Konzertkritik
Lebensfreude und Leichtigkeit

Das Faschingskonzert des Konzertvereins mit dem hr-Brass

16.02.2023 | Stand 17.09.2023, 2:52 Uhr

hr-Brass bot vielseitige Klänge, von Bach bis John Lennon im Festsaal. Foto: Schaffer

Von Heike Haberl

Ingolstadt – Als Faschingskonzert war der Auftritt des profilierten, traditionsreichen Ensembles hr-Brass angekündigt. Und obwohl natürlich Spaß, Lebensfreude und Leichtigkeit einen entsprechenden Platz im Programm hatten, nahmen daneben – passend zum Valentinstag – die Themen Frieden und Liebe ihren gebührenden musikalischen Raum ein. Zugleich machte mit diesem Abend Solo-Trompeter Sebastian Berner sein Versprechen wahr, nach dem überragenden Gewinn des Musikförderungspreises 2015 erneut auf die Bühne des Konzertvereins im Theaterfestsaal zurückzukehren. Diesmal brachte er zehn weitere Bläser und zwei Percussionisten aus dem hr-Sinfonieorchester mit. Und die bunte Stilvielfalt aus Ballett, Oper, Gospel, Rock/Pop, Klassik und Filmmusik, die sie zusammen präsentierten, schien keine Grenzen zu kennen.

Gerade hat sich die renommierte, seit 1986 bestehende, flexibel besetzte Blechbläser-Formation hr-Brass durch einen Generationenwechsel neu aufgestellt und trat in dieser Konstellation zum ersten Mal vors Publikum. Ihren frischen Schwung, die junge Energie, den süffigen Elan nahmen die allesamt hervorragenden Musiker mitten hinein in die abwechslungsreiche Ausdruckspalette der ausgewählten Werke. Doch nicht nur das: Auch die anhand intensiver gemeinsamer Orchesterarbeit bereits erlangte kollegiale Verbundenheit, die freundschaftliche Vertrautheit untereinander konnten sie sich dabei ideal zunutze machen. Die eindrucksvoll leuchtenden, festlichen Eröffnungsklänge aus Paul Dukas' Fanfare zu „La Peri“ beherrschen die Mitglieder von hr-Brass genauso perfekt wie die glühend eifersüchtigen, das Blut zum Kochen bringenden Wallungen des nordischen Tangos „Jalousy“ von Jacob Gade. Oder den speziellen Groove der verschiedenen Stimmungen, Stadtteile und Schauplätze aus Jim Parkers lautmalerischem Spaziergang „A Londoner in New York“ – voll afroamerikanischem, jazzig-verruchtem Harlem-Flair, hupenden Autos, zischend-pfeifenden Zügen, idyllischen Naturschilderungen und wildem, ausgelassenem Show-Business. Ebenso erstklassig treffen die Künstler den zirkushaft schwingenden Varieté-Charakter des Walzers Nr. 2 von Dimitri Schostakowitsch auf den Punkt. Beim volkstümlichen Traditional „Londonderry Air“, der inoffiziellen Hymne Nordirlands, glänzte der junge Posaunist Norwin Hahn als einfühlsamer Solist mit großer Empfindungsgabe. Sein Kollege Oliver Siefert verkörperte – ebenfalls an der Posaune – den entflammten Tenor aus Puccinis „La Bohème“, zeichnete auf seinem Instrument die gesanglichen Belcanto-Linien der Liebesarie, die auch ohne Worte ihre Wirkung entfalteten, in gefühlvoll-warmer Kantabilität nach. Besonders interessante, ungewöhnliche Tonfärbungen und Klangkombinationen bot die Adaption des Adagio-Satzes aus Mozarts Klavierkonzert A-Dur für Vibrafon: Der ursprünglich pianistische Part, mit wohlgeformt souveränem Ausdruck an den Stäben und Schlägeln übernommen von Burkhard Roggenbuck, entfaltete seinen klagenden und doch lichten, sich wiegenden Siciliano-Takt zwar auf modernere, metallischere Art als im Original, büßte aber dadurch nichts von seiner tiefgründig-melancholischen Innigkeit ein.

Diese friedliche Atmosphäre drehte sich allerdings komplett, als die übrigen Musiker den bittersüßen Schmerz plötzlich in exotisch-temperamentvolles Samba-Feeling und brasilianische Rhythmen verwandelten. Ein genialer Kunstgriff mit beeindruckendem Überraschungseffekt.

Sphärisch-triumphal nuancierend trumpfte der hervorragende Klangkörper dagegen mit einem Arrangement von Oscar Petersons „Hymn to Freedom“ auf, eine Liebeserklärung an die Freiheit und die Menschlichkeit, in der in anrührender Raffinesse die Bach-Kantate „Wachet auf“ anklingt (überzeugend feinfühlig am Vibrafon ornamentierend: Anton Mikhalevsky). Der Friedensgedanke, der Appell zur Versöhnung, zur Heilung setzte sich fort in Michael Jacksons temporeich und mitreißend gestalteter Popballade „Heal the World“ sowie in der Bearbeitung „Imagine there would be peace“, ein abermals gekonnt verzahnter, fantastisch in Szene gesetzter Mix aus Bach plus diesmal John Lennon.

All das musizierten hr-Brass äußerst spritzig und eloquent. Auf großartige Weise spielten sie mit den unterschiedlichsten Klangfarben, zeigten – einschließlich der charmanten Zwischenansagen – einerseits ihr beschwingtes und witziges Potenzial, dann wieder ihre ernsthaftere, zum Nachdenken anregende Seite. Fazit: Der Neustart von hr-Brass ist in jeder Hinsicht geglückt!

DK