Trailer des Sonntagskrimis
Junger Gigolo bezirzt reife Damen im Mainzer „Tatort“

26.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:55 Uhr

Da liegt der mutmaßliche Mörder am Boden: Kommissarin Ellen Berlinger (Heike Makatsch) hat den verdächtigen Hannes Petzold (Klaus Steinbacher) fest im Griff. Ihr Kollege Martin Rascher (Sebastian Blomberg) verfolgt die Festnahme m Hintergrund. −Foto: Daniel Dornhöfer/SWR

Von Roland Holzapfel

Bis zum nächsten Morgen, 6 Uhr, müssen die Ermittler belastbares Material herbeischaffen, ansonsten ist der Verhaftete unverzüglich freizulassen! Der Mainzer „Tatort“ – der letzte vor der Sommerpause mach schon jetzt Lust auf neue Mordfälle.



Der letzte „Tatort“ vor der Sommerpause ist ein Gradmesser dafür, wie die Fangemeinde in die Saure-Gurken-Krimizeit entlassen wird. Gut, dass mal Ruhe ist? Oder: Schade, so hätt’s gerne weitergehen können? Der neue Fall aus Mainz lässt das Gefühlspendel eher in die zweite Richtung ausschlagen.
Das übliche Ende steht hier am Anfang. Schon nach wenigen Minuten wird der mutmaßliche Täter verhaftet. Der vorbestrafte Hannes Petzold (Klaus Steinbacher) macht sich in der Villa einer verstorbenen Millionärin am Tresor zu schaffen – und läuft den Ermittlern Ellen Berlinger (Heike Makatsch) und Martin Rascher (Sebastian Blomberg) in die Arme. Nach einem kurzen Verfolgungssprint, der für Rascher schmerzhafte Folgen hat, legt Berlinger dem Tunichtgut Handschellen an. Fall gelöst? Noch lange nicht!



Denn die Chefin moniert fehlerhafte Methoden im Vorfeld der Festnahme. Berlinger ist sicher, dass Petzold die reiche Witwe Bibiana Dubinski (Ulrike Krumbiegel) getötet hat; offiziell ist die Diabetikerin an einem Insulinschock gestorben. „In seinen Augen“ – so ist der Film auch betitelt – habe sie das Böse gesehen, beteuert die Kommissarin. Diese Beweislage ist der Staatsanwältin etwas zu dünn. Die Ermittler bekommen eine Gnadenfrist: Bis zum nächsten Morgen, 6 Uhr, müssen sie belastbares Material herbeischaffen, ansonsten ist der Verhaftete unverzüglich freizulassen.

Gut aufpassen und mitdenken!

Und so gehen die beiden im Büro die vergangenen 14 Tage nochmal durch. Für die Zuschauer heißt das: Gut aufpassen und mitdenken! Regisseur Tim Trageser und Autor Thomas Kirchner erzählen die Vorgeschichte nämlich in unzähligen Rückblenden und Zeitsprüngen. In manchen Krimis wirkt dieses Stilmittel sehr bemüht und nervtötend. Hier nicht.
Es geht um eine verhängnisvolle Ménage-à-trois zwischen dem jungen Gigolotypen und zwei liebeshungrigen Seniorinnen. Zwei? Richtig, denn da ist ja noch die von Michaela May formidabel dargestellte Charlotte Mühlen, beste Freundin und Alleinerbin von „Bibi“ Dubinski. Charlotte trauert in den allerersten Filmszenen um ihren Hundeliebling, Trost findet die bald aufblühende graue Maus im Fahrer des Tierkrematoriums: Hannes Petzold, der als krimineller Witwenschüttler polizeibekannt ist. Auf den knackigen Ex-Knacki wirft auch Bibi ein lüsternes Auge. Das Unheil nimmt seinen Lauf.
Einige überraschende Wendungen, gute Schauspielerinnen, ein Bösewicht mit Glut im Blick, dem man viel Schlechtes zutraut. Dazu kommt ein charakterlich sehr heterogenes Kripo-Duo – der analytisch-spröde, trocken-humorige Rascher und die impulsive Berlinger –, das dennoch prima harmoniert. Das sind die Zutaten für einen gewiss nicht makellosen, aber überdurchschnittlichen „Tatort“, der Lust auf mehr Mordsgeschichten in zwei Monaten macht.


Sonntag, 26. Juni, ARD, 20.15 Uhr