Lieblingslieder unter freiem Himmel

Zum Ende der Theatersaison locken die Schauspieler mit einem Liederabend in den „Turm Power“

22.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:59 Uhr

Wie ein buntes Wohnzimmer: Im Turm Baur in Ingolstadt schlägt die Theater-WG ab Freitag ihr Sommerquartier im Festungsbau nahe des südlichen Donauufers auf. Gut zwei Dutzend Lieder werden die Schauspieler präsentieren. Foto: Woelke

Von Anja Witzke

Ingolstadt – Eigentlich hätte die Ingolstädter Theatersaison mit der Produktion „Immer wieder wächst das Gras“ über den Liedermacher Gerhard Gundermann im Turm Baur enden sollen. Doch Regisseur Heiner Kondschak, der den Abend konzipiert hat und auch mitspielen sollte, ist erkrankt. Kurzerhand hat Tobias Hofmann, der musikalische Leiter des Theaters, mit dem Ensemble einen anderen Liederabend aufs Programm gesetzt – und den Turm Baur in den „Turm Power“ umbenannt. Statt auf dem Dach des Parkdecks am Nordbahnhof schlägt die Theater-WG ab Freitag ihr Sommerquartier im Festungsbau nahe des südlichen Donauufers auf. Hier steigt die große Party, bevor es (im zweiten Teil) tiefgründiger wird und die Nachtschwärmer ins Grübeln geraten.

Gespielt wird in der Kulisse der Gundermann-Produktion, allerdings hat Ausstatterin Ilona Lenk noch ganz viele farbige Tapeten aufgebracht, so dass die Bühne ein buntes Wohnzimmer wird. „Ich hoffe, dass der Zwischenraum zwischen Bühne und Publikum so klein wie möglich ist, dass das Publikum das Gefühl hat, es sitzt mit uns im Wohnzimmer“, sagt Tobias Hofmann.

Gut zwei Dutzend Lieder werden die Schauspieler präsentieren – jeder durfte seine Favoriten beisteuern. So hat sich Péter Polgár ein ungarisches Lied ausgesucht. „Es gibt ja nicht so viele Möglichkeiten auf Ungarisch zu singen. Witzigerweise kannte Tobi Hofmann das Lied sogar und dachte, das ist ein altes ungarisches Volkslied“, erzählt der gebürtige Budapester Schauspieler, der seit 2014/15 im Ingolstädter Ensemble ist. Stimmt aber nicht. „Most múlik pontosan“ (übersetzt etwa: „Jetzt geht es vorüber“) stammt ursprünglich von der Rockband Quimby und wurde von der Band Csík Zenekar gecovert. „Es hat eine traurige Geschichte, aber eine schöne Melodie und erinnert mich an die Zeit nach der Schauspielschule, als wir getourt sind mit dem Theater. Da wurde das Lied gerade viel gespielt.“

Peter Reisser hat sich zum einen mit „Zwischen eins und vier“ ein Lied von Rainhard Fendrich ausgesucht, das die Nacht besingt. Zum anderen wird er „Wenn du tanzt“ der Berliner Indie-Pop-Band Von Wegen Lisbeth singen – ein musikalischer Tipp von seiner Tochter.

Renate Knollmann hatte eine lange Liste von Liedern eingereicht, die infrage gekommen wären. Ausgewählt wurden davon „Sunny“, „Currywurst“ und „Eine Flasche Bier“. „Nicht unbedingt meine Lieblingslieder, aber Lieder, die Abwechslung in den Abend bringen, die gute Laune machen und die man szenisch gut bedienen kann.“ Außerdem ist sie als Background-Sängerin bei anderen Nummern noch sehr gefragt.

Enrico Spohn setzt auf seine „Evergreens“: „Ich bin meist vor der Pause aufgetreten, um die Massen noch mal anzuheizen, bevor es im zweiten Teil des Abends in die ruhigen Lieder geht.“ „Celebration“ von Cool and the Gang, „Copacabana“ von Barry Manilow und „All Night Long“ von Lionel Richie gehören dazu. „Das sind Partynummer, wo die Zuschauer hoffentlich mittanzen und -singen“, sagt er.

Teresa Trauth wäre in der „Gundermann“-Produktion dabei gewesen, war als bekennendender Fan über die Absage „total traurig“, wollte dann aber trotzdem keine Gundermann-Lieder zum „Turm Power“-Programm beisteuern, sondern hat sich für „Griechischer Wein“ von Udo Jürgens und „Wo bist du“ von Tamara Danz entschieden. Die Frontfrau der Gruppe Silly war eine der namhaftesten Rocksängerinnen der DDR und auch international bekannt.

Olivia Wendt hat „Liegen ist Frieden“ ausgewählt. Als ihr damals 13-jähriger Sohn im zweiten Lockdown durch nichts mehr zu motivieren war und die Eltern fast verzweifelten, kam er eines Tages mit seinem Smartphone und meinte: „Hört Euch das mal an, das ist meine Philosophie“: „Hörst du die Stimme, die sagt, nutze den Tag“, heißt es im Song. Und im Refrain: „Aber ich will nicht. Ich will lieber hier liegen. Für immer hier liegen. Denn Liegen ist Frieden. Mein Geschenk an die Welt.“ „Ich habe mich sofort in dieses Lied verliebt“, erzählt Olivia Wendt.

Darüberhinaus wird sie „Dancing Queen“ von Abba singen – allerdings im Ragtime-Style. „Im vergangenen Jahr habe ich auf der Sommerbühne mit dem Projekt ,Jazz it up‘ begonnen, die unterschiedlichsten Songs in jazzige Nummern zu verwandeln – nach dem Vorbild der amerikanischen Band Postmodern Jukebox.“ Auch der Metallica-Hit „Nothing Else Matters“ wird in so ein neues, jazziges Gewand gekleidet. Michael Amelung ist durch vergangene „Sleepless“-Abende ein Fan von Billy Joel geworden, hatte schon „She’s Always a Woman“ und „Uptown Girl“ interpretiert und sich für das neue Liederprogramm „Tell Her About It“ ausgesucht. Auch das zweite Lied hat er schon lange auf seiner Liste: „Martha“ von Tom Waits.

An dem Format dieser Liederabende schätzt Michael Amelung – wie übrigens viele seiner befragten Kollegen – die künstlerische Freiheit: „Man kann sich die Lieder aussuchen, die Kostüme, ob man eine Figur dazu erfindet oder nicht. Ich habe mir beispielsweise vorgenommen, mich mit einer Sofortbildkamera unters Publikum zu mischen und Fotos zu machen, die die Leute dann gleich behalten können. So etwas ist ja bei einer normalen Produktion nicht möglich.“

DK


Premiere ist am 24. Juni um 21 Uhr im Turm Baur, Vorstellungen sind bis 23. Juli geplant. Kartentelefon (0841) 30547200.