolstadt startet mit „Pinguine können keinen Käsekuchen backen“ in die Spielzeit

01.10.2024 | Stand 01.10.2024, 19:00 Uhr |

Ulrich Hub schreibt so kluge wie komische Kinderstücke und meint: „Gutes Erwachsentheater sollte mehr wie Kindertheater sein.“ Käsekuchen mag er nicht. Foto: privat

Eigentlich ist es klar: Eine Kuchen steht nie irgendwo einfach so rum. Er gehört jemandem. Das ist den Pinguinen aber egal. Sie essen ihn auf – und haben dann ein Problem, als der Maulwurf seinen Geburtstagskuchen einfordert. „Pinguine können keinen Käsekuchen backen“ heißt das Kinderstück von Ulrich Hub, mit dem das Junge Theater Ingolstadt am 6. Oktober um 16 Uhr seine Spielzeit in der Werkstatt eröffnet.

Herr Hub, wann fällt einem denn so ein Satz ein: „Es ist gefährlich, einen Käsekuchen einfach so herumstehen zu lassen.“
Ulrich Hub: Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht mehr, aber ich erinnere mich, dass mir die Idee gefallen hatte: Im Theater hebt sich der Vorhang und auf einer Bühne ist nichts zu sehen – nur ein Kuchen. Das Publikum kann zwar nicht erkennen, was das für ein Kuchen ist, aber weiß es trotzdem, immerhin kennt es den Titel des Stücks und hat also schon selbstständig gedacht, bevor irgendjemand auf der Bühne auftaucht und das erste Wort fällt.

Wie fangen Sie Ihre Stücke an? Gibt es da erst das Personal? Den Konflikt? Eine Kucheneinladung? Und wie wird aus der Idee ein Stück?
Hub: Am schwierigsten für mich ist, mich überhaupt erst einmal hinzusetzen und mit dem Schreiben anzufangen. Dabei entstehen die meisten Ideen sowieso nicht am Schreibtisch. Ich überlege mir oft, wovor ich selbst am meisten Angst habe, und konfrontiere Figuren mit genau solch einer Situation. Oder ich erfinde Figuren, die sich unter keinen Umständen begegnen dürfen, und lasse sie sich so schnell wie möglich begegnen. Ich suche gerne nach Elementen, die zusammenpassen. Zum Beispiel, was befindet sich in einem Hühnerei? Eine Pistole!

Für welche Theaterstücke können Sie selbst denn begeistern?
Hub: Für jede Menge. Meine All-time-Favourites sind „Die Wildente“ und „Die Möwe“ – wobei es ehrlich gesagt reiner Zufall ist, dass hier Tiere, sogar Vögel, im Titel vorkommen. Bei Ibsen interessiert mich der Konflikt zwischen Wahrheit und Lüge, in der Wildente wird ein Kind das Opfer der Erwachsenen. In Tschechows Stück verhindern etablierte Künstler, dass die nachkommende Generation eine Chance bekommt. Ich bin ein großer Freund von Lessings Frauenfiguren, schon allein weil sie so klug und witzig sind. „Kann man denn nicht auch lachend sehr ernsthaft sein?“, fragt Minna von Barnhelm.

In Ingolstadt stand auch Ihr Stück „An der Arche um acht“ auf dem Spielplan. Da gab es gleich drei Pinguine. Was mögen Sie an Pinguinen?
Hub: Vermutlich müssen Pinguine aus der Sicht anderer Vögel lächerlich wirken. Sie haben Federn und können nicht fliegen, aber schwimmen und riechen sehr streng. Ich habe großes Mitgefühl für traurige Figuren, die nirgendwo dazu gehören, weil sie nicht nach den Erwartungen anderer funktio- nieren – Sonderlinge, Spinner, Freaks.

Warum treten in Ihren Geschichten so oft Tiere auf?
Hub: Meine Tierfiguren sind in Wirklichkeit nur Tarnung, um mit Kindern gesellschaftliche Fragen zu behandeln – allerdings ohne belehrend zu sein und mit Humor. Ich versuche Geschichten zu erzählen über Themen wie Gut und Böse, Wahrheit und Lüge, Leben, Einsamkeit und Tod – aber so einfach, dass es auch Kinder verstehen. Mit Tierfiguren kann man viel gnadenlosere Geschichten erzählen. Stellen Sie sich mal vor, Menschen würden sich so verhalten wie in dem Käsekuchenstück.

Freundschaft ist ein wichtiges Thema in Ihren Stücken. Warum?
Hub: Freundschaft bedeutet für mich ein gewisses: Trotzdem! Sich selbst nicht so verdammt ernst zu nehmen und sich gegenseitig auszuhalten, auch wenn es gerade nicht so gut läuft. Freunde zu nehmen, wie sie sind – und nicht wie man wünscht, dass sie wären. Lieber ehrlich miteinander umgehen und einen Streit riskieren, als Konflikten auszuweichen. Ich selbst erwarte, dass ich mich meinen Freunden auch mal zumuten und sogar richtig peinlich sein darf. Das gilt übrigens auch für mein Schreiben: Es muss so persönlich sein, dass es mir selbst fast ein bisschen peinlich ist, meine Gedanken mit anderen zu teilen.

Es geht in Ihren Geschichten oft um Verbote, die übertreten werden. Einer sagt: Nicht essen. Und schwupp, schon sind Kuchen und Rosinen weg. Was ist der Reiz an Grenzüberschreitungen?
Hub: Ich fordere Kinder dazu auf, Regeln nicht einfach blind zu befolgen, sondern darüber nachzudenken, wer sie aufgestellt hat – und warum. Außerdem sind Kinder Teil der Gesellschaft, über sie wird ständig bestimmt. Autoritäten darf man gelegentlich mal in Frage stellen. Ich persönlich halte es für einen Fehler, einen Käsekuchen unbeobachtet allein zu lassen.

Was macht gutes Kindertheater aus?
Hub: Ich sage es lieber andersherum: Gutes Erwachsentheater sollte mehr wie Kindertheater sein. Hier darf und soll gelacht werden, das Abendspielplantheater nimmt sich ein bisschen zu ernst. Vor allem bei uns. Nirgendwo ist die Neigung, die Tragödie höher einzuschätzen als die Komödie, so ausgeprägt wie im deutschsprachigen Raum. Wenn man im Theater lacht, heißt es noch lange nicht, dass die Geschichte keine gesellschaftliche Dimension hat, sogar ganz im Gegenteil: Sobald man lacht, ist man nämlich beteiligt und kann sich nicht mehr entziehen.

Woran arbeiten Sie gerade?
Hub: Mein nächstes Theaterstück handelt vom antiken Mythos des troianischen Pferds. So wie die Troianer auf einen ziemlich offensichtlichen Trick hereingefallen sind, verschließen die Leute heutzutage vor Gefahren lieber die Augen, lassen sich von falschen Versprechungen verführen und führen gegen jegliche Vernunft selbst den eigenen Untergang herbei. Genauso wie bei dem Käsekuchenstück wird auch hier pausenlos gelogen. Ehrlich gesagt wird in allen meinen Texten gelogen. Zu welcher Lüge wir greifen, verrät nämlich am allermeisten über uns selbst.

DK

Die Fragen stellte Anja Witzke.



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