Ingolstadt
Fasziniert vom Tod

"LeseLust": Der Leichenpräparator Alfred Riepertinger liest im DK-Forum aus seinem Buch

14.11.2012 | Stand 03.12.2020, 0:50 Uhr

Berichte von einer ungewöhnlichen Karriere: Alfred Riepertinger im DK-Forum Ingolstadt - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Der Tod kommt unausweichlich. Er trifft jeden. Aber er ist und bleibt auch ein Tabuthema, über das oft nur gesprochen wird, wenn es soweit ist. Und dennoch – er fasziniert die Menschen, in früheren Jahrhunderten genauso wie heute.

Der leichte Grusel ist’s, der anzieht. Doch der Tod kommt nicht immer leise und schlicht. Oftmals lässt er Menschen unansehnlich werden, verstümmelt sie. Dann schlägt die Stunde von Alfred Riepertinger. Er ist Präparator am Schwabinger Klinikum. Vom Phänomen Tod war er schon immer fasziniert.

Wie sehr ihn das Thema fesselt, und wie er die Menschen damit in den Bann ziehen kann, bewies er am Dienstagabend im DK-Forum. Es ist eine etwas andere Lesung. Nicht nur wegen der Bilder, die er parallel zu den Buchausschnitten zeigt. Mit leicht fisteliger Stimme erzählt Alfred Riepertinger von seiner ungewöhnlichen Karriere. Vom Werkzeugmacher über seinen Nebenberuf als Bestatter bis hin zum Präparator.

Einen „g’schrubbten Typen“ würden sich die Menschen vorstellen, wenn er kommt, meint Riepertinger. Vielleicht sei er ja auch verrückt, nur gesagt hätte es ihm dann noch keiner. Mit seinen teils humorvollen Szenen, die er ausgewählt hat, weicht die anfänglich eher skeptische Stille relativ schnell einer gelösten Atmosphäre. Kopfschütteln über seine Erzählungen wird nach kurzer Zeit durch heiteres Lachen ersetzt. „Wissen Sie, bei uns geht es nicht immer ernst zu.“ Sonst könnte man nicht in dem Beruf bleiben.
 

So abgebrüht und sachlich, bisweilen natürlich auch humorvoll, er über die Erlebnisse in seinem Sektionssaal in Schwabing erzählt, so gefühlvoll wird er zwischendrin: Als er über seinen Vater spricht. Sein „Bapa“ hat ihm den Weg frei gemacht, diesen Beruf ergreifen zu dürfen – und nicht den Werkzeugmacher weiterzuverfolgen. „Ich vermisse ihn.“

Seit 40 Jahren arbeitet der heute 57-Jährige aus Germering bei München inzwischen als Leichenpräparator. Das Buch, das er geschrieben hat, gibt nur einen Querschnitt durch sein Wirken – 25 000 Leichname lagen auf seinem Tisch. Mitunter auch Menschen, die er lebendig nicht hätte kennenlernen können, wie er nicht ohne Stolz zu berichten weiß. Franz-Josef Strauß, Roy Black, Rudolph Mooshammer und das Fürstenpaar von Liechtenstein. „Als kleiner Werkzeugmacher hätte ich das nicht erleben dürfen.“

Riepertinger ist doch ein wenig anders. Oder nicht? Die Fragen, die er nach den gelesenen Ausschnitten gestellt bekommt, lassen anderes vermuten. Wo man einer Sektion beiwohnen könnte – „Nirgends. Ausschließlich medizinisches Fachpersonal“ – oder wie heiß es im Krematorium ist – „800 bis 1200 Grad“.

Die Karriereleiter des Alfred Riepertinger ging inzwischen noch ein klein wenig weiter: „Tatort“, „Der Alte“, „Siska“, „Aktenzeichen XY . . .“ Riepertinger durfte mitspielen. Immer in seinem eigenen Berufszweig, „begeistert von dem Wunderwerk Körper“. Das hat sich mittlerweile auch in seiner Familie manifestiert. „Die Plazenta meines Enkels habe ich plastiniert.“ Dann könnte der junge Mann sie später der Biologielehrerin vorlegen. Mit viel Kopfschütteln, aber auch viel Lachen zeigte das Publikum: ein außergewöhnliches Buch, ein außergewöhnlicher Lesestoff, ein außergewöhnlicher Mensch.